Bad Ems (dpa/lrs) – Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden ist in Rheinland-Pfalz 2022 gestiegen. Gut zwei Millionen Erwerbstätige kamen im dritten Corona-Jahr auf 2,71 Milliarden Arbeitsstunden, wie das Statistische Landesamt in Bad Ems am Donnerstag mitteilte. Nach vorläufigen Berechnungen waren das 1,9 Prozent mehr Arbeitsstunden als 2021. Dabei stieg sowohl die Zahl der Arbeitenden als auch die Zahl der Arbeitsstunden je Erwerbstätigen. Weiterlesen
Arbeitnehmer schauen sich nach Neuem um
Von Matthias Arnold und Michael Donhauser, dpa
Berlin (dpa) – Die Wechselbereitschaft bei Arbeitnehmern hat drei Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown in Deutschland einer neuen Umfrage zufolge zugenommen. So konnten nur noch rund 55 Prozent der Befragten der Aussage vollständig zustimmen, sie beabsichtigten, in einem Jahr noch beim selben Arbeitgeber beschäftigt zu sein.
Das geht aus einer aktuellen Befragung des Beratungsunternehmens Gallup hervor, die am Mittwoch präsentiert wird und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. 2019 lag dieser Anteil noch bei fast 75 Prozent. In den ersten beiden Corona-Jahren ab 2020 sank er dann deutlich auf rund 60 Prozent.
Zu hohe Belastungen in vielen Jobs
Vor allem in systemrelevanten Berufen wie der Pflege oder im Rettungsdienst könnte der steigende Wechselwillen aus Sicht der Gewerkschaft Verdi auch mit den Belastungen zusammenhängen, die während der Pandemie besonders sichtbar geworden seien. «Die Gewissheit, in einem Job zu arbeiten, den man nicht sehr in Frage stellt und der eben bestimmte Anforderungen hat, die ist durch das permanente Arbeiten am Limit ins Wanken geraten», sagte Christian Wille vom Bereich Innovation und Gute Arbeit bei der Gewerkschaft.
Befragungen etwa im Rettungsdienst hätten demnach ergeben, dass 58 Prozent der Beschäftigten aufgrund der zunehmenden Arbeitsbelastung davon ausgehen, dass sie dieser Arbeit und diesem Beruf höchstens noch zehn Jahre nachgehen können. 25 Prozent rechneten sogar nur noch mit fünf Jahren.
Auch das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht Nachwirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt – im Guten wie im Schlechten. Die Digitalisierung habe etwa einen Schub bekommen, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Zugleich wurden aber auch die Gräben zwischen Unternehmen, die in dem Bereich sehr weit sind und anderen, die hinterherhinken, vertieft.
Der Arbeitsmarkt zeigt sich robust
«Die Wechselbereitschaft nimmt konstant zu», teilt Gallup auf Basis der eigenen Umfrage mit. Dazu trägt auch bei, dass die Zuversicht, schnell etwas Neues zu finden, derzeit besonders groß ist. Mehr als 80 Prozent der von Gallup befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind der Meinung, dass aktuell eine «gute Zeit» sei, um eine Arbeit zu finden. Das ist der höchste Wert seit mindestens 2009. Im ersten Jahr der Corona-Krise schätzten nur etwas mehr als ein Drittel ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt so hoch ein.
Trotz Corona-Krise und den Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat sich der deutsche Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren äußerst robust gezeigt. Zudem gibt es derzeit kaum eine Branche, die nicht händeringend Personal und Fachkräfte sucht.
Unzufriedenheit mit Führungskräften
Die Unternehmen müssten deshalb stärker um die Mitarbeiter werben, teilte Gallup-Partner Pa Sinyan mit – sowohl um künftige, als auch um die, die bereits da sind. «Unternehmen, die jetzt nicht gezielt gegensteuern, werden ins Schleudern geraten und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig gefährden», hieß es.
Nachholbedarf gibt es der Umfrage zufolge vor allem bei den Führungskräften. Fast 40 Prozent der Beschäftigten sind der Umfrage zufolge gar nicht oder nur mittelmäßig zufrieden mit ihren Chefs und Chefinnen. «Die Daten deuten darauf hin, dass es bei Führungskräften erhebliches Potenzial gibt, Beschäftigte so zu führen, dass sie ihren Job besser machen können und motiviert zur Arbeit gehen», teilte Gallup mit. Konkreter wird die Umfrage indes nicht.
Mutterschutz für Selbstständige – Tischlerin fordert Reform
Von Elmar Stephan, dpa
Alfhausen (dpa) – In der Werkstatt von Johanna Röh riecht es nach Holz, auf einer Maschine liegt die Seitenwand einer Kommode. Seit 2016 ist die Tischlermeisterin und Restauratorin aus Alfhausen bei Osnabrück selbstständig, so wie viele männliche Kollegen. Für die 35-Jährige ist aber manches anders, zumindest seit im vergangenen Mai ihre Tochter Mela zur Welt kam. «Als schwangere Unternehmerin passe ich nicht ins System», hat sie festgestellt. Mit einer Petition an den Bundestag will sie zusammen mit zwei anderen Unternehmerinnen eine umfassende Reform des Mutterschutzes anstoßen.
Mutterschutz und Elternzeit ist für Angestellte kein Problem – bei Selbstständigen ist die Situation komplizierter. Laut Bundesfamilienministerium erhalten privat krankenversicherte Selbstständige kein Mutterschaftsgeld. Sie müssen eine private Krankentagegeldversicherung abschließen, und dort gilt es Wartezeiten zu beachten. Die Schwangerschaft muss also gut geplant sein.
Wer als Selbstständige wiederum freiwillig bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, erhält während der Mutterschutzfristen Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankentagegeldes von der Krankenkasse. Allerdings muss der Krankentagegeldanspruch mit abgesichert werden. Wer darauf verzichtet, hat keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Gleich, ob privat oder gesetzlich versichert – als Unternehmerin müsse sie Zusatzversicherungen abschließen, kritisiert Röh.
Schwierig in der Gründungsphase
Krankengeld habe sie nicht bekommen, weil die Berechnung des Krankengeldes noch in die Gründungsphase ihres Unternehmens gefallen sei, als die Einnahmen noch gering und die Investitionen hoch gewesen seien, erklärt Röh.
«Als Selbstständige ist es ein krasser Wettbewerbsnachteil, wenn ich als Frau auch noch Familie möchte», sagt die Handwerkerin. Als Selbstständige habe sie keine Leistungen bekommen, das habe ihre Familie sehr viel gekostet. «Es war zwischendurch nicht ganz klar, ob ich den Betrieb halten kann.»
Es sei wichtig, dass eine Schwangerschaft nicht zu einer Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt führe, sagt Röh. «Wenn ich den Betrieb schließen muss, weil ich schwanger werde, habe ich ja die doppelten Kosten – die eigenen und die vom Betrieb.» Wenn ihr eine Arbeitskraft zur Seite gestellt worden wäre, wie in der Landwirtschaft möglich, hätte ihr das sehr viel geholfen. Finanziert werden könnte das wie in der Agrarbranche über die Sozialkassen, findet sie.
Inzwischen liegt die Petition dem Bundestag vor. Die Forderung: Selbstständige Schwangere müssen den gleichen gesetzlichen Mutterschutz genießen wie Angestellte.
Nicht einfach, aber nötig
Bundesfamilienministerin Lisa Paus immerhin sieht Regelungsbedarf. «Gleichbehandlung zwischen Selbstständigen und Angestellten ist nicht ganz einfach. Aber es muss auch Selbstständigen möglich sein, ohne zu hohe Hürden eine Familie gründen zu können», hatte die Grünen-Politikerin bereits im Dezember den Funke-Zeitungen gesagt. «Daher sollten wir auch die Freistellung für Selbstständige ermöglichen.»
Inzwischen hat sich der Petitionsausschuss des Bundestags mit dem Papier beschäftigt, wie die SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Osnabrück-Land, Anke Hennig, sagt. «Alle demokratischen Parteien haben positiv darauf reagiert», erklärt die Politikerin. Der parlamentarische Prozess sei damit gestartet worden. Aber das Vorhaben sei komplex – es falle in die Zuständigkeit mehrerer Ministerien. Solche parlamentarischen Abläufe dauerten lang.
Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) unterstützt die Petition, wie Verbandssprecherin Michaela Steinhauer sagt. Derzeit bestehe eine Ungleichheit zwischen abhängig beschäftigten und selbstständigen Handwerkerinnen. Dafür brauche es dringend politische Lösungsansätze. Eine Möglichkeit seien Betriebshelfer nach Vorbild der Landwirtschaft, wie von Röh und Co. gefordert. «Eine solche Vertretungsmöglichkeit sollte dann aber als gesamtgesellschaftliche Leistung aus Steuermitteln finanziert werden und nicht über Beiträge», fordert Steinhauer.
Röh sagt: «Es muss sich etwas ändern.» Auch ihre Auszubildende stehe möglicherweise irgendwann vor derselben Frage: Familie oder berufliche Selbstständigkeit. «Das ist ein gesellschaftliches Anliegen, nicht ein rein privates.»
Streit um künftigen Mindestlohn – Teuerung erhöht den Druck
Von Basil Wegener, dpa
Berlin (dpa) – Angesichts der hohen Inflation ist Streit um die nächste Mindestlohnerhöhung in Deutschland entbrannt. Der Sozialverband Deutschland forderte eine kräftige Erhöhung von 12 auf 14,13 Euro pro Stunde. Die Arbeitgeber warnten vor «unrealistischen Höhen». Doch auch von den Gewerkschaften und aus der SPD kommt der Ruf nach stärkerer Entlastung der Beschäftigten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte deutlich, dass Fürsprecher einer kräftigen Steigerung nicht erneut direkte Hilfe der Politik erwarten dürfen. Zuständig ist wieder die Mindestlohnkommission. Hinter ihren verschlossenen Türen startet nun das Ringen um den Mindestlohn 2024.
Sprunghafter Anstieg gefordert
Mehr als sieben Jahre nach Einführung – 2015 mit 8,50 Euro je Stunde – erhöhte die Ampel-Koalition die Lohnuntergrenze erstmals per Gesetz. Der Mindestlohn stieg zum Oktober 2022 von 10,45 Euro auf 12 Euro. Doch als die SPD dafür im Bundestagswahlkampf 2021 geworben hatte, ahnte niemand die folgenden Preissprünge vor allem infolge des russischen Kriegs in der Ukraine. Damit ist es noch nicht vorbei: Die Verbraucherpreise lagen im Februar wie im Januar um 8,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Nach einem Jahr Krieg mit seinen Folgen müsse die Inflation bei der Mindestlohnerhöhung Anfang 2024 stärker ausgeglichen werden, sagte die Chefin des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Dafür müsste der Mindestlohn nach unseren Berechnungen auf 14,13 Euro steigen.» Denkbar sei, «dass der Mindestlohn schrittweise auf diesen Wert angehoben wird», so der Verband in einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Stellungnahme.
DGB will kräftig ausgleichen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nennt keine Zahl – aber räumt ein: «Ja, die Inflation frisst die letzte Mindestlohnerhöhung weitgehend auf», wie DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der Deutschen Presse-Agentur sagte. «Wir werden uns in der Mindestlohnkommission für einen kräftigen Ausgleich einsetzen.» Vor allem Geringverdienerinnen und -verdiener litten unter Preissteigerungen. Körzell verweist zudem auf die EU: Ihre neue Mindestlohnrichtlinie schreibe eine entschiedene Berücksichtigung der Kaufkraft vor. Auch der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff sagte: «Wir müssen weiter diejenigen besonders entlasten, die von der Inflation am stärksten betroffen sind.» Die Erhöhung des Mindestlohns wäre dafür effektiv, so der SPD-Linke zum «Handelsblatt». Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hatte in der Zeitung bereits gefordert, die Politik müsse über eine erneute Erhöhung des Mindestlohns nachdenken.
Arbeitgeber in Alarmstimmung
Bei Deutschlands Arbeitgebern schrillen da die Alarmglocken. «Die jüngst erhobenen Forderungen, die Anpassung in unrealistische Höhen zu schrauben, erweist sich als wiederholter Versuch eines Anschlags auf die Tarifautonomie», sagte der Hauptgeschäftsführer ihres Verbands BDA, Steffen Kampeter, der dpa. «Die anstehende Anpassung des Mindestlohns darf keinesfalls erneut für politische Eingriffe missbraucht werden.» Bereits vergangenes Jahr hatte die BDA vehement dagegen protestiert, dass der Gesetzgeber die Lohnuntergrenze anhob. Normalerweise verhandeln Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie der Wissenschaft darüber – in der Mindestlohnkommission. Bis zu diesem Freitag hatten die maßgeblichen Verbände Zeit, dem Gremium ihre Stellungnahmen zu schicken. Das brachte die neue Debatte überhaupt erst ins Rollen.
Scholz stellt Verfahren klar
Prompt meldete sich Kanzler Scholz zu Wort. «Es ist sehr gut, dass wir im Oktober letzten Jahres den Mindestlohn auf 12 Euro angehoben haben», sagte er nach einem Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft in München. «Klar verbunden mit dieser Aussage war das Versprechen, dass das eine einmalige durch Gesetz geschaffene Erhöhung ist.» Und dass dann zum regelmäßigen Erhöhungsmechanismus zurückgekehrt werde – also zur Kommission. Auch Kampeter (BDA) und Körzell (DGB) treffen hier direkt aufeinander. Die Linke-Sozialexpertin Susanne Ferschl bemängelte, dass das Gremium «allein im stillen Kämmerlein» berate. Als zentraler Maßstab für die Beratungen hat das Gremium laut Gesetz die Entwicklung der Tariflöhne zu nehmen – also unter anderem auch wie viel etwa Verdi unter erhöhtem Warnstreik-Druck im öffentlichen Dienst herausholt. Aber die Kommission muss auch darauf achten, dass zu hohe Mindestlöhne nicht Beschäftigung gefährden – und zu niedrige den gebotenen Mindestschutz für die Beschäftigten nicht verfehlen.
Wirkung gegen Inflation sinkt
Doch wie gut wirkt der Mindestlohn gegen die Inflation? Ganz ordentlich – bisher. So lässt sich eine neue Studie des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zusammenfassen. Nur rund jedes zweite EU-Land konnte demnach vergangenes Jahr mit höheren Mindestlöhnen die hohe Inflation ausgleichen – «vergleichsweise gut» auch Deutschland. Zwischen Anfang 2022 und Anfang 2023 hätten Menschen mit Mindestlohn inflationsbereinigt um 12,4 Prozent höhere Stundenlöhne bekommen. «Da die nächste Mindestlohnanpassung erst zum Januar 2024 vorgesehen ist, werde ein Teil des Zuwachses durch die weiterhin hohe Inflation in diesem Jahr aufgezehrt», so die Forscher aber. In Frankreich, den Niederlanden oder Belgien steige die Lohngrenze dagegen auch im Jahr 2023.
Psychisch bedingte Krankschreibung: Höchster Stand seit 2012
Mainz/Frankfurt (dpa/lrs) – Die Zahl der Krankmeldungen wegen psychischer Erkrankungen bei rheinland-pfälzischen Arbeitnehmern ist in den vergangenen zehn Jahren auf einen neuen Höchststand gestiegen. Der Zuwachs zwischen 2012 und 2022 lag bei 48 Prozent, wie aus nun vorgelegten Daten der Krankenkasse DAK hervorgeht. Besonders betroffen waren demnach im vergangenen Jahr Beschäftigte im Gesundheitswesen, deren Fehltage wegen psychischer Leiden 53 Prozent über dem Durchschnitt lagen.
Im Schnitt entfielen auf einen DAK-Versicherten 3,27 Fehltage. Damit liege Rheinland-Pfalz bei den psychisch bedingten Fehlzeiten um 9 Prozent über dem Bundesniveau. Eine Krankschreibung aufgrund einer psychischen Erkrankung dauerte im Durchschnitt 39,8 Tage, wie es weiter hieß. Der häufigste Grund für dadurch bedingte Fehltage waren Depressionen: Hier sei ein Anstieg im Vergleich zu 2021 um 11 Prozent und damit ein Rekordhoch verzeichnet worden. Auf Platz zwei kamen Belastungs- und Anpassungsstörungen. Neurotische Störungen, zu denen beispielsweise auch chronische Erschöpfung zählt, nahmen um 8 Prozent zu, wie aus dem «Psychreport» der Krankenkasse weiter hervorgeht. Weiterlesen
Rekord: Knapp 2 Millionen offene Stellen
Nürnberg (dpa) – Auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind so viele offene Stellen zu besetzen wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Im vierten Quartal habe es bundesweit 1,98 Millionen nicht besetzte Arbeitsplätze gegeben, teilte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) heute auf Grundlage seiner aktuellen Stellenerhebung mit. Das sind 160.000 oder 6,6 Prozent mehr als im Vorquartal und 17,5 Prozent mehr als im Schlussquartal des Jahres 2021. Weiterlesen
Saarland plant Strategie zu Geschlechtergerechtigkeit
Saarbrücken (dpa/lrs) – Die saarländische Landesregierung will eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie implementieren und dazu noch vor den Osterfeien eine interministerielle Arbeitsgruppe einsetzen. Das kündigte Frauen-Staatssekretärin Bettina Altesleben (SPD) zum «Equal Pay Day» am Dienstag und Internationalen Frauentag am 8. März an.
Alle Maßnahmen, Programme und Gesetzesvorschläge sollen dabei einem Monitoring und einer tatsächlichen Gleichstellung unterzogen werden. Die Strategie könne auch gerne mit «Geschlechtergerechtigkeit» übersetzt werden, so Altesleben. Denn trotz aller Fortschritte und Erfolge in den vergangenen Jahren gebe es weiterhin Bedarf, die Situation von Frauen im Arbeitsleben zu verbessern. Weiterlesen
Wie Corona das Arbeiten verändert hat
Von Fabian Nitschmann, dpa
Berlin (dpa) – Die Corona-Pandemie hat das Leben schlagartig verändert, als Mitte März 2020 plötzlich Kontaktbeschränkungen eingeführt und Büros geschlossen wurden. Homeoffice war bis dahin für viele Arbeitnehmer undenkbar, selbst wenn es ihr Beruf theoretisch möglich machte. Videokonferenzen waren vielerorts eine Seltenheit, schon bei der Telefonkonferenz streikte gerne die Technik.
Doch Covid-19 ließ in vielen Fällen keine andere Möglichkeit als Arbeiten am Küchentisch inklusive Kindergeschrei im Video-Meeting und zahlreiche abgesagte Dienstreisen.
Plötzliche Veränderungen sind oft auch plötzlich wieder Geschichte. Das Coronavirus aber blieb – und mit der Pandemie auch einige Veränderungen für die Arbeitswelt.
Homeoffice
«Die Arbeitnehmer wollen tendenziell mehr im Homeoffice arbeiten als vor der Pandemie, aber nicht so viel wie während der Pandemie», sagt Ulf Rinne, Arbeitsmarktexperte vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Drei Jahre nach Beginn des ersten Lockdowns in Deutschland gebe es durchaus eine Erwartungshaltung an die Arbeitgeber, Homeoffice zu ermöglichen. «Homeoffice wird jetzt mitverhandelt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern», sagt Rinne.
Nach Zahlen des Ifo-Instituts arbeiteten zuletzt rund 25 Prozent der Beschäftigten «zumindest teilweise» im Homeoffice, im Dienstleistungssektor ist die Quote mit fast 36 Prozent deutlich höher. Seit Aufhebung der Homeoffice-Pflicht Ende März 2022 habe es kaum eine Veränderung gegeben.
Besonders beliebt ist Homeoffice dem Ifo-Institut zufolge bei IT-Dienstleistern (73,4 Prozent), Unternehmensberatern (71,7 Prozent) und bei Angestellten in der Werbung und Marktforschung (55,2 Prozent). Im Hotel- und Gastgewerbe spielt Homeoffice dagegen – wenig überraschend – keine Rolle.
Jeder Betrieb müsse für sich eine Lösung finden, wie nun langfristig mit dem mobilen Arbeiten umgegangen wird, meint Experte Rinne. «Aus meiner Sicht werden das meist hybride Modelle sein zum Beispiel mit Präsenztagen, an denen alle an den Arbeitsort kommen.»
Workation
Homeoffice ist das eine – aber was, wenn die Arbeit per Laptop auch in einer Strandbar erledigt werden kann? Workation, also die Kombination aus Arbeit (work) und Urlaub (vacation), hat mit dem Homeoffice seit Beginn der Corona-Pandemie ebenfalls einen Aufschwung erlebt – zumindest bei denen, die es sich leisten können und auf den passenden Stellen sitzen.
«Workation ist derzeit noch ein Nischenthema», sagt Arbeitsmarktforscher Rinne. «Gerade mit Blick auf die jüngere Generation ist es für Unternehmen aber durchaus eine Möglichkeit, im Wettbewerb um knappe Personalressourcen solche Angebote mitzudenken.» Rechtlich seien mit Workation noch viele offene Fragen verbunden, insbesondere bei Aufenthalten außerhalb der EU.
Videokonferenzen
Auch in Sachen Digitalisierung hat die Corona-Pandemie der Arbeitswelt einen Schub versetzt. In vielen Büros wurde die digitale Ausstattung deutlich verbessert, Kommunikationsanwendungen wie Microsoft Teams oder Zoom erlebten ein Hoch. In 72 Prozent der Unternehmen wurden Online-Meetings und Videokonferenzen Anfang 2022 «sehr häufig» oder «häufig» genutzt, wie aus dem Digital Office Index des Digitalverbands Bitkom hervorgeht. Im Mai 2020 lag der Anteil noch bei 61 Prozent, im März 2018 bei 48 Prozent. Hinzu kommt: Innerhalb der Unternehmen dürfte sich der Personenkreis der Videokonferenz-Teilnehmer deutlich vergrößert haben.
«Schon lange vor der Pandemie waren Videokonferenzen in Unternehmen für wenige ausgewählte Personen und Bereiche möglich», sagt dazu Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. «Durch die ausgeprägte Nutzung des Homeoffice sowie den Wegfall von Dienstreisen, Konferenzen und Veranstaltungen seit Corona sind Videokonferenzen in den Büros von heute ein Standard, auf den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr verzichten wollen.»
Für Unternehmen wie Zoom wurde die Corona-Zeit daher zu einer Erfolgsperiode – wie auch andere Tech-Unternehmen steckt der Videokonferenzdienst aber inzwischen in Schwierigkeiten: Im Februar kündigte das Unternehmen angesichts der ungewissen Wirtschaftslage einen großen Stellenabbau an. Zoom hatte während der Pandemie eine Einstellungsoffensive gestartet, die sich als überdimensioniert herausstellte.
Dienstreisen
Während Homeoffice und Videokonferenzen boomten, drohte der Dienstreise in der Corona-Pandemie das Aus. Aber weit gefehlt: In den vergangenen Monaten ist ihr Comeback zu erkennen – auch, weil Arbeitnehmer in verschiedenen Umfrage immer wieder angeben, dass sie Geschäftsreisen mit Vor-Ort-Treffen sehr schätzen.
Die Vor-Corona-Verhältnisse sind aber noch weit entfernt, vor allem mit Blick auf inländische Flugreisen. Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt flogen 2019 rund 15 Millionen Passagiere auf Verbindungen mit Start und Ziel in Deutschland – im Vergleich zu 2 Millionen 2021 und 4 Millionen 2022. Rechnet man auch Inlandsflüge hinzu, die zum Umstieg unternommen werden, geht die Branche für Sommer 2023 von 57 Prozent der Passagierzahlen von 2019 aus. Diese Zahlen beinhalten nicht nur Geschäftsreisende, gerade im innerdeutschen Verkehr dürfte ihr Anteil an allen Passagieren aber recht hoch sein.
Der internationale Flugverkehr hat sich etwas besser holt. Insgesamt lag die Zahl der Passagiere an deutschen Flughäfen im vergangenen Jahr bei 66 Prozent des Vor-Corona-Jahres 2019.
«Die deutschen Unternehmen stellen mehr und mehr ihre Reiserichtlinien um», meint Stefanie Berk, Marketingvorständin für den Fernverkehr der Deutschen Bahn. Bei Geschäftsreisen werde inzwischen öfter auf die Schiene gesetzt. Nach DB-Angaben haben sich in den vergangenen zwölf Monaten die Verkaufszahlen der BahnCard an Business-Kunden verdoppelt. Mit der BahnCard erhalten Reisende 25 oder 50 Prozent Rabatt auf den Fahrpreis, mit der BahnCard 100 kann jeder Zug ohne weitere Kosten genutzt werden.
Also alles neu auf der Arbeit?
Bei allen Entwicklungen in den Bereichen Homeoffice, Dienstreisen und Videokonferenzen: Für viele Menschen hat sich in der Pandemie und auch jetzt, in der Zeit ohne Corona-Beschränkungen, überhaupt nichts am Arbeitsalltag grundlegend verändert – Masketragen und auf das Virus testen mal ausgenommen. Kassiererinnen, Kellner, Altenpfleger und Bauarbeiterinnen können trotz aller Digitalisierung nicht von zu Hause arbeiten, um sich den Weg zur Arbeitsstätte zu sparen.
Das Homeoffice-Potenzial liegt in Deutschland Arbeitsmarktexperten zufolge bei rund 50 Prozent der Beschäftigten – und ist stark abhängig vom Einkommen. Bei einem Bruttomonatseinkommen von 4000 Euro liegt das Homeoffice-Potenzial dem Ifo-Institut (2020) zufolge bei rund 80 Prozent, bei einem Bruttoeinkommen von 2500 Euro pro Monat dagegen nur bei 25 Prozent.
Fachleute: Ehegattensplitting und Elterngeld reformieren
Stuttgart/Berlin (dpa) – Noch immer kümmern sich Frauen einer Studie zufolge deutlich mehr um Haushalt und Kinder als Männer – um das zu ändern, schlagen Fachleute Reformen beim Ehegattensplitting und beim Elterngeld vor. «Das Ehegattensplitting steht der Erwerbsbeteiligung von Zweitverdienern entgegen», sagte die Makroökonomin Nicola Fuchs-Schündeln von der Goethe-Universität Frankfurt der Deutschen Presse-Agentur vor dem Weltfrauentag am 8. März. Vor Wahlen werde das Thema immer wieder diskutiert. Letztlich fehle der politische Wille, an dem Konzept zu rütteln.
«Es gibt Studien, die zeigen, dass in Deutschland das Einkommen von Müttern zehn Jahre nach Geburt des ersten Kindes noch 60 Prozent unter dem Einkommen im Jahr vor der Geburt lag», sagte sie. Das liege vor allem daran, dass Frauen nach der Geburt weniger erwerbsmäßig arbeiteten. In Ländern wie Dänemark oder Schweden liege der Wert hingegen nur bei 20 Prozent, in den USA oder in Großbritannien bei 40 Prozent. «Deutschland sticht im Ländervergleich vor allem mit dem Steuersystem heraus.» Viele Länder hätten zwar ein System der gemeinsamen Besteuerung, aber nicht so extrem wie in Deutschland. Weiterlesen
Lohnlücke – Ferda Ataman für Gesetzesverschärfung
Berlin (dpa) – Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, hat anlässlich des Equal Pay Days an diesem Dienstag die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern in Deutschland beklagt. Sie fordert eine Reform des Entgelttransparenzgesetzes. «Obwohl wir ein Entgelttransparenzgesetz haben, ist es für viele Frauen nach wir vor schwierig, Entgeltungleichheit konkret nachzuweisen», sagte Ataman dem «Redaktionsnetzwerk Deutschland».
«Das Auskunftsrecht im Entgelttransparenzgesetz gilt nur in größeren Unternehmen ab 200 Beschäftigten – und es hat zu viele Schlupflöcher.» So leuchte es nicht ein, warum Frauen in einem kleinen Betrieb kein Recht darauf hätten, Auskunft über eventuelle Lohnungleichheiten zu bekommen, in größeren aber schon. Bei der im Koalitionsvertrag angekündigten «Weiterentwicklung» des Gesetzes müsse daher darauf geachtet werden, dass das Gesetz künftig in allen Unternehmen gelte. «Das muss verbessert werden», sagte Ataman. Weiterlesen
Fahrermangel führt zu Ausfällen bei Bussen und Bahnen
Von Fabian Nitschmann, dpa
Berlin (dpa) – Heute kein Bus wegen Personalmangels – das droht in Zukunft immer häufiger. Denn die Nahverkehrsunternehmen in Deutschland haben große Probleme, genügend Bus- und Bahnfahrer zu finden.
Mindestens die Hälfte der Unternehmen hat im vergangenen Jahr ihren Betrieb aufgrund von Personalmangel zeitweise eingeschränkt – zu diesem Ergebnis kommt eine Branchenumfrage des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
«Vielleicht waren es sogar noch mehr», sagt Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses und zugleich Arbeitsdirektor bei den Dortmunder Stadtwerken. «Ich kenne jedenfalls fast niemanden in der Branche, der nicht zum Beispiel mal zeitweise eine Linie einstellen musste.»
«Branche latent von Personalabbau betroffen»
77 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie im Fahrdienst bis 2030 mit einem höheren Personalbedarf rechnen. Gleichzeitig werden sie der Umfrage zufolge in genau diesem Bereich bis 2030 die meisten Abgänge verzeichnen. Rund 50 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Unternehmen arbeiten im Fahrdienst.
«Unsere Branche war in der Vergangenheit immer latent von Personalabbau betroffen, weil die Finanzierung oft eng war», erklärt Kraus. «Jetzt steht die Finanzierung, weil der Nahverkehr immer wichtiger wird – aber die Mitarbeitenden fehlen.»
Die befragten Verkehrsunternehmen gehen davon aus, dass sie die Zahl ihrer Beschäftigten bis 2030 für den Ausbau des Bus- und Bahnangebotes um rund 20 Prozent erhöhen müssen – der VDV rechnet letztlich sogar mit einem höheren Wert. Für 48 Prozent der Unternehmen ist die Besetzung offener Stellen im Fahrdienst derzeit die größte Herausforderung, dahinter folgt das gewerblich-technische Personal.
Dabei sei die Konkurrenz groß, meint Kraus: «Wir konkurrieren inzwischen mit Unternehmen wie Flaschenpost und Amazon, mit denen wir uns bei den Arbeitsbedingungen eigentlich nicht vergleichen lassen wollen.» Im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen erhielten Berufseinsteiger im Fahrdienst 15,60 Euro die Stunde, also 3,60 Euro mehr als den Mindestlohn.
«Bei Flaschenpost haben Sie sonntags frei – aber dass Sie mit den Getränkekisten auch in den sechsten Stock müssen, wird dann vergessen», sagt Kraus.
Tarifverhandlungen stocken
Inwieweit sich die Gehälter in der Branche in Kürze verändern werden, hängt vom weiteren Ablauf zahlreicher Tarifverhandlungen ab. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert in den Gesprächen mit der Deutschen Bahn und 50 weiteren Unternehmen mindestens 650 Euro monatlich mehr Geld für die Beschäftigten und zudem einige strukturelle Anpassungen im Tarifsystem. Der Verhandlungsauftakt mit der DB endete vergangene Woche nach nur zwei Stunden – die Vorstellungen beider Seiten liegen sehr weit auseinander.
In anderen Verkehrsunternehmen wird derweil der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes angewandt, über den derzeit auch verhandelt wird. Aber auch in diesem Tarifstreit geht es kaum voran – entsprechend wurde vergangenen Freitag bundesweit in zahlreichen Städten der Nahverkehr bestreikt.
Neben dem VDV, der vor allem öffentliche Verkehrsunternehmen vertritt, informierte sich kürzlich auch der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) genauer bei seinen Mitgliedern, wie es um den Fachkräftemangel steht. 87.000 Busfahrer fehlen dieser Unternehmensumfrage zufolge bis 2030. Aktuell liege der Bedarf bei 7800 Leuten, teilte der BDO mit, in dem viele auch kleinere, private Busunternehmen verbunden sind, Mitte Februar mit.
Ausbildungszeit mit einberechnen
Selbst wenn sich jetzt Tausende Menschen sofort zum Fahrdienst melden würden – das Problem wäre erst in einigen Monaten gelöst. Bei den Stadtwerken Dortmund zum Beispiel dauert es Kraus zufolge etwa acht Monate ab dem ersten Arbeitstag, ehe ein neuer Mitarbeiter ohne Bus-Führerschein mit Fahrgästen durch die Stadt fahren kann. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist der Zeitraum ähnlich lang.
Das Unternehmen bildet Busfahrer in einer eigenen Akademie in Berlin-Wedding aus, und Fahrschulleiter Tobias Kutta gibt ein klares Motto aus: «Sicherheit geht vor Fahrzeit». 28 Tage Theorie, 28 Tage Fahrpraxis, anschließend noch Strecken- und Tarifschulung, auch der Umgang mit schwierigen Alltagssituationen muss gelernt werden.
«Der Omnibusfahrer ist bei uns eigentlich ein Filialleiter», sagt Kutta, der selbst viele Jahre als Busfahrer für die BVG unterwegs war. «Der fährt, macht Beratung, verkauft Tickets, ein bisschen Buchhaltung. Er ist für die Sicherheit zuständig und auch fürs Notfall-Management.»
Ihm hat der Job auf der Straße offensichtlich stets gefallen, er schwärmt regelrecht. Aber er sagt auch: «Für diese Tätigkeit muss man sich berufen fühlen, da muss man ein Herz für haben.»