Unternehmer warnen vor Abschaltung der Industrie

Mainz (dpa/lrs) – Der rheinland-pfälzische Unternehmerverband hat die aktuelle Energiekrise in Deutschland als «sehr bedrohlich» bezeichnet. «Wir alle werden uns einschränken und Energie einsparen müssen», sagte der Präsident der Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU), Johannes Heger, der Deutschen Presse-Agentur. An den üblichen Energiesparmaßnahmen würden sich selbstverständlich auch die Unternehmen beteiligen. «Doch eine monatelange Abschaltung der Industrie darf es nicht geben», warnte Heger.

«Eine zeitweise Abschaltung von Produktionsanlagen wegen Gasknappheit würde eine ganze Kette von Folgen auslösen: geringere Wirtschaftsleistung, weniger Umsatz, Kurzarbeit und damit Einkommensverluste bei betroffenen Familien», erklärte der LVU-Präsident. Und das käme dann genau zu einer Zeit, in der den Menschen höheren Gas- und Stromrechnungen ins Haus flatterten. Diese Gefahr werde in der öffentlichen Diskussion seit einigen Wochen stärker wahrgenommen, als dies noch zu Beginn der Diskussionen über eine Reihenfolge bei der Gasversorgung der Fall gewesen sei: «Da gibt es ein Umdenken.»

Für die rheinland-pfälzischen Industrieunternehmen sei es wichtig, dass ihnen von den Behörden keine Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie von Erdgas auf Heizöl umstellen wollten, erklärte Heger. Er rechne damit, dass zahlreiche Betriebe einen derartigen Brennstoffwechsel planten. Das größte Unternehmen in dem Bundesland, der Chemieriese BASF, hatte vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass es an seinem Stammsitz Ludwigshafen mit Schritten zur Umstellung auf Heizöl begonnen hat. BASF geht davon aus, dass sich in dem größten Standort des Konzerns durch den Einsatz von Heizöl für den Strom- und Dampfbedarf etwa 15 Prozent der dafür benötigten Erdgasmenge einsparen.

Heger, der vor wenigen Wochen das Spitzenamt in dem Unternehmerverband übernahm, macht der Politik beim Brennstoffwechsel Druck. «Wir brauchen schnelle Genehmigungsverfahren für eine besondere Situation – möglicherweise auch nur für eine Übergangszeit. Sonst gibt es einen Riesenstau und wir kommen nie an das Einsparpotenzial heran», warnte er. Die Genehmigungsbehörden in Rheinland-Pfalz brauchten dafür klare Rahmenbedingungen vom Bund. «Ich sehe da vor allem das Bundesumweltministerium in der Verantwortung», sagte der LVU-Präsident.

Es sei wichtig, deutliche Zeichen zu setzen, dass mit dem Energiesparen bereits jetzt und nicht erst in der kalten Jahreszeit begonnen werden müsse. «Öffentliche Gebäude, die nicht mehr von außen beleuchtet werden, sind dafür ein gutes Zeichen», sagte er. Dabei gehe es nicht darum, wie viele Kilowattstunden letztlich in einzelnen Gebäuden weniger verbraucht würden, sondern um das Symbol.

Der 56-Jährige hat nach eigenen Worten in seinem Büro die Klimaanlage ausgeschaltet. Außerdem sei am Hauptsitz in Enkenbach-Alsenborn (Landkreis Kaiserslautern) die Außenbeleuchtung ausgeschaltet worden, die bislang nachts eine gusseiserne Kugel auf dem Firmengelände – «eigentlich ein Kunstwerk – und das Firmenschild angestrahlt habe. «Wer im Rampenlicht steht, muss sichtbar damit anfangen, Strom und Gas zu sparen», betonte er.

Heger war im Mai einstimmig zum Nachfolger von Gerhard Braun gewählt worden, der das Amt 20 Jahre lang innehatte. Der neue LVU-Präsident ist in vierter Generation Geschäftsführer eines Familienunternehmens mit zwei Eisengießereien in der Pfalz, das mit rund 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 60 Millionen Euro (Stand 2021) zu den größten Herstellern von Windkraftgussteilen in Europa gehört.

Heger spürt nach eigenen Worten mit Blick auf die Energiepreisexplosion bei vielen Menschen eine große Bereitschaft, sich mit «Unbequemlichkeiten wie etwa ein paar Grad weniger im Büro oder kaltem Duschen in der Sporthalle abzufinden und das auch auszuhalten». Anders sei es aber, wenn die Lage für den Einzelnen finanziell bedrohlich werde und die Angst überhandnehme, die Gas- und Stromrechnung nicht mehr bezahlen zu können.

«Dann sind wir an einem Punkt, wo Eingriffe erforderlich werden», sagte er. «Es darf nicht sein, dass Haushalten, die ihre Rechnung nicht bezahlen können, die Gasversorgung abgedreht wird.» Und es dürften auch keine Inkasso-Unternehmen losgeschickt werden, um Schulden einzutreiben. Parallel zu diesen Schutzmechanismen für Verbraucher müssten aber auch die Strom- und Gasversorger geschützt werden, damit sie die Krise überleben können.

 

 

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