Deutschland und Brasilien: Impulse für Mercosur-Abkommen

Berlin/Brasília (dpa) – Sowohl die deutsche als auch die brasilianische Regierung wollen Schwung in die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur bringen.

Man arbeite eng abgestimmt mit der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten daran, um zügig Lösungen zu finden, sagte Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner im Bundestag. Brantner fliegt am Wochenende mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach Argentinien, Chile und Brasilien.

Auch der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva dringt auf eine Einigung. «Das Abkommen mit der EU ist dringend notwendig», sagte Lula am Mittwoch (Ortszeit) in Uruguays Hauptstadt Montevideo. Er erinnerte daran, dass in seinen ersten beiden Amtszeiten (2003 bis 2010) bereits über ein solches Abkommen gesprochen worden war. In Montevideo sprach sich Lula auch für gemeinsame Verhandlungen des Mercosur mit China aus. Weiterlesen

Bericht: Großbritannien verfehlt Exportziele wegen Brexits

London (dpa) – Wegen des Brexits wird Großbritannien einem Zeitungsbericht zufolge seine Exportziele deutlich verfehlen. Der Wert von Ausfuhren aus dem Vereinigten Königreich werde frühestens 2035 eine Billion Pfund (1,14 Bio Euro) betragen, berichtete der >>Guardian>> unter Berufung auf Aussagen des zuständigen Staatssekretärs Andrew Bowie. Ex-Premierminister Boris Johnson hatte 2021 angekündigt, dieses Ziel werde 2030 erreicht. Ursprünglich hatte 2012 der damalige Regierungschef David Cameron sogar 2020 als Datum versprochen – das war aber lange vor dem Brexit-Referendum 2016. Weiterlesen

Wie Ankara von den Russland-Sanktionen profitiert

Von Anne Pollmann und Ulf Mauder, dpa

Istanbul (dpa) – In einem Luxus-Einkaufszentrum in der westtürkischen Hafenstadt Bodrum werben Schilder mit russischer Aufschrift um Kunden. Dass in dortigen Häfen auch die Jachten russischer, vom Westen mit Sanktionen belegter Oligarchen andocken, ist kein Geheimnis. Das Nato-Land Türkei hat seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beiden Partnern die Treue versprochen und sich nicht an Sanktionen gegen Russland beteiligt.

Für die Türkei zahlt sich das aus. Importe aus und Exporte nach Russland haben sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Russland wird 2022 der größte Handelspartner der Türkei und löst damit Deutschland ab, heißt es von der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer (AHK Türkei) in Istanbul. Auch deutsche Unternehmer in Moskau müssen zuschauen, wie nach dem Abzug westlicher Firmen unter anderem türkische und chinesische Unternehmen die Lücken füllen. Die Türkei hat Deutschland beim Verkauf von Maschinen und Ausrüstung an Russland überholt, wie das Moskauer Wirtschaftsportal rbc.ru unlängst meldete.

Galoppierende Inflation im Wahljahr

Die Türkei hat die Situation in vielerlei Hinsicht zu ihrem Vorteil gewendet. «Seit Beginn des Krieges kann die Türkei billiger Energieträger importieren», sagt Erdal Yalcin, Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an die Hochschule Konstanz und Forschungsmitglied am IfW Kiel zum Thema Internationaler Handel. Öl und Gas kamen schon vor dem russischen Angriffskrieg maßgeblich aus Russland. Nun haben sich die Ölimporte 2022 in etwa verdreifacht, wie aus Daten des Statistikamtes hervorgeht. Vor dem Hintergrund einer Währungskrise und galoppierender Inflation dürfte das der Regierung in Ankara im Wahljahr 2023 gelegen kommen.

Aber auch in Russland ist die Türkei präsenter denn je: Russische Medien berichten, dass türkische Modegeschäfte – die Marke Koton zum Beispiel ersetzte Marks & Spencer – und Restaurants eröffnen.

Die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Türkei und Russland gebe «Anlass zu großer Sorge», hieß es in einem Schreiben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Ankara dürfe Russland keine Umgehungslösungen für Sanktionen anbieten. Eine etwas verquere Warnung, findet Yalcin: «Die Türkei importiert Rohöl aus Russland, bereitet es in seinen Raffinerien auf und verkauft es dann – als türkisches Produkt – nach Europa. Das ist eine Umgehung der Sanktionen in legaler Form.» Der EU als Abnehmerin könne man insofern genauso wie der Türkei einen Vorwurf machen, so Yalcin.

Türkei als wichtigstes Urlaubsland für Russen

Auch das Geschäft mit Halbleitern aus der EU ist ein Beispiel für eine Umgehung der Sanktionen in legaler Form. Die Ausfuhren der Chips von dort nach Russland seien seit zehn Monaten deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig steige der Export der Chips in die Türkei und von dort weiter nach Russland, sagt Yalcin. «Wenn die Abnehmerin eine 100-prozentige türkische Firma ist, ist es legal.» Die Firma müsse am Produkt nur marginale Änderungen vornehmen, ein Sticker reiche.

Für Russland ist die Türkei die Retterin in der Not: Wer nach Europa will, fliegt mit großer Wahrscheinlichkeit über die Türkei – oder bleibt gleich dort. Die Türkei ist wegen der Reisebeschränkungen in der EU das wichtigste Urlaubsland für Russen. Die Immobilienkäufe von Russen in der Türkei – die ab 500.000 Dollar gleich die türkische Staatsangehörigkeit beinhalten – sind enorm gestiegen. Von Januar bis November wurden 14.000 Immobilien an Russen verkauft. 2019 waren es 2900 Käufe.

Dass mehr Russen im Land sind, macht sich vielerorts bemerkbar. In den ersten elf Monaten 2022 wurden laut türkischer Handelskammer TOBB insgesamt 131 russische AGs und 1077 russische GmbHs in der Türkei gegründet. Zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es 17 AGs und 95 GmbHs. Die Türkei profitiere auch von russischem Kapital, das verstärkt in das Land fließe. Die türkische Leistungsbilanz weise auf hohe Kapitalzuflüsse hin, dessen Ursprung nicht vollends geklärt werden kann. «Also meist Geld, das im Koffer in ein Land gebracht wird», sagt Yalcin.

Aber auch für den Westen hat sich das türkische Dazwischen stellenweise als profitabel erwiesen: Die Türkei ist bemüht, zwischen Moskau und Kiew zu vermitteln. Nicht zuletzt gilt der gute Draht des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogans zu Kremlchef Wladimir Putin als gewichtiger Grund die Fortsetzung des für die Welternährung so wichtigen Getreidedeals. Erdogans Nähe zu Putin und die gemeinsamen Treffen mit ihm sind für den türkischen Staatschef dabei innenpolitisch kaum riskant – anders als für westliche Staatschefs.

Neue Kernkraftwerke für die Türkei

Bis Ende 2030 wollen Russland und die Türkei ihr Handelsvolumen auf 100 Milliarden Dollar erhöhen. Russland will außerdem den größten europäischen Gasknotenpunkt in der Türkei errichten, ein Handelsplatz für Energie der Energiegroßmacht – und gleichzeitig ein langgehegter Traum Erdogans. Unter russischer Ägide entsteht zudem derzeit ein erstes, 20 Milliarden US-Dollar teures Kernkraftwerk in der Türkei, zwei weitere sind in Planung.

Verliert der Westen also gerade die Türkei als engen Handelspartner? «Kurzfristig hat die Orientierung gen Russland für die Türkei Vorzüge. Langfristig ist es aber nicht nachhaltig», meint Yalcin. Es sei der Handel mit Europa, der der Türkei langfristig die meisten Arbeitsplätze verspricht. Auch Thilo Pahl von der AHK Türkei sagt: «Deutschland ist und bleibt weiterhin der wichtigste Exportmarkt für türkische Unternehmen.»

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Lieferkettengesetz: Das kommt auf deutsche Unternehmen zu

Von Andreas Hoenig, David Hutzler und Robin Wille, dpa

Stuttgart/Berlin (dpa) – Renata Jungo Brüngger hatte zuletzt viel zu tun. Die Rechtsvorständin von Mercedes-Benz musste dafür sorgen, dass der Stuttgarter Autokonzern vorbereitet ist, wenn das Lieferkettengesetz in Deutschland zum 1. Januar in Kraft tritt. Denn dann tragen große Unternehmen per Gesetz Verantwortung dafür, dass Menschenrechte in ihren Lieferketten eingehalten werden.

Das Gesetz ist umstritten. Wirtschaftsvertreter beklagen den Aufwand, der damit einhergeht. Menschenrechts- und Umweltorganisationen geht das Gesetz hingegen nicht weit genug. Was steckt dahinter?

Das «Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz», wie es offiziell heißt, gilt zunächst für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind davon rund 900 Unternehmen betroffen. Für sie ergeben sich unterschiedliche Anforderungen, für den eigenen Geschäftsbereich sowie für unmittelbare und mittelbare Zulieferer.

Was ändert sich nach dem Lieferkettengesetz?

Die Unternehmen müssen laut BMZ eine Reihe von Maßnahmen umsetzen. So müssen sie unter anderem eine Risikoanalyse durchführen, ein Risikomanagement sowie einen Beschwerdemechanismus aufsetzen und öffentlich darüber berichten. Bei Verletzungen im eigenen Geschäftsbereich oder bei unmittelbaren Zulieferern müssen die Unternehmen laut Gesetz unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen ergreifen, «um diese Verletzung zu verhindern, zu beenden oder das Ausmaß der Verletzung zu minimieren».

«Für uns ändert sich nicht so viel, weil wir uns schon seit Jahren darauf vorbereitet haben», sagt Mercedes-Managerin Jungo Brüngger. Man könne die Kontrolle von Lieferketten nicht einfach auf Knopfdruck umsetzen. Der Konzern habe entsprechende Vertragsbedingungen, Beschaffungs-Standards und Audit-Rechte mit seinen unmittelbaren Lieferanten vereinbart.

Mercedes-Benz habe rund 40 000 Lieferanten allein im direkten Bereich. Hinzu komme ein Vielfaches davon im indirekten Bereich. «Wir können diese Lieferanten nicht jeden Tag kontrollieren. Das ist nicht machbar, auch nicht für solch ein großes Unternehmen.» Es müsse also ein risikobasierter Ansatz gewählt werden. Für die größten Risiken würden Maßnahmen definiert, die dann kontrolliert werden.

Etwa bei der Elektromobilität, die Batterien und Batteriezellen brauche. «Hier gibt es natürlich im Moment größere Risiken.» Kobalt komme zum Beispiel aus Ländern, die man mit Kinderarbeit in Verbindung bringe. «Das haben wir erkannt und schon 2018 die Lieferkette für Kobalt transparenter gemacht und bis zu den Minen kontrolliert», sagt Juno Brüngger.

Forderung nach EU-weitem Gesetz

«Das Gesetz ist in vielen Punkten sehr ambitioniert und es wird sicher eine große Herausforderung sein», sagt die Vorständin. Man könne aber auch sagen, dass das Gesetz in vielen Punkten mit Augenmaß verfasst wurde. Positiv sei, dass es eine Bemühenspflicht gebe. «Wenn wir als Unternehmen in einem konkreten Fall nachweisen können, dass wir alles in unserer Macht stehende getan haben, dann erfüllt das diese Anforderung», sagt Jungo Brüngger. «Kleine Unternehmen haben es bei der Umsetzung sicher schwerer.»

Ein im Vergleich zu Mercedes-Benz kleineres Unternehmen ist Stihl. Für den Hersteller von Kettensägen aus Waiblingen bei Stuttgart sind weltweit etwa 20.000 Menschen tätig. Das Familienunternehmen arbeite bereits seit einigen Jahren daran, dass Nachhaltigkeit im Lieferantenmanagement zu einem integralen Bestandteil wird, sagt Unternehmer Nikolas Stihl. Aber um die Vorschriften zu erfüllen, müsse erheblicher zusätzlicher Aufwand betrieben werden. Stihl sieht zudem die Gefahr von Wettbewerbsnachteilen durch das deutsche Gesetz, weshalb seiner Ansicht nach eine Ausweitung auf EU-Ebene oder sogar global einheitliche Anforderungen hilfreich wären.

Kritik kommt auch von Wirtschaftsverbänden. «Hier wird die Handlungsfähigkeit des industriellen Mittelstands aufs Spiel gesetzt», teilte Karl Haeusgen, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, mit. Er kritisierte, dass Firmen Berichte für alle einsehbar machen müssten – auch für Wettbewerber. «Das wird zum Rückzug unserer Unternehmen aus ganzen Ländern führen und damit ist den Menschen vor Ort geschadet, nicht geholfen», so Haeusgen.

Kritik an zu viel Bürokratie

Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, kritisierte den Fragenkatalog zur Berichterstattung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Das Bafa soll die Einhaltung des Gesetzes überprüfen. Der Fragenkatalog sei «ein rein theoretisches Konstrukt und praxisfern». Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, kritisierte den Fragebogen. Das Bafa plage die Betriebe in der schwersten Krise seit Jahrzehnten mit 437 Datenfeldern. Das sei «ein Unding». Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, forderte: Das Bafa müsse jetzt die Verfahren und den Fragebogen zur Berichtspflicht stark vereinfachen.

Die Zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, bezeichnete das Gesetz als einen guten Start ins neue Jahr. «Umso weniger ist die Verweigerungshaltung der Arbeitgeberseite nachzuvollziehen, die bis auf die letzten Meter versucht hat, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern», sagte Benner.

«Die Industrielobby hat das Gesetz extrem ausgehöhlt. Das ist zu einem zahnloser Papiertiger geworden», sagt hingegen Viola Wohlgemuth von der Umweltorganisation Greenpeace. Sie kritisiert vor allem, «dass es keine eigenständigen umweltbezogenen Sorgfaltspflichten gibt». Man könne nur dann eingreifen, wenn Menschen durch die Umweltzerstörung von Firmen gesundheitliche Schäden erleiden. «Und das ist quasi unmöglich vor Gerichten nachzuweisen, gerade für die Betroffenen in den Produktionsländern», sagt Wohlgemuth.

Beate Streicher von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert, dass das Gesetz nur sehr große Unternehmen erfasse. Zudem fehle eine Regelung der zivilrechtlichen Haftung. Das Gesetz sei ein Anfang, es reiche aber definitiv nicht aus. Die Schwächen müssten jetzt auf europäischer Ebene adressiert werden. Im Koalitionsvertrag stehe, dass sich die Bundesregierung für ein wirksames europäisches Lieferkettengesetz einsetzt. «An diesem Anspruch muss sie sich messen lassen», sagt Streicher.

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Rohstoffkosten schon vor Krieg rasant gestiegen

Hannover/Berlin (dpa) – Deutschlands Abhängigkeit von Rohstoffimporten mit stark schwankenden und teils drastisch erhöhten Preisen hat bereits vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine tendenziell weiter zugenommen. Dies geht aus Daten für das Jahr 2021 hervor, die die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover jetzt veröffentlichte. Experten der Fachbehörde wiesen auf die Verwundbarkeit der Wirtschaft hin und sprachen sich dafür aus, das Recycling metallischer Ressourcen auszubauen.

Nach BGR-Angaben wuchs die Menge der insgesamt in die Bundesrepublik eingeführten Rohstoffe 2021 im Vergleich zum Vorjahr um rund 3 Prozent auf knapp 400 Millionen Tonnen. Die damit verbundenen Kosten schnellten jedoch gleichzeitig um über die Hälfte auf gut 211 Milliarden Euro empor und erreichten damit ein Allzeit-Hoch.

Haupttreiber waren demnach deutlich gestiegene Rohstoffpreise, ehe Russland dann Ende Februar dieses Jahres die Ukraine angriff. Die Nachfrage nach wichtigen Ressourcen hatte seit dem Abflauen der Corona-Krise wieder angezogen. «So verteuerten sich Industriemetalle, Edelmetalle sowie Kobalt und Lithium, die für die Elektromobilität von Bedeutung sind, erheblich», erklärt die BGR in ihrem aktuellen «Rohstoffsituationsbericht». Die Behörde analysiert im Auftrag des Wirtschaftsministeriums die Lage auf den globalen Rohstoffmärkten. Weiterlesen

Wie die Regierung den Sprit für den Osten sichern will

Von Monika Wendel, Martina Herzog und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Schwedt/Oder (dpa) – Monatelang plagten viele Ostdeutsche große Sorgen, dass das EU-Ölembargo gegen Russland für sie nach hinten losgeht. Noch höhere Spritpreise, Firmenpleiten, Jobverluste – all das schien möglich. Denn die Versorgung von Berlin, Brandenburg und weiterer Regionen mit Treibstoff hängt an der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Die wiederum ist bisher von russischem Öl aus der Pipeline «Druschba» abhängig, auf das die Bundesregierung ab dem 1. Januar verzichten will.

Zwei Wochen vor dem Stichtag scheint Ersatz gefunden: Über drei Wege soll so viel nicht-russisches Öl nach Schwedt kommen, dass die Raffinerie weitgehend ausgelastet und die Versorgung gesichert ist – so verkündete es jetzt Staatssekretär Michael Kellner aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Einige Fragen sind noch offen. Einige Antworten gibt es.

• Wie ist der Stand beim Ölembargo?

Das wegen des Ukraine-Kriegs in der EU vereinbarte Embargo ist bereits seit dem 5. Dezember in Kraft. Es gilt offiziell nur für russisches Öl, das per Tanker geliefert wird. Deutschland und Polen haben zusätzlich versprochen, auch auf Pipeline-Öl zu verzichten. Das soll ab Januar greifen. Am 5. Februar folgt ein dritter Schritt: ein EU-Importstopp für verarbeitete Erdölprodukte aus Russland, zum Beispiel Diesel oder Kerosin. Damit – und mit einem zusätzlich vereinbarten Ölpreis-Deckel – will die EU die russische Kriegskasse austrocknen.

• Was ist eigentlich das Problem für PCK?

Vor Beginn des Ukraine-Kriegs deckten Ölimporte aus Russland rund 35 Prozent des deutschen Bedarfs. Grob gesagt kam davon ein Drittel per Tanker. Zwei Drittel flossen über die «Druschba» nach Schwedt und die Raffinerie nach Leuna in Sachsen-Anhalt. In Leuna orientierte sich der französische Besitzer Total schnell um und erklärte von sich aus den Verzicht auf russisches Öl zum Jahresende. Doch in Schwedt zeigten die PCK-Mehrheitseigner – zwei Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft – lange kein Interesse an einer Abkehr vom russischen Öl.

Mitte September entzog die Bundesregierung deshalb den Rosneft-Töchtern per Treuhandverwaltung faktisch die Kontrolle über PCK. Zusätzlich gab die Regierung weitreichende Zusagen für das Werk an der Oder, darunter eine zweijährige Beschäftigungsgarantie für die 1200 Mitarbeiter und ein Investitionspaket für eine grünere Zukunft. Offen blieb, wie das «Druschba»-Öl genau ersetzt werden soll.

• Wie sieht die Lösung jetzt aus?

Bis zu 55 Prozent des Bedarfs sollen über Tanker nach Rostock und von dort über eine bestehende Pipeline nach Schwedt gebracht werden. Die Leitung ist im Moment zu klein, um noch mehr Rohöl zu transportieren. Sie gilt auch als reparaturanfällig. Deshalb sollen zusätzliche Mengen über den polnischen Hafen Danzig kommen, über den sich auch die Raffinerie in Leuna versorgt.

Damit kommt PCK nach Kellners Worten ab 1. Januar auf eine Auslastung von gut 70 Prozent. Das sei eine Zusage der polnischen Seite. Hinzu kämen Verträge mit Kasachstan: «Das Ziel ist es, die Auslastung von über 70 Prozent im Januar im Laufe des Jahres weiter zu steigern, wenn sich die neuen Bezugsquellen im kommenden Jahr eingespielt haben.» Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach machte es konkreter: Derzeit sei die Raffinerie zu 85 Prozent ausgelastet. «Ich bin optimistisch, dass auch die Verhandlungen mit Kasachstan gelingen werden, um diese letzte Lücke zu schließen.»

Offen ist, wie der Stand mit Kasachstan genau ist. Die Anteilseigner hätten «eigene Verträge mit Kasachstan verhandelt», sagte Kellner auf Fragen des Linken-Politikers Klaus Ernst, der die Sanktionspolitik ablehnt. Die Option Kasachstan hat auch eine Tücke: Das Öl flösse durch die «Druschba» teils über russisches Territorium nach Deutschland. Ob Moskau das auf Dauer zulässt? Eine Unsicherheit, sagt auch Kellner.

• Wird der Sprit an ostdeutschen Tankstellen knapp und teuer?

Die brandenburgische Landesregierung gab sich schon in den vergangenen Wochen zuversichtlich, dass sich zu Jahresbeginn nichts dramatisch ändert. Zur gefundenen Lösung sagte Wirtschaftsminister Steinbach jetzt: «Nach dem Wegfall des russischen Öls ab Januar ist dies ein ebenso wichtiger Baustein für die Sicherung der Rohölversorgung der PCK-Raffinerie wie für die Versorgungssicherheit mit Öl in der Region.»

Kellner sagt auch seit längerem, dass die Preise an den Tankstellen wohl nicht auf Dauer höher als in Westdeutschland würden. Jetzt versicherte er: «Die sichere Versorgung mit Benzin, Diesel und Heizöl ist und bleibt die oberste Prämisse der Bundesregierung in dieser Krise.»

Nur: Russisches Öl ist wegen des Kriegs derzeit deutlich billiger als andere Ölsorten, die nun viele haben wollen. Da könnte sich ein Preiseffekt ergeben, wenn Rohöl teurer eingekauft werden muss. Und mit dem Embargo für russischen Diesel und Co. ab Februar verknappt sich das Angebot dieser Produkte. Auch das könnte nach Einschätzung von Experten zumindest vorübergehend die Preise antreiben.

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Linke verweigern Ceta die Zustimmung

Berlin (dpa) – Vor der Abstimmung des Bundesrats über das Ceta-Handelsabkommen mit Kanada hat die Linke ihre Kritik erneuert. Die vier Bundesländer mit linker Regierungsbeteiligung würden am Freitag nicht zustimmen, heißt es in einer Erklärung der Partei- und Fraktionsspitzen und linker Regierungsvertreter aus Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Dies wird ein Votum der Länderkammer für Ceta jedoch nicht aufhalten.

Die Linke stößt sich vor allem an den Klagemöglichkeiten für ausländische Investoren, dem sogenannten Investitionsgerichtssystem. «Als Linke sind wir der Auffassung, dass es inländischen wie ausländischen Investoren genügen muss, im Zweifel ihren Rechtsanspruch auf eine Entschädigung im deutschen Gerichtssystem klären zu lassen», heißt es in dem Papier.

Der Bundestag hatte den EU-Vertrag mit Kanada Anfang Dezember nach jahrelangen Debatten zugestimmt. Ceta ist aber schon seit September 2017 in Teilen vorläufig in Kraft. Gerade der Investitionsschutz war jahrelang auch bei den Grünen umstritten. Weiterlesen

Habeck hofft auf neuen Schub für Beziehungen mit Afrika

Kapstadt (dpa) – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hofft auf einen neuen Schub in den Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika. Der Grünen-Politiker sagte am Dienstag in Kapstadt, man brauche einen neuen Anlauf, um die europäisch-deutsch-afrikanischen Beziehungen neu zu denken. Habeck traf sich mit dem Regierungschef der Provinz Western Cape, Alan Winde.

Am Mittwoch eröffnet Habeck in Johannesburg eine deutsch-afrikanische Wirtschaftskonferenz. Erwartet wird auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, gegen den es schwere Korruptionsvorwürfe gibt. Weiterlesen

Außenhandel schwächelt im Oktober

Von Friederike Marx, dpa

Wiesbaden (dpa) – Eine nachlassende Nachfrage aus dem Ausland dämpft die Geschäfte deutscher Exportunternehmen. Die Ausfuhren «Made in Germany» sanken im Oktober den zweiten Monat in Folge gegenüber dem Vormonat, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. «Der deutsche Exportmotor ruckelt merklich», sagte Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), am Freitag. «Hohe Inflationsraten und eine straffe Geldpolitik in wichtigen Absatzmärkten dämpfen die internationale Nachfrage.» Auch der Außenhandelsverband BGA ist besorgt.

«Die tendenzielle Stagnation der letzten Monate geht nun in einen leichten Rückgang über», sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). «Insbesondere die Schwäche bei den Importen deutet an, dass der Außenhandelsmotor anfängt zu stottern.» Weiterlesen

Bericht: Habeck will Deutschlands Wirtschaft von China lösen

Berlin (dpa) – Die deutsche Wirtschaft soll nach Plänen aus dem Bundeswirtschaftsministerium weit unabhängiger von China werden – dies soll auch mit schärferen Maßnahmen erreicht werden.

In einem Papier aus dem Wirtschaftsressort wird unter anderem vorgeschlagen, deutsch-chinesische Projekte politisch nicht mehr zu flankieren, wie das Nachrichtenportal «The Pioneer» berichtete. Außerdem sollen chinesische Firmen bei Aufträgen für kritische Infrastruktur ausgeschlossen werden. Der Status Chinas als Entwicklungsland bei der Förderung solle gestrichen werden. Das Wirtschaftsministerium wollte sich auf Anfrage zunächst nicht äußern.

In China besonders exponierte deutsche Firmen könnten gesonderte Mitteilungspflichten bekommen, heißt es weiter. Ab 2023 solle es keine Entwicklungskredite mehr an China geben, bilaterale Projekte sollen nur bei «adäquaten chinesischen Finanzierungsbeiträgen (mindestens 50 Prozent)» realisiert werden, zitiert «Pioneer» aus dem Papier der Beamten von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), das in der Bundesregierung bisher nicht abgestimmt sei. Weiterlesen

Bundestag stimmt umstrittenem Handelsabkommen mit Kanada zu

Von Andreas Hoenig, dpa

Berlin (dpa) – Nach jahrelangen Debatten hat der Bundestag einer Ratifizierung des umstrittenen EU-Handelsabkommens mit Kanada zugestimmt. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach von einem wichtigen Schritt. «Wir brauchen mehr Freihandel mit den Demokratien dieser Welt.» SPD-Fraktionsvizechefin Verena Hubertz sagte, das Abkommen werde den Handel deutlich erleichtern und dafür sorgen, dass Zölle und Handelshemmnisse wegfielen.

Ceta ist seit September 2017 vorläufig in Kraft – allerdings nur in den Bereichen, für die allein die EU zuständig ist und nicht die Mitgliedstaaten. Die anderen Teile etwa zu Investitionsschutz und Investitionsgerichtsbarkeit liegen auf Eis, bis die Ratifizierung abgeschlossen ist. In der EU fehlt noch die Zustimmung aus mehreren Staaten, darunter Deutschland. Die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland hatte sich bereits zuvor über die Abstimmung begeistert gezeigt. Sie lobte Ceta auf Twitter als «großartiges» und fortschrittliches Abkommen.

Grüne stimmen doch zu

Die Grünen waren lange gegen Ceta. Im Programm zur Bundestagswahl hieß es, die Partei werde das Abkommen in seiner «jetzigen Fassung» nicht ratifizieren. Das Abkommen solle gemeinsam mit Kanada weiterentwickelt und neu ausgerichtet werden. Diese Ziele sehen die Grünen nun erreicht, wie Fraktionschefin Katharina Dröge deutlich machte. Gemeinsam mit der EU und Kanada habe man es geschafft, «missbrauchsanfällige» Standards beim Investitionsschutz zu reformieren. Missbräuchliche Klagen gegen Klimaschutz und Nachhaltigkeit würden Geschichte sei. Auf den Weg gebracht wurde eine «Interpretationserklärung» eines gemeinsamen Ceta-Ausschusses. Weiterlesen

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