Grüner NRW-Minister über Lützerath: «Eine schwierige Zeit»

Düsseldorf (dpa) – Nordrhein-Westfalens Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) hat sein Bedauern über die Räumung von Lützerath geäußert. «Das ist eine schwierige Zeit, der Umweltminister schläft schlecht, weil mir das weh tut», sagte Krischer am Donnerstagmorgen in «WDR 5». Er verstehe, dass insbesondere junge Menschen mit dem Klimaschutz-Tempo unzufrieden seien und mehr Anstrengungen forderten. Zugleich verteidigte der Grüne aber die Vereinbarung der Bundesregierung und der NRW-Landesregierung mit dem Energiekonzern RWE, die einen Abbau der unter Lützerath befindlichen Kohle ermöglicht und im Gegenzug einen um acht Jahre auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg in NRW festschreibt. Das sei eine gute Vereinbarung, die «das letzte Kapitel beim Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen schreibt», so Krischer.

Erste Gebäude in Lützerath werden abgerissen

Erkelenz (dpa) – In Lützerath haben Arbeiter damit begonnen, eine ehemalige landwirtschaftliche Halle abzureißen. Zwei Bagger seien im Einsatz, berichtete ein dpa-Reporter. In kurzer Zeit sei eine Außenwand entfernt worden.

Der Energiekonzern RWE hatte am Morgen einen «geordneten Rückbau» in den von der Polizei freigegebenen Bereichen in Lützerath angekündigt.

Massive Gebäude werden aber wohl noch nicht so schnell von Abrissarbeiten betroffen sein, weil dort noch Menschen sind. Bereits am Mittwoch war ein erstes Baumhaus abgebaut und Bäume gefällt worden. Diese Arbeiten gingen am zweiten Tag der Räumung weiter. Weiterlesen

Sturm macht Lützerath-Aktivisten zu schaffen

Erkelenz (dpa) – Das stürmische und regnerische Wetter macht den Aktivisten im besetzten Braunkohleort Lützerath zunehmend zu schaffen. «Wir hoffen, dass der Sturm nicht noch stärker wird», sagt eine Sprecherin der Initiative «Lützerath lebt» am Morgen. Die Situation sei etwa für die Menschen in den Baumhäusern gefährlich. «Im Normalfall kommen sie bei Sturm runter», sagte die Sprecherin.

Die Polizei hatte am Donnerstagmorgen die Räumung von Lützerath fortgesetzt. In den Baumhäusern und in besetzten Gebäuden harren weiterhin Klimaaktivistinnen und -Aktivisten aus. Wie viele es sind, ist unklar. Die Sprecherin machte dazu keine Angaben. Vor Ort herrschte am Morgen Dauerregen und es gab starken Wind. Weiterlesen

Zu Klaviermusik rückt die Polizei nach Lützerath ein

Von Jonas-Erik Schmidt und Christoph Driessen, dpa

Erkelenz (dpa) – Um 8.40 Uhr geht alles ganz schnell. Polizisten mit Helmen und Schilden stürmen über den Wall, hinter dem sich die Klimaaktivisten von Lützerath aufgebaut haben. Es gibt einige Rangeleien, dann weichen die Frauen und Männer in den weißen Maleranzügen zurück. Minuten später ziehen lange Polizeikolonnen in den Ort ein, den die Aktivisten viele Wochen lang verteidigen wollten.

Das Einzige, was man zeitweise hört, ist die Musik eines alten Klaviers, an dem ein vermummter junger Mann spielt. Ab und zu gibt es einen Knall, dann ist irgendwo Pyrotechnik gezündet worden. Die Polizei sagt, dass die Aktivisten Molotowcocktails werfen. Im Großen und Ganzen aber bleibt es – gemessen an den vorher mitunter geäußerten Erwartungen – zunächst friedlich. Schon nach kurzer Zeit steht die Polizei überall im Dorf, das allerdings auch sehr überschaubar ist. Mittendrin flattert am Mittag noch stumm ein Banner: «Überall Polizei, nirgendwo Gerechtigkeit.»

Drei Häuser – oder mehr?

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) behauptet sogar, dass es sich gar nicht um ein Dorf handle. «Das sind drei Häuser» hat er noch am Vortag erklärt, auch wenn es natürlich ein paar mehr sind. Was er auch sagte: «Die Klima-Befürworter, also die Menschen, die da unterwegs sind, haben einen Riesenerfolg erreicht in den letzten Jahren.» Damit meint er den Kohleausstieg bis 2030. «Und jetzt geht es um ein klitzekleines Teil. Man kann sagen: Ein Kompromiss soll jetzt umgesetzt werden.»

Das sehen die Aktivisten natürlich anders. «Hier sind 280 Millionen Tonnen Kohle im Boden», sagt Aktivistin Lakshmi. Wenn die vom Energiekonzern RWE abgebaggert würden, könne Deutschland seine Klimaziele nicht mehr erreichen.

Viele Aktivisten lassen sich widerstandslos wegführen. «Du bist nicht allein», skandieren dann die Zurückbleibenden. Andere rufen aus ihren Baumhäusern: «Verpisst euch! Keinen Schritt weiter!» Das klingt ein bisschen wie die Drohungen des armen Monty-Python-Ritters, dem schon Arme und Beine abgesäbelt worden sind.

Entspannte Atmosphäre

Schon im Laufe des Vormittags entspannt sich die Atmosphäre spürbar. Polizisten plaudern miteinander – auch mit den Aktivisten. Als einer fast durch ein altes Scheunendach bricht, erkundigt sich ein Beamter besorgt: «Geht’s dir gut?»

Begonnen hatte es für alle Beteiligten gleichwohl weniger entspannt und angenehm. Am Morgen ist es stockdunkel und es regnet in Strömen, als die Polizei gegen das zu Erkelenz gehörende Protestdorf vorrückt. Die Atmosphäre ist bedrohlich, weil niemand wirklich weiß, was gleich passieren wird. Scheinwerfer leuchten auf, Polizeiwagen und Bagger fahren auf. Es ist der Moment, auf den sich die Aktivisten viele Monate vorbereitet haben. Der Tag X.

Alles hier wirkt unwirklich. Da ist der Tagebau, in der Nacht ein riesiges schwarzes Loch mit beleuchteten Riesen-Baggern, die Unkundige für abstrakte Stahl-Weihnachtsbäume halten könnten. Am Horizont flackern rote Punkte auf, Windräder. Dazu schlagen Aktivisten monoton auf Trommeln – auch um irgendwie in Bewegung zu kommen. «Wir sind hier nicht zum Spaß», sagte einer von ihnen. «Das ist aber kein Verbot, sich die Zeit hier erträglich zu machen.»

Gespenstischer Anblick

An der Tagebaukante reihen sich ein- und zweibeinige Holzgestelle auf, auf denen sich Menschen festgebunden haben – im fahlen Licht einiger Lampen ein gespenstischer Anblick. Die Aktivisten wollen die Räumung damit so schwer wie möglich machen. «Es wär vielleicht geil, noch was zu essen hier hoch zu kriegen», ruft einer von ihnen. «Da müssten noch ein paar vegane Würstchen bei mir im Zelt sein.»

Es wird dann ernst – aber auch nicht immer bierernst. «Was macht ihr hier?», fragt ein Reporter eine Gruppe von Aktivisten, die sich unter einem sogenannten Monopod im Regen zusammengekauert haben. «Ist das eine besondere Technik?» «Ja», erhält er zur Antwort. «Das ist die Schildkrötenformation.»

Auch die Journalisten sind in Kompaniestärke angerückt, und dies nicht nur aus Deutschland. «Het is koud, het is nat», schildert ein Live-Reporter des niederländischen Fernsehens – es ist kalt, es ist nass. Niemand würde widersprechen.

Als der Morgen dämmert, schrillt ein Alarm durchs Dorf. «Wir glauben, dass es gleich losgeht, weil hier viele Polizeiwagen langgefahren sind», sagt eine Aktivistensprecherin. Die Lützerath-Bewohner haben auch noch eine andere Methode, sich gegenseitig zu alarmieren: Einer gibt eine Nachricht vor, und die Umstehenden wiederholen sie im Chor – da ist gar kein Lautsprecher nötig.

In Wärmedecken gehüllt

Die Polizisten sind mittlerweile bis an den Erdwall kurz vor dem Ortseingang herangerückt und schauen den Aktivisten direkt in die Augen. Gegen die Kälte haben sich die Lützerath-Verteidiger teils in goldfarbene Warmhaltedecken eingewickelt, was sie in Kombination mit ihren weißen Ganzkörperanzügen und Gesichtsmasken wie Alien-Darsteller aussehen lässt. Ein Aktivist appelliert an sein Gegenüber: «Dieser Einsatz kann ja wohl nicht der Grund sein, dass Sie Polizist geworden sind!»

Geradezu feierlich wird es, als die christliche Fraktion unter den Aktivisten inmitten von stimmungsvoll flackernden Kerzen ein Kirchenlied anstimmt: «Von guten Mächten wunderbar geborgen…»

Die schmiedeeisernen Gitter in ihrem Rücken sind Reste einer alten Kapelle und erinnern daran, dass Lützerath seit dem frühen Mittelalter besiedelt ist. Das sind fast 1000 Jahre Geschichte. Doch seit diesem Mittwoch werden die wenigsten noch daran zweifeln, dass seine Tage gezählt sind.

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Polizisten rücken nach Lützerath vor – Erste Rangeleien

Erkelenz (dpa) – Die Polizei hat am Mittwochmorgen damit begonnen, den von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath zu räumen. Es kam zu ersten Rangeleien, wie dpa-Reporter berichteten. «Die Räumung von #Lützerath hat begonnen. Der Bereich wird umzäunt. Personen im abgesperrten Bereich haben aktuell die Möglichkeit, den Ort ohne weitere polizeiliche Maßnahmen zu verlassen», schrieben die Einsatzkräfte bei Twitter.

Zuvor waren bereits Sirenen und Alarmglocken in dem besetzten Ort zu hören gewesen. Einige Aktivisten kletterten auf hohe Monopods und Tripods – das sind zusammengebundene Stämme mit Plattformen. Sie wurden in den vergangenen Tagen errichtet, um es der Polizei möglichst schwer zu machen, an die Aktivisten heranzukommen.

«Sie können den Bereich hier jetzt verlassen, ohne dass es weitere Konsequenzen für Sie hat», hieß es in einer Lautsprecher-Durchsage der Polizei. Weiterlesen

Faktencheck: Wird die Braunkohle unter Lützerath benötigt?

Lützerath (dpa) – Seit Wochen steht der Ort Lützerath im Rheinland unter großer Beobachtung, der Energiekonzern RWE will die darunter liegende Braunkohle abbauen. Ob diese tatsächlich dringend benötigt wird, ist schwierig zu sagen.

Behauptung: Die Braunkohle unter Lützerath ist notwendig, um die Versorgungssicherheit mit Energie zu gewährleisten.

Bewertung: Dazu gibt es widersprüchliche Untersuchungen.

Fakten: Die in Lützerath protestierenden Klimaaktivisten verweisen auf eine wissenschaftliche Untersuchung: Die Kurzstudie von August 2022 beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern eine mögliche Gasknappheit Auswirkungen auf den maximal anzunehmenden Kohlebedarf hat und welche voraussichtliche Fördermenge dem gegenübersteht. Verfasst haben sie Forscherinnen und Forscher der Europa-Universität Flensburg, der Technischen Universität Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Weiterlesen

Klimaschützer kippen Braunkohle vor Grünen-Parteizentrale

Düsseldorf (dpa) – Aus Protest gegen die Haltung der Grünen zur Räumung des Dorfes Lützerath hat ein Düsseldorfer Bündnis 250 Kilo Braunkohle-Briketts vor der nordrhein-westfälischen Parteizentrale abgeladen. «Wir wollten den Grünen den Spiegel vorhalten, dass sie nicht mehr die Partei der Klimaschützer sind, sondern die Kohle-Partei», sagte ein Sprecher des Bündnisses am Dienstag. Es setzt sich zusammen aus diversen Düsseldorfer Organisationen, neben Klimaschützern auch soziale Initiativen.

Der Protest sei friedlich verlaufen, berichteten beide Seiten auf Anfrage. Der Zugang zur Parteizentrale sei ebenso wie Fußgängerweg und Straße passierbar geblieben. Die Grünen sprachen von 60 Demonstrierenden, die Initiatoren von bis zu 100. Ein Gesprächsangebot des Landesparteivorsitzenden Tim Achtermeyer sei nicht angenommen worden, die Grünen seien aber weiter dazu bereit, sagte ein Sprecher. Weiterlesen

Lützerath: Klima-Clash an der Abbruchkante

Von Christoph Driessen, dpa

Erkelenz (dpa) – Im Rheinland steht die gewaltsame Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Dorfes Lützerath bevor. Die Stimmung ist aufgeheizt.

Was ist Lützerath?

Lützerath ist eine aus wenigen Gebäuden bestehende Siedlung, die zur Stadt Erkelenz im Rheinland gehört. An der einen Seite tut sich die unwirkliche Kraterlandschaft des Braunkohletagebaus Garzweiler auf, eine Szenerie wie von einem anderen Planeten. Die ursprünglichen Bewohner des Ortes sind alle weggezogen, doch die Gebäude werden seit längerem von Klimaaktivisten bewohnt. Ein Teil von ihnen lebt auch in Baumhäusern, Wohnwagen und Zelten. Obwohl die Gebäude heruntergekommen sind, spürt man bei einem Rundgang, dass dies eine jahrhundertealte Kulturlandschaft ist.

Wem gehört Lützerath?

Alle Gebäude und Grundstücke gehören dem Energiekonzern RWE. Und alle Klagen gegen einen Abriss sind von Gerichten abgewiesen worden. Der zuständige Kreis Heinsberg hat den Aufenthalt in Lützerath untersagt. Auf dieser Basis kann nun die Räumung durch die Polizei erfolgen. Mehr als 1000 Beamte sollen dafür täglich eingesetzt werden.

Warum will RWE Lützerath abreißen?

Unter dem Dorf befinden sich besonders große Braunkohlevorkommen, die RWE abbaggern will. Dies sei nötig, um die Energieversorgung sicherzustellen, sagt der Konzern. Er hat dabei die Rückendeckung der nordrhein-westfälischen Landesregierung aus CDU und Grünen. In der aktuellen Krisensituation sei jedem klar, dass die Kohle unter Lützerath gebraucht werde, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in einem Interview des «Kölner Stadt-Anzeigers». «Niemand hat die Entscheidung leichten Herzens getroffen, diese Kohle in Anspruch zu nehmen.»

Was sagen die Klimaaktivisten?

Sie bestreiten, dass die unter «Lützi» gelegene Kohle wirklich gebraucht wird, und verweisen dabei unter anderem auf eine Studie von Wissenschaftlern mehrerer Universitäten, die sich als <<CoalExit Research-Group>> zusammengeschlossen haben. Demnach reicht die Kohle im aktuellen Abbaubereich allemal aus, auch unter den Bedingungen der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise. Dieser Lesart zufolge hat es RWE vor allem deshalb auf Lützerath abgesehen, weil sich die Kohle dort leichter und damit profitabler gewinnen lässt. Der Konzern bestreitet das.

Wie gewaltsam wird die Räumung?

Nach Angaben des zuständigen Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach handelt es sich bei den Aktivisten in Lützerath um eine «gemischte Szene», die überwiegend «bürgerlich und friedlich orientiert» sei. Ein kleiner Teil sei aber zu Gewaltstraftaten bereit. Mehrfach flogen bereits Steine, Böller und Flaschen gegen die Polizei. Die Atmosphäre vor Ort ist aufgeheizt, der Ton gegenüber der Polizei teils aggressiv.

Was hat Lützerath mit dem Hambacher Forst zu tun?

Der Hambacher Forst ist ebenso wie das nicht weit entfernte Lützerath ein Symbol der Klimabewegung. Auch er sollte 2018 zerstört werden, damit RWE die darunter liegende Kohle abbaggern konnte. Dagegen entwickelte sich aber massiver Widerstand, denn anders als der Begriff «Forst» vermuten lässt, geht es hier um einen uralten Wald mit bis zu 350 Jahre alten Bäumen und seltenen Tierarten. 2018 ordnete die nordrhein-westfälische Landesregierung die Räumung des Waldes an. 86 Baumhäuser wurden abmontiert, was mit unzureichendem Brandschutz begründet wurde. Das Verwaltungsgericht Köln stufte dies später als Vorwand ein und die Räumung als widerrechtlich. Das Oberverwaltungsgericht Münster erließ noch 2018 einen vorläufigen Rodungsstopp. Als Teil des Kohlekompromisses wurde die Erhaltung des Waldes beschlossen. Die Aktivisten haben ihr Ziel «Hambi bleibt» also erreicht.

Welche politischen Folgen könnte die Räumung von Lützerath haben?

Die Räumung kann insbesondere für die sowohl in Berlin als auch in Düsseldorf mitregierenden Grünen zur Belastung werden. Bilder von Polizisten, die scheinbar im Interesse eines Kohlekonzerns gegen Klimaschützer vorgehen, dürften kaum den politischen Vorstellungen der grünen Wählerschaft entsprechen. Klimaaktivistin Luisa Neubauer wirft den Grünen – bei denen sie selbst Mitglied ist – eine «kalkulierte Unterwanderung der Pariser Klimaziele» vor. Das rührt an den Kernwerten der Partei. Auch Experten wie der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf halten die Räumung für einen historischen Fehler.

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Polizei informiert Bürger vor Räumungseinsatz in Lützerath

Erkelenz (dpa) – Die Polizei Aachen und der Kreis Heinsberg wollen am Dienstag über die geplante Räumung des Örtchens Lützerath und den Polizeieinsatz am Braunkohletagebau Garzweiler im Westen von Nordrhein-Westfalen informieren.

Der inzwischen von Klimaaktivisten besetzte Weiler auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz soll abgerissen werden, um die darunter liegende Braunkohle zu gewinnen. Die Aktivisten wollen das verhindern. Die kleine Ortschaft, die direkt an das große, graue Loch grenzt, ist deshalb zu einiger Berühmtheit gekommen.

Aufruf zu friedlichem Protest

Die Informationsveranstaltung ist ein Gesprächsangebot an die Bürger der 43.000-Einwohner-Stadt Erkelenz, aber auch an dort agierende Initiativen und Aktivisten. Teilnehmen werden Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach und Landrat Stephan Pusch (CDU). Beide haben zu friedlichen Protesten am Tagebau aufgerufen. Die Aachener Polizei hat die Einsatzleitung für die Räumung. Weiterlesen

Lützerath-Räumung: Polizei blickt «sorgenvoll» auf die Tage

Aachen/Erkelenz (dpa) – Die Aachener Polizei schaut «sorgenvoll» auf die kommenden Tage und Wochen, in denen die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Dorfes Lützerath beginnen könnte. «Das wird ein herausfordernder Einsatz mit vielen Risiken», sagte Polizeipräsident Dirk Weinspach am Montagmorgen im WDR.

In der vergangenen Woche sei es bei den Lützerath-Protesten überwiegend friedlich geblieben – am Sonntag aber sei es «das erste Mal wieder eskaliert». Unter anderem seien Steine geflogen. «Das ist erstmal kein gutes Zeichen», sagte Weinspach. «Ich hoffe, dass das sich nicht wiederholen wird in der nächsten Woche.» Weiterlesen

Von «Hambi» zu «Lützi»: Konflikt um Symbol der Klimabewegung

Von Christoph Driessen, dpa

Erkelenz (dpa) – Die Bilder gleichen sich. Im Hambacher Forst befehdeten sich 2018 wochenlang maskierte Aktivisten und Polizisten mit Schutzhelmen. Menschliche Gesichter sah man kaum noch. In dieser Woche waren vor dem Dorf Lützerath ähnliche Szenen zu beobachten: Es gab Handgemenge mit der Polizei, Aktivisten warfen Flaschen und Böller. Im Hintergrund ragten wieder die gewaltigen Bagger auf, die wie Roboter-Dinos aus einem Star-Wars-Film aussehen. Ein Déjà-vu-Erlebnis nach gut vier Jahren.

Der Hambacher Forst war 2018 zur Rodung vorgesehen, um dem Energiekonzern RWE die Möglichkeit zum Abbau der darunter gelegenen Braunkohle zu geben. Die drohende Zerstörung des uralten Waldes mit 30 Meter hohen Baumriesen mobilisierte massiven Widerstand. Es kostete die Polizei viele Wochen und Millionen Euro, um 86 Baumhäuser abzumontieren und die darunter liegenden Lager aufzulösen.

Ein junger Journalist kam zu Tode, als er durch die Bretter einer Hängebrücke zwischen zwei Baumhäusern brach und 15 Meter in die Tiefe stürzte. Als die Räumung fast geschafft war, wurde die Rodung per Gerichtsbeschluss vorläufig verboten. Der Wald steht noch heute. «Hambi bleibt» war die Parole der Aktivisten – sie haben sich durchgesetzt.

Schätzungsweise 130 Aktivisten eingezogen

Nun scheint das ganze Spiel in einigen Kilometern Entfernung wieder von vorn loszugehen. Abermals geht es darum, an Kohle zu kommen, nur steht oben drüber diesmal kein Wald, sondern ein verlassener Weiler – Dorf ist eigentlich schon zuviel gesagt, es geht nur noch um wenige ehemalige Gehöfte und Häuser. Grundstücke und Gebäude gehören dem Energiekonzern RWE, die ursprünglichen Bewohner sind alle weg. Dafür sind schätzungsweise 130 Aktivisten eingezogen. Sie nennen den Ort «Lützi».

RWE und die NRW-Landesregierung sagen, dass die hier liegende Kohle unbedingt gebraucht werde, um die Energieversorgung sicherzustellen. Aktivistinnen wie Luisa Neubauer bestreiten das: «Für Energiesicherheit in der Krise braucht es die Kohle unter Lützerath nicht», schrieb sie auf Twitter. «Das zeigen unabhängige Gutachten.» Die anders lautenden Zahlen von RWE seien «nachweislich falsch».

Ein gravierender Unterschied zum Konflikt um den Hambacher Forst ist, dass jetzt die Grünen in der Landesregierung sind. 2018 hatten sie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) noch kritisiert und einen kleinen Parteitag am Waldrand abgehalten, jetzt sitzen sie mit im Boot. «Die Räumung ist ein schmerzlicher, aber leider notwendiger Schritt», sagte die grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur zuletzt der Deutschen Presse-Agentur. Sie verteidigt den Abriss von Lützerath mit dem Argument, dass dafür der Kohleausstieg um acht Jahre von 2038 auf 2030 vorgezogen worden sei und fünf andere Dörfer im Rheinischen Braunkohlerevier vor der Zerstörung bewahrt würden. Die Aktivisten halten dem entgegen, dass bis 2030 nun so viel Kohle verfeuert werde, dass der frühere Ausstieg gar nichts bringe.

«Polizei führt nur aus – die Entscheidungen treffen andere»

Ausbaden muss den Konflikt wie schon 2018 die Polizei. «Ich wünschte, die Räumung von Lützerath hätte sich vermeiden lassen», schrieb der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach in einem Brief an die Aktivisten. Auch er teile die Sorge vor einer weiteren Erderwärmung und vor dem, was geschehen werde, wenn das völkerrechtlich vereinbarte 1,5-Grad-Ziel nicht eingehalten werde. Aber die Polizei führe nur aus – die Entscheidungen träfen andere.

Antje Grothus ist seit fast 20 Jahren Anti-Kohle-Aktivistin im Rheinischen Tagebau und seit vergangenem Mai grüne Landtagsabgeordnete. Sie sieht durchaus eine überzeugendere rechtliche Grundlage für den Abriss von Lützerath als für die Räumung des Hambacher Forstes, die von der Landesregierung mit mangelndem Brandschutz der Baumhäuser begründet worden war.

Für Räumung werden mehr als 1000 Polizisten im Einsatz sein

Das Verwaltungsgericht Köln stufte dies als vorgeschoben und damit rechtswidrig ein. Demgegenüber habe der letzte Bauer aus Lützerath seine Klage leider verloren, sagt Grothus der dpa. Dennoch ist sie gegen die Räumung. «Ich glaube, dass die Kohlevorkommen außerhalb von Lützerath für die nächsten Jahre reichen würden», sagte sie.

Grothus plädiert für ein Innehalten. «Ich werbe immer dafür, dass man sich als Menschen begegnet. Bei einer Räumung ist das aber eben gerade nicht so. Da treffen Feindbilder aufeinander – auf der einen Seite die Aktivisten, auf der anderen Seite die Polizisten.»

Die Räumung mit mehr als 1000 Polizisten ist für Mitte des Monats angekündigt. Am kommenden Dienstag (10. Januar) kommt der Heinsberger Landrat Stephan Pusch noch einmal nach Erkelenz, in die Stadt, zu der Lützerath gehört. Tags darauf könnte es theoretisch losgehen, aber ein genauer Termin wurde bisher nicht bekannt gegeben.

Im Vergleich zu den 2018 aus ganz Europa angereisten Verteidigern von «Hambi» gelten die Bewohner von «Lützi» als weniger militant. Sie werden überwiegend dem bürgerlichen Spektrum zugerechnet.

Ein typischer Vertreter ist vielleicht Marten Reiß, der im November bei Thomas Gottschalk vor mehr als zehn Millionen Zuschauern Wettkönig wurde und seinen Gewinn für Lützerath zur Verfügung stellte. In «Stern TV» antwortete er auf die Frage, ob er sich der Polizei auch mit körperlicher Gewalt entgegenstellen würde: «Was heißt Gewalt? Ist eine Sitzblockade Gewalt? Das würde dann die Situation zeigen. Es wäre auf jeden Fall etwas, womit ich mich wohlfühlen müsste.»

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