Süddeutschland befürchtet Nachteile bei Gasnotstand

Stuttgart/München/Wien (dpa) – Im reichen Süden Deutschlands werden bei einem Gasnotstand besonders harte Folgen für die Wirtschaft befürchtet.

Die Industrie wolle wissen, ob der Süden bei einer Notfallverteilung von Gas gegenüber dem Norden benachteiligt werde, es seien «große Ängste» im Spiel, warnte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Montag in Stuttgart bei einem Krisengipfel zur Gasversorgung. Der Grünen-Politiker will für den Fall vorbeugen, dass Russland seine Gaslieferungen an Deutschland weiter drosselt. Weiterlesen

Söder: Bund muss Gas-Versorgung aus Speicher Haidach klären

München (dpa) – Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat die Bundesregierung aufgefordert, die Gasversorgung Bayerns und anderer Bundesländer aus dem Speicher Haidach in Österreich zu klären.

Er reagierte damit am Montag auf die Ankündigung Österreichs, den auch für Bayern wichtigen Gasspeicher bei Salzburg möglichst bald – neben dem deutschen – auch mit dem österreichischen Netz zu verbinden.

«Wir beobachten die Entwicklungen beim Gasspeicher in Haidach mit großer Sorge», sagte Söder. «Zu Haidach scheint es ja eine Vereinbarung zwischen Berlin und Wien zu geben. Diese besagt, dass der überwiegende Teil für Bayern vorgesehen ist. Daher unsere klare Forderung: Der Bund muss die Vereinbarung mit Österreich transparent machen und deutlich sagen, wann und wie viel Gas nach Bayern fließt.» Weiterlesen

Gaskrise: Von der Leyen warnt vor Boykott der Notfallpläne

Brüssel (dpa) – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dringt darauf, dass sich auch Länder mit geringer Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen an Einsparanstrengungen beteiligen.

«Auch Mitgliedstaaten, die kaum russisches Gas beziehen, können sich den Folgen eines möglichen Lieferstopps in unserem Binnenmarkt nicht entziehen», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur kurz vor einem Sondertreffen der Energieminister an diesem Dienstag. Die Volkswirtschaften in der EU seien eng miteinander verwoben. Eine Gaskrise beträfe in der einen oder anderen Form jeden Mitgliedstaat.

«Deshalb ist es wichtig, dass alle Mitgliedstaaten die Nachfrage drosseln, dass alle mehr speichern und mit denjenigen Mitgliedern teilen, die stärker betroffen sind», ergänzte von der Leyen. Energiesolidarität sei ein Grundprinzip der europäischen Verträge. Weiterlesen

Gazprom reichen Unterlagen zur Nord-Stream-Turbine nicht aus

Moskau (dpa) – Der russische Energiekonzern Gazprom sieht trotz der erhaltenen Begleitdokumente für die von Kanada zurückgelieferte Turbine Risiken für deren Einbau in die Pipeline Nord Stream 1.

«Gazprom hat die betreffenden Dokumente studiert, muss aber konstatieren, dass sie die vorher genannten Risiken nicht lösen und zusätzliche Fragen hervorrufen», teilte das Unternehmen am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit. Damit bleiben Fragezeichen um die Gaslieferungen über die Ostseepipeline bestehen. Weiterlesen

Göring-Eckardt schließt Streckbetrieb von AKW nicht aus

Berlin (dpa) – Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) schließt einen sogenannten Streckbetrieb von Atomkraftwerken in Deutschland über das Jahresende hinaus nicht aus. Auf die Frage, ob die Grünen einen Streckbetrieb der Meiler zulassen würden, sagte sie in der ARD-Sendung «Anne Will»: «Wenn es dazu kommt, dass wir eine wirkliche Notsituation haben, dass Krankenhäuser nicht mehr arbeiten können, wenn eine solche Notsituation eintritt, dann müssen wir darüber reden, was mit den Brennstäben ist.» Weiterlesen

Von der Leyen warnt Kritiker von Gas-Notfallplänen

Brüssel (dpa) – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dringt darauf, dass sich auch Länder mit geringer Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen an Einsparanstrengungen beteiligen.

«Auch Mitgliedstaaten, die kaum russisches Gas beziehen, können sich den Folgen eines möglichen Lieferstopps in unserem Binnenmarkt nicht entziehen», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur kurz vor einem Sondertreffen der Energieminister an diesem Dienstag. Die Volkswirtschaften in der EU seien eng miteinander verwoben. Eine Gaskrise beträfe in der einen oder anderen Form jeden Mitgliedstaat. Weiterlesen

Chef der Bundesnetzagentur: Mehr Energie sparen

 Energiekrise
Von Andreas Hoenig und Wolf von Dewitz, dpa

Bonn (dpa) – Die Bundesnetzagentur hat die Verbraucher zu mehr Anstrengungen beim Energiesparen aufgefordert, damit Deutschland auch bei einer Gasknappheit durch den Winter kommt. Im bisherigen Jahresverlauf liege der Gasverbrauch 14 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum, sagte Behördenpräsident Klaus Müller der Deutschen Presse-Agentur. «Ich muss aber in Richtung 20 Prozent kommen. Es muss noch eine Schippe draufgepackt werden.»

Er wies darauf hin, dass der größte Teil der Einsparungen am relativ milden Wetter in diesem Jahr gelegen habe – vor allem dadurch liefen die Heizungen nicht so stark wie im Vorjahr. Wäre das Wetter hingegen wie 2021 gewesen, wären es nur 5 Prozent gewesen. Weiterlesen

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew/Moskau/Washington (dpa) – Zur Unterstützung im bereits seit 148 Tagen andauernden Krieg gegen Russland haben die USA der Ukraine weitere Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ Himars zugesichert. Die Führung in Kiew zeigte sich dankbar, fordert aber dringend auch die Lieferung von Luftabwehrsystemen. Ein Sieg seines Landes gegen die russischen Angreifer würde ganz Europa schützen, betonte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache.

Kremlchef Wladimir Putin kündigte unterdessen den Wiederaufbau von Städten im Donbass an, die durch den von ihm angeordneten Krieg überhaupt erst zerstört wurden. Moskau stellt sich immer wieder als Schutzmacht der selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine dar und rechtfertigt den Angriff auf das Nachbarland unter anderem mit dem angeblichen Schutz der dort lebenden Menschen.

Dass es Russland tatsächlich aber um viel mehr geht als den Donbass, bestätigte nun auch Außenminister Sergej Lawrow: Seine Drohung, noch weitere Gebiete einzunehmen, wurde in Kiew erwartungsgemäß mit großer Wut aufgenommen.

Medwedew: «Ukraine könnte von der Weltkarte verschwinden»

Derweil stellen führende russische Politiker einmal mehr das weitere Fortbestehen der Ukraine als souveränen Staat infrage. Dmitri Medwedew, Ex-Präsident und jetziger Vizechef des russischen Sicherheitsrates, veröffentlichte am Donnerstag eine Liste von Dingen, «an denen Russland nicht schuld ist». Ein Punkt lautet: «Daran, dass die Ukraine infolge aller Geschehnisse die Reste staatlicher Souveränität verlieren und von der Weltkarte verschwinden könnte.»

Das Nachbarland habe bereits 2014 den Großteil seiner Souveränität eingebüßt, als es sich unter die «direkte Kontrolle des kollektiven Westens» begeben habe, behauptete Medwedew, der zwischen 2008 und 2012 Präsident war. Der 56-Jährige ist ein enger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin und seit Russlands Einmarsch in die Ukraine Ende Februar immer wieder mit Drohungen und scharfen Äußerungen gegen die Führung in Kiew aufgefallen.

US-Regierung liefert weitere Mehrfach-Raketenwerfer

Die US-Regierung will der Ukraine vier weitere Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ Himars liefern. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte bei Online-Beratungen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe aus Dutzenden Staaten, die bisher gelieferten Himars-Raketenwerfer hätten «auf dem Schlachtfeld so viel bewirkt». Als Teil des nächsten Pakets für die Ukraine würden die USA außerdem weitere Waffen, Munition und Ausrüstung liefern, darunter Raketen und Artilleriegeschosse. Details würden im Laufe der Woche bekanntgegeben.

Austin sagte bei einer Pressekonferenz nach den Beratungen, es habe «viele neue Ankündigungen» der Verteidigungsminister und Armeechefs aus den mehr als 50 teilnehmenden Staaten gegeben. «Wir sehen, dass Länder aus der ganzen Welt weiterhin dringend benötigte Systeme und Munition zur Verfügung stellen.» Konkreter wurde er nicht.

Die USA sind der wichtigste Waffenlieferant für die Ukraine. Bislang haben sie laut US-Generalstabschef Mark Milley neben zahlreichen anderen Waffensystemen bereits zwölf Himars-Systeme geliefert.

Die ukrainische Präsidentengattin Olena Selenska hatte die USA bei einer Rede im Kapitol in Washington eindringlich um mehr Waffen und speziell um Luftabwehrsysteme gebeten.

Selenskyj: Russland nutzt Ukraine als Testfeld

Präsident Selenskyj selbst warf Russland unterdessen vor, die Ukraine als Testfeld für mögliche Angriffe gegen andere europäische Staaten zu nutzen. «Russland testet in der Ukraine alles, was gegen andere europäische Länder eingesetzt werden kann», sagte Selenskyj. «Es fing mit Gaskriegen an und endete mit einer großangelegten Invasion, mit Raketenterror und niedergebrannten ukrainischen Städten.»

Ukrainischer Außenminister: Russland will Blut statt Verhandlungen

Die Ukraine reagierte empört darauf, dass Russland mit der Einnahme weiterer Gebiete gedroht hatte. «Russland verwirft die Diplomatie und ist auf Krieg und Terror konzentriert», schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter. Anstelle von Verhandlungen seien die Russen auf Blutvergießen aus. Zuvor hatte Russlands Außenminister Lawrow erklärt, Moskaus Gebietsforderungen an Kiew seien mittlerweile größer als noch zu Kriegsbeginn Ende Februar.

Nach dem Einmarsch ins Nachbarland hatte der Kreml von Kiew vor allem die Abtretung der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sowie die der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk gefordert. Die Ukraine lehnte das klar ab. Nun verweist Moskau auf westliche Waffenlieferungen, die angeblich eine Bedrohung für die prorussischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk darstellen sollen. Deshalb wolle man die ukrainische Armee noch weiter zurückdrängen als ursprünglich geplant, heißt es aus Moskau.

Russische Grenzregion wirft Ukraine tödlichen Beschuss vor

Die russische Grenzregion Belgorod macht die ukrainische Seite für einen Angriff mit einem Todesopfer verantwortlich. Am Mittwoch seien die Dörfer Nechotejewka und Schurawljowka beschossen worden, teilte der Gouverneur der Region mit.

In Nechotejewka seien mehrere Häuser beschädigt worden, außerdem sei ein Zivilist gestorben. Russland, das den Krieg gegen das Nachbarland Ukraine selbst begonnen hat, beklagt seitdem immer wieder Beschuss auch auf dem eigenen Staatsgebiet. Die ukrainische Seite äußert sich in der Regel nicht zu diesen Vorwürfen.

CIA: Schätzungsweise 15.000 Russen gestorben

Nach Schätzungen des US-Auslandsgeheimdienstes CIA kamen im Krieg gegen die Ukraine auf russischer Seite bereits 15.000 Menschen ums Leben. Etwa dreimal so viele Russen seien bislang vermutlich verwundet worden, sagte CIA-Direktor William Burns bei einer Podiumsdiskussion während einer Sicherheitskonferenz in Aspen im US-Bundesstaat Colorado. «Und auch die Ukrainer haben gelitten – wahrscheinlich etwas weniger. Aber, Sie wissen schon, erhebliche Verluste», sagte Burns. Aktuelle Angaben der offiziellen Stellen in Russland zu Totenzahlen gibt es nicht.

Verstöße gegen das Völkerrecht

Das Wahl- und Menschenrechts-Büro ODIHR der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) warf den russischen Truppen schwerwiegende und massenhafte Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht seit Kriegsbeginn vor. Besonders gravierende Fälle seien der Beschuss des Theaters voller Flüchtlinge in Mariupol Mitte März und des belebten Bahnhofs von Kramatorsk Anfang April.

Entsetzt zeigten sich die Experten auch über die Belagerung von Städten, deren Bewohnern keine Möglichkeit zur Evakuierung gegeben worden sei. Zeugen hätten von vielen Fällen illegaler Hinrichtungen, Inhaftierungen, Folter, sexueller Gewalt und Entführungen berichtet.

Auch die ukrainische Armee habe gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen, wenn auch in geringerem Maße, heißt es in dem ODIHR-Bericht. Zudem würden beide Seiten im Umgang mit Kriegsgefangenen das geltende Völkerrecht verletzen.

Das wird heute wichtig

Die neuen Russland-Sanktionen der EU sollen heute in Kraft treten. Der Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten brachte in Brüssel das schriftliche Beschlussverfahren auf den Weg. Es gilt als Formalie, da der Einleitung des Verfahrens normalerweise nur zugestimmt wird, wenn alle EU-Hauptstädte keine Einwände mehr haben.

Weiterlesen

Kevin Kühnert: Gas-Pipeline-Aus würde uns härter treffen als Putin

Berlin (dpa) – Ein dauerhafter Ausfall der Ostseepipeline Nord Stream 1 würde Deutschland nach Worten von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert deutlich härter treffen als Russlands Präsident Wladimir Putin.

Die Bundesregierung habe alles dafür getan, dass es «kein technisches Argument mehr für die russische Seite» gebe, die Pipeline nicht wieder ans Netz zu nehmen, auch durch die Bereitstellung der zuvor in Kanada gewarteten Turbine», sagte der SPD-Politiker dem Deutschlandfunk. Aber niemand würde «seine Hand ins Feuer legen wollen für politische Kräfte aus dem Umfeld von Wladimir Putin», so Kühnert.

Die große Sorge in Deutschland derzeit ist, dass Russland bei der Ostseepipeline Nord Stream 1 nach einer geplanten Wartung, die Ende dieser Woche vorbei sein könnte, den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Kühnert: Kritik der Ukraine verständlich

Die Kritik aus der Ukraine am Festhalten an der Pipeline sei verständlich, sagte Kühnert. Es gelte aber weiter die Devise der Bundesregierung, dass die Sanktionen gegen Russland Putin härter treffen müssten als Deutschland. Inzwischen sei völlig klar, dass die Gasversorgung für Deutschland keine Kleinigkeit sei, wie manche noch im März oder April geglaubt hätten.

«Insofern müssen wir hier einfach eingestehen: Diese Maßnahme, ein Abschalten dieser Nord-Stream-1-Pipeline, würde uns härter treffen als Putin – und zwar sehr deutlich», sagte Kühnert. Es sei eine «traurige Wahrheit», dass Deutschland vorerst noch auf russisches Gas angewiesen sei, um im Winter massive Probleme für Haushalte und Industrie abzuwenden.

Machtspiel um Putins Gas

Moskau (dpa) – Russlands Energieriese Gazprom will sich nicht festlegen zur Zukunft der Energieversorgung in Deutschland und in den anderen EU-Staaten.

Die Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1 – der wichtigsten Versorgungsleitung von Russland nach Deutschland – sollen zwar an diesem Donnerstag (21. Juli) abgeschlossen sein. Aber es fehlt weiterhin eine wichtige Turbine, die Kanada lange wegen der Sanktionen nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zurückgehalten hat. In Russland erwartet niemand, dass sie bis zum letzten Wartungstag wieder eingebaut ist. Für die Gasversorgung in Deutschland und Europa hat das Folgen.

«Davon hängt die verlässliche Arbeit der Gasleitung Nord Stream und die Versorgung der europäischen Verbraucher ab», teilte Gazprom am Wochenende mit. Das Unternehmen beklagt, es gebe vom deutschen Konzern Siemens Energy keine Dokumente, die eine Rückkehr der Gasturbine bestätigten. Sie sei aber wichtig für die Kompressorstation Portowaja, die wiederum für den Betrieb von Nord Stream 1 essenziell sei. Schon vor Beginn der zehntägigen Wartungsarbeiten hatte Gazprom die Gasdurchleitung durch die Pipeline um 60 Prozent gedrosselt. Das trieb die ohnehin hohen Gaspreise weiter in die Höhe.

Alles dreht sich um die Turbine

Zwar betont Moskau mit Blick auf die Wartungsarbeiten, Russland wolle seine Verpflichtungen als Gaslieferant auch künftig erfüllen. Aber um die Turbine dreht sich längst die Energiekrise in Europa, weil Russland ihr Fehlen nach Befürchtungen der Bundesregierung als Vorwand benutzen könnte, die Lieferungen ganz zu kappen.

Mit hämischer Freunde berichten russische Staatsmedien fast täglich darüber, wie etwa die deutsche Bundesregierung wegen der unsicheren Lage um Nord Stream 1 zum Energiesparen aufruft und Milliarden ausgibt, um die sozialen Folgen rasant steigender Lebenshaltungskosten abzufedern. «Nicht wir haben die Sanktionen gegen uns eingeführt», sagt der Nachrichtenmoderator im Fernsehsender Perwy Kanal.

Auf die Frage aber, ob Kremlchef Wladimir Putin den Gashahn wieder aufdrehen lässt, gibt es in Moskau keine klare Antwort. Deutlich wird nur, dass Russland die Verantwortung für mögliche Schwierigkeiten am ehesten abschieben wird. Auch Gazprom betont immer wieder, auf die kaum gefüllten Gasspeicher in Europa hingewiesen zu haben.

Der Staatskonzern gibt zudem der Ukraine die Schuld an der Lage, weil nicht einmal mehr die Hälfte der möglichen täglichen Liefermenge durch das Transitnetz des Landes geleitet werde. Die Ukraine, die trotz Moskaus Angriffskrieges derzeit noch rund 40 Millionen Kubikmeter Gas täglich nach Westeuropa pumpt, hätte es am liebsten, dass die EU ganz auf Lieferungen aus Russland verzichtet. Auch die Gasleitung Jamal-Europa ist stillgelegt, weil Polen sich weigerte, das Gas – wie von Putin gefordert – in Rubel zu bezahlen.

Moskau erinnert an Nord Stream 2

Schuld an den Problemen sollen aus russischer Sicht stets die anderen haben. Erinnert wird in Moskau aber angesichts der Energiekrise mit hohen Preisen und unsicherer Versorgung nicht zuletzt daran, dass es eine ganz einfache Lösung für die Lage gebe: Nord Stream 2. Die Gasleitung ist fertig, aber wegen des Ukraine-Krieges nie in Betrieb gegangen. Putin hatte erklärt, dass durch Lieferungen über diese Leitung die Preise wieder sinken und sich die Situation insgesamt entspannen könnte.

Russland selbst, da sind sich viele Experten einig, hat kein Interesse daran, in diesem Konflikt als die Seite dazustehen, die Verträge bricht. Andere Großabnehmer wie China oder die Türkei, die ebenfalls über neu gebaute Gasleitungen versorgt werden, könnten alarmiert werden und an Russlands Zuverlässigkeit zweifeln, wenn die Energiegroßmacht Europa den Hahn abdreht. Russland steht seit langem im Ruf, seine Energie als «geopolitische Waffe» einzusetzen.

Wer sich dagegen mit Russland gut stellt – wie etwa Serbien, Ungarn und vor allem etwa auch der Nachbar Belarus -, kann traditionell auf Freundschaftspreise rechnen. Auch China erhält Gas zu einem deutlich niedrigen Preis als der Westen.

Russlands Abhängigkeit vom Gasverkauf

Manche Politiker in Moskau würden den EU-Staaten wegen der antirussischen Politik des Westens am liebsten gleich den Gashahn abdrehen. Der Westen habe seinen Wohlstand überhaupt nur dank Russlands Rohstoffen so aufbauen können, heißt es allenthalben. Die Entwicklung könne nun endlich gestoppt und zurückgeworfen werden.

Trotzdem weist etwa der russische Energie- und Finanzexperte Marcel Salichow darauf hin, dass Moskau von den Einnahmen aus dem Gasverkauf abhängig sei und seinen Staatshaushalt damit finanziere. Es sei auch nicht möglich, die nach Europa verkauften Mengen einfach umzuleiten und anderswo für die im Westen üblichen Preise zu verkaufen. «Auch nach China lässt sich das nicht umleiten. Es gibt dort keine Gasleitungen mit freien Kapazitäten», sagt der Präsident des Moskauer Instituts für Energie und Finanzen an der Hochschule für Ökonomie.

Außerdem seien Russlands Anlagen für die Verflüssigung von Gas voll ausgelastet. Das Land müsste im Fall eines Abdrehens des Gashahns seine Fördermengen deutlich herunterfahren, meint Salichow. «Aber auch das ist nicht so einfach.» Mit den überschüssigen Mengen das Inland besser versorgen? Schon jetzt werde das in Russland geförderte Gas zu mehr als zwei Dritteln im Land verwendet, erklärt der Experte. Der Verbrauch lasse sich nicht einfach hochfahren.

Durch die Sanktionen des Westens stehen schon jetzt viele Produktionsstätten in Russland still. Und auch wenn immer wieder die teils schlechte Anbindung der Bevölkerung in ländlichen Regionen an das Gasnetz ein Thema in Russland ist, erwarten Experten nicht, dass nun plötzlich überall kostspielig Leitungen verlegt werden. Gazprom verdient damit weniger als im Export.

Ziel Russlands dürfte es daher sein, weiter in die EU zu liefern – allerdings zu klaren Bedingungen. Dazu dürfte nicht zuletzt ein Ende des Sanktionsdrucks im Ukraine-Krieg gehören. Jede Sanktion, die der Westen selbst umgeht, wird in Moskau wie ein Triumph gefeiert. Schon zuletzt zwang Putin viele Abnehmer in der EU zu Rubelzahlungen für russisches Gas.

Und auch die Gasturbine soll trotz der Sanktionen nach Russland zurückkehren. Das könne Deutschland nun zwar Hoffnung geben, schreibt die Moskauer Zeitung «Kommersant». «Aber es ist keine Garantie, dass die Lieferungen dann wieder ansteigen.»

Von Ulf Mauder, dpa

 

 

Füllstand deutscher Gasspeicher verändert sich kaum noch

Bonn (dpa) – Der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland verändert sich nach dem Stopp der russischen Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 kaum noch. «Derzeit wird annähernd gleich viel Gas ein- und ausgespeichert», berichtete die Bundesnetzagentur am Freitag in ihrem Lagebericht. Nach Informationen von Europas Gasinfrastruktur-Betreiber (GIE) stieg der Füllstand der deutschen Speicher am Donnerstag um 0,01 Prozent. Am Vortag war er noch um 0,06 Prozent gesunken.

Der Energiekonzern Uniper teilte mit, dass er wegen der fehlenden Lieferungen aus Russland Anfang der Woche begonnen habe, wieder Gas aus Speichern zu entnehmen. Die Netzagentur hatte am Donnerstag gewarnt, die Entnahme von Gas erschwere es, die für den Winter notwendigen Speicherfüllstände zu erreichen und verringerten die Reserven für eine Mangellage.

Um einen Mangel im Winter zu vermeiden will Deutschland die Speicher so schnell wie möglich füllen. Laut Gesetz sollen sie bis zum 1. Oktober zu 80 Prozent und bis zum 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein. Zurzeit ist Deutschland davon weit entfernt: Die Speicher sind zu 64,5 Prozent gefüllt.

Dass die Speicher unter dem Strich nicht mehr befüllt werden, liegt zum großen Teil am Stopp der russischen Lieferungen durch Nord Stream 1. Durch die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland wird seit Montag wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr geliefert. Nach Angaben der Betreibergesellschaft sollen die Arbeiten bis zum 21. Juli dauern. In Deutschland gibt es die Sorge, dass die Pipeline nach den Wartungsarbeiten nicht wieder in Betrieb genommen wird und im Winter das Gas knapp wird.

Weiterlesen

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen