Ministerien bewerten 9-Euro-Ticket positiv

Mainz (dpa/lrs) – Das rheinland-pfälzische Sozial- und das Mobilitätsministerium bewerten das noch bis Ende August geltende 9-Euro-Ticket einvernehmlich positiv. Das Ticket habe das Potenzial des ÖPNV gezeigt, sagte Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) im Redaktionsgespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. «Wir können nie wieder so über Bus und Bahn sprechen, wie vor dem 9-Euro-Ticket», sagte der Sozialdemokrat. Aus dieser Erkenntnis müsse etwas resultieren. «Und die Diskussion läuft ja auch.»

Grundsätzlich positiv äußerte sich auch das von der grünen Ministerin Katrin Eder geführte Mobilitätsministerium in einer Antwort auf eine Landtagsanfrage der ebenfalls grünen Abgeordneten Lea Heidbreder. Das 9-Euro-Ticket habe Menschen neu für den öffentlichen Nahverkehr begeistert. «Etwa 20 Prozent der Käuferinnen und Käufer gaben laut Marktforschung des VDV an, dass die den ÖPNV zuvor normalerweise nicht genutzt hätten», heißt es. Die ersten Ergebnisse der Marktforschung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hätten gezeigt, dass Nachfrage, Bekanntheit und Attraktivität des Tickets ungebrochen hoch seien. Es seien einige Menschen motiviert worden, den ÖPNV überhaupt erst einmal auszuprobieren, berichtete das Eder-Ministerium weiter. «Das sei ein gutes Signal».

Das 9-Euro-Ticket galt beziehungsweise gilt jeweils für Juni, Juli und August bundesweit in allen Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und Zügen des Nah- und Regionalverkehrs – egal ob von der Deutschen Bahn oder anderen Anbietern. Nicht genutzt werden kann der Fernverkehr der Deutschen Bahn. Das Ticket war Teil eines der Entlastungspakete der Bundesregierung wegen der hohen Inflation.

Die wissenschaftliche Auswertung des Tickets läuft noch, und doch hat es der aus Rheinland-Pfalz kommende Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) schon einen «fulminanten Erfolg» und die «beste Idee für den Bahnverkehr seit ganz langer Zeit» genannt. Sein Parteikollege, Bundesfinanzminister Christian Lindner, erteilte indes Erwartungen an eine Nachfolgeregelung am Wochenende eine Absage.

So mancher Verkehrsexperte zeigt sich skeptisch, ob sich mit dem Ticket nennenswert Verkehr von der Straße in Richtung ÖPNV verlagert. «Aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich nur ein leichter Verlagerungseffekt von der Straße auf den öffentlichen Verkehr von bestenfalls zwei bis drei Prozent erkennen», sagte etwa Christian Böttger, Bahn-Experte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). Das deckt sich mit ersten Ergebnissen einer Studie aus dem Großraum München. Sie kam zum Schluss, dass 35 Prozent der Probanden häufiger mit Bus und Bahn fuhren – aber nur 3 Prozent ihr eigenes Fahrzeug seltener nutzten. Allerdings stellten die Forscher eine gewisse dämpfende Wirkung auf den Münchener Straßenverkehr fest.

Auch eine Auswertung des Verkehrsdatenspezialisten TomTom für die Deutsche Presse-Agentur deutete in der ersten Phase des 9-Euro-Tickets auf einen Rückgang der Staus in großen deutschen Städten hin. Eine radikale Änderung des täglichen Verhaltens sei nicht zu erwarten gewesen, ordnete der Leiter der Münchner Studie, Klaus Bogenberger von der TU München, die Ergebnisse bei deren Vorstellung im Juli ein. Gleichzeitig sagte er: «Viele haben die öffentlichen Verkehrsmittel in ihren Alltag integriert.»

Der rheinland-pfälzische Sozialminister Schweitzer sagte der dpa, es sei klar, dass es ein Ticket zu solch einem Preis nicht dauerhaft geben könne. «Aber es hat ein Fenster aufgemacht.» Die Grünen-Abgeordnete Heidbreder sagte der dpa: «Das 9-Euro-Ticket war tausendmal erfolgreicher als der Tankrabatt.» Die mit ihm entstandene Dynamik wolle man nun für weitere Initiativen in der Mobilitätspolitik nutzen. «Damit hat sich jetzt das Fenster für großartige neue Chancen geöffnet.»

Wie der ÖPNV künftig dauerhaft attraktiver gemacht werden kann, muss Schweitzer zufolge im Detail geschaut werden. Wichtig seien eine «Durch-Tarifierung», also dass für eine längere Fahrt nicht mehrere Tickets an verschiedenen Stellen erworben werden müssen, und ein vertretbarer Preis. Damit einhergehen müsse eine bessere Infrastruktur, die sei seit dem Start des 9-Euro-Tickets im Juni an ihre Grenzen geraten.

Auf die Infrastruktur kommt auch das Mobilitätsministerium in seiner Antwort zu sprechen. Seit Ticket-Start habe es Kapazitätsengpässe gegeben, aus der Branche sei von überlasteten Beschäftigten zu hören gewesen. «Die Erfahrungen aus der Vergangenheit vieler Verkehrsunternehmen zeigen, dass es vor allem auf das Angebot ankommt und weniger auf den Preis, um Menschen zum Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu bewegen.» Die Landesregierung ziehe den Schluss, dass neben attraktiven Preisen alles darangesetzt werden müsse, das Leistungsangebot so gut wie möglich auszubauen. Das Angebot in «unterversorgten Gebieten im ländlichen Raum» müsse verbessert, Engpässe in Ballungsräumen müssten beseitigt werden.

Das Ziel attraktiverer Tarife ist nach Einschätzung des Mobilitätsministeriums zurzeit äußerst schwer. Kraftstoff-, Energie- und Personalkosten seien massiv gestiegen, was Verkehrsunternehmen belaste. «Aktuell legt das Land seinen Fokus darauf, bestehende Angebote zu sichern und eine massive Erhöhung der Tarife zu verhindern», hieß es vom Ministerium. «Allein dies wird die aktuell zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel stark belasten.»

Bereits im Koalitionsvertrag der Ampel in Rheinland-Pfalz festgehalten ist das Ziel eines 365-Euro-Ticket für junge Menschen – ein Jahresticket für 365 Euro etwa für Studenten und Auszubildende. Das Land hatte im Mai angekündigt, es werde damit voraussichtlich im ersten Halbjahr 2024 losgehen. Die von hohen Gewerbesteuereinnahmen profitierende Stadt Mainz startet damit schon zum neuen Schuljahr.

Heidbreder sagte, wenn die Struktur für das 365-Euro-Ticket für junge Menschen geschaffen sei, könnten weitere Zielgruppen hinzukommen. «Die Mobilitätswende brauchen wir nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch aus sozialpolitischer Perspektive», betonte sie. «Die Abgase bekommen nicht die Reichen ab, sondern eher die mit dem kleinen Geldbeutel, die an den großen Straßen wohnen.»

 

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