Nach der Weltreise ins Handwerk

Dockweiler. Um seinen Lebensweg zu finden, musste Raphael Utters (21) aus Dockweiler erst um den halben Globus reisen. Nach dem Abitur hatte der Sohn eines selbstständigen Bäckermeisters keine Vorstellung davon, wie es beruflich weitergehen sollte. Dann ging er auf Weltreise und traf eine Entscheidung. Heute macht er im elterlichen Betrieb eine Lehre und bricht eine Lanze für seinen Beruf und das Handwerk. Denn das „Gesellschaftsspiel“, wie Raphael es nennt, „mit Abitur sofort auf die Uni und sich am besten nicht die Hände schmutzig machen zu müssen“, will er nicht mitspielen: „Nach der Lehre kann man immer noch studieren“, sagt er. Die Handwerkskammer (HWK) Trier zeichnete den Auszubildenden mit der starken Leidenschaft zum Bäckerberuf jetzt zum Lehrling des Monats aus.   

Dritte und vierte Generation im Familienbetrieb: Josef und Raphael Utters

Ein ganzes Jahr lang war Raphael in der Welt unterwegs. Die meiste Zeit davon verbrachte er in Australien. Im Auto fuhr er einmal um den ganzen Kontinent. Unterwegs jobbte er bei einem Imker, Familienanschluss inklusive, und fühlte sich wie zuhause. Dass der Imker keinen Nachfolger für sein Lebenswerk in Aussicht hatte, stimmte Raphael jedoch nachdenklich. Plötzlich wurde dem Weltreisenden klar, dass ihm selbst auch etwas fehlte: das familiäre Eingebundensein in die elterliche Bäckerei, die Geschäftigkeit im Laden und in der Backstube, das Kommen und Gehen von Kunden und Angestellten, der Duft von frischem Brot in der Luft. „Dass ich das vermissen würde, hätte ich vorher nie für möglich gehalten. Da wurde mir klar, dass eine Bäckerlehre doch nicht so übel wäre.“

Kammerpräsident Rudi Müller zeichnete Raphael Utters im elterlichen Betrieb
(Dockweiler) zum HWK-Lehrling des Monats aus

Denn nach dem Abi hatte auch er zunächst mit dem Gedanken an ein Studium gespielt – Psychologie vielleicht. Den Schritt in die Bäckerlehre hat er aber nicht bereut: „Backen ist so ein schönes und altes Handwerk. Ein toller, abwechslungsreicher und kreativer Beruf“, schwärmt er. Seine Mission: Er will dazu beitragen, dass sich das Ansehen des Bäckerberufs in der öffentlichen Wahrnehmung verbessert. „Viele scheuen sich davor, richtig anzupacken“, beklagt er. „Aber jeder will alles immer billiger, schneller, besser.“ Als Bäckerlehrling ist ihm klar, dass diese Rechnung nicht aufgeht. „Brot ist nicht gleich Brot und gutes Brot ist keine Massenware! Durch Vielfalt wird es zur Kunst. Handwerklich hergestellte Backwaren verdienen viel mehr Wertschätzung“, findet Raphael.

Deshalb plädiert er auch für mehr Respekt gegenüber seinem Berufstand und appelliert an seine Kolleginnen und Kollegen: „Seid stolz auf das, was Ihr macht. Lasst Euch nicht weismachen, dass Ihr weniger wert seid als andere – nur weil Ihr vielleicht weniger Geld auf dem Konto oder andere Arbeitszeiten habt. Solche Gedanken rauben nur Energie, die man besser für Positives einsetzen kann.“ In Frankreich sei das ganz anders. Das hat er kürzlich bei einem Lehrlingsaustausch über die HWK mit Auszubildenden in Bourges festgestellt: „Die Lehrlinge waren begeistert bei der Sache. Und gesellschaftlich viel mehr respektiert als hier!“

v.l.n.r.: Dirk Kleis (Kreishandwerkerschaft MEHR, GF), Kammerpräsident Rudi Müller, Raimund Licht (Vors. Kreishandwerksmeister MEHR; Obermeister Bäckerinnung), Raphael Utters, Bäckermeister Josef Utters (Vater; Betriebsinhaber), Dr. Wieland Steinfeldt (Schulleiter BBS Prüm), Viktoria Utters (Mutter; Verkaufsleiterin), Bäckermeister Andreas Knorr (betrieblicher Ausbilder)
Fotos: Handwerkskammer Trier, Karl-Heinz Schwall

Handwerk, Backen, Sport und Ernährung – dafür brennt der Bäcker-Azubi im 3. Lehrjahr. Diese Interessen will er beruflich miteinander kombinieren. „Eine Ausbildung zum Bäcker ist kein gesellschaftlicher Abstieg“, betont Raphael. Vielmehr ein wichtiger Teil seiner Lebensplanung: den Meistertitel machen, Ernährungswissenschaften studieren, die B-Lizenz-Prüfung ablegen. Letztere will er noch vor seiner Gesellenprüfung hinlegen. Denn neben seiner Leidenschaft für Roggenbrot, Apfelkuchen und Co. ist Raphael auch ein Sportsmann. Oft geht er nach Feierabend noch ins Fitnessstudio.

Das Schönste am Beruf? „Es ist immer wieder cool, am Ende der Nacht vor dem Brotregal zu stehen und zu sehen, was man alles geschafft hat. Und das Lob von Kunden. Für diese Erfüllung lohnt sich die Anstrengung.“ Denn wenn andere schlafen, muss Raphael arbeiten. Auch daran hat er sich gewöhnt: „Da mir die Arbeit Spaß bringt, macht mir das nichts aus. Man muss nicht mit dem Strom schwimmen. Bunte Vögel fliegen eben höher.“

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