Geron und Feuerwehr schildern Flutkatastrophe in Sinzig

Mainz (dpa/lrs) – Der Sinziger Bürgermeister Andreas Geron ist vor der Flutnacht nach eigener Darstellung nicht offiziell gewarnt worden. «Ich wurde als Bürgermeister von niemanden gewarnt, auch im Vorfeld nicht», berichtete der parteilose Rathauschef am Freitag im Landtags-Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe in Mainz. Er habe während der Katastrophe auch keinen Kontakt zum Kreis Ahrweiler gehabt. «Es gab keinen Kontakt zwischen Kreis und Bürgermeister.» Seine Informationen habe er über seinen Feuerwehrleiter und digitale Medien bekommen. «Dass diese Apokalypse über uns herein bricht, damit hat niemand rechnen können.» An der kreisfreien Stadt fließt die Ahr in den Rhein.

Der Feuerwehrleiter der Stadt, Andreas Braun, berichtete sichtlich mitgenommen von seinem Einsatz in Sinzig und einigen Stunden in der Technischen Einsatzleitung (TEL) im Kreis Ahrweiler. «Ich war überfordert mit meiner Aufgabe, ganz klar», sagte er über das Ausmaß der Katastrophe in Sinzig. Irgendwann habe er sich «vor lauter Verzweiflung vor das Funkgerät gekniet» und gefleht: «Bitte schickt uns einen Hubschrauber, die Leute verrecken hier!» Es sei aber kein Hubschrauber gekommen.

Die Feuerwehrleute hätten trotzdem 500 bis 1000 Menschen gerettet und noch immer kämen Kameraden zu ihm und erzählten von auch für sie lebensbedrohlichen Situationen, in denen sie Menschen gerettet hätten – auch huckepack. Bei einer Evakuierung seien sie beleidigt worden, und die Leute nicht gegangen.

Braun war nach seinen Schilderungen in der TEL, als Innenminister Roger Lewentz (SPD) und der damalige Landrat Jürgen Pföhler (CDU) sich dort kurz trafen. Eine Einweisung in die TEL habe er zuvor nicht bekommen, sagte Braun. In der TEL hätten aber alle getan, was sie konnten. Er habe jedoch auch den Eindruck gehabt, «dass die in Ahrweiler völlig überfordert sind und von dort keine Fachkräfte zu bekommen sind».

«Sinzig hing irgendwann hinten dran», sagte Braun. Alle Einsatzkräfte seien an der Ahr gewesen. «Wir waren absolut auf uns allein gestellt.»

Ungefähr um 19.00 Uhr habe er – mehr oder weniger kommentarlos – ein Hochwasser-Video der damaligen Bürgermeisterin von Altenahr und jetzigen Ahr-Landrätin Cornelia Weigand (parteilos) bekommen, berichtete Geron. Darauf sei ein Bach, nicht aber die Ahr zu sehen gewesen.

Um 0.45 Uhr sei die Ahr noch in ihrem Bett gewesen, rund 300 Meter von seinem Haus, berichtete Bürgermeister Geron. Erfahrungsgemäß brauche das Wasser von Altenahr bis Sinzig etwa fünf Stunden, so dass man noch immer davon ausgegangen sei, dass es nicht viel schlimmer als beim Hochwasser 2016 werde. Gegen 1.30 Uhr oder 2.00 Uhr sei die Situation für die Feuerwehr nicht mehr beherrschbar gewesen, die Kontaktaufnahme mit dem Kreis aber nicht gelungen.

Das Ausmaß der Flutkatastrophe sei ihm etwa zwischen 2.45 und 3.30 Uhr klar geworden, sagte Geron. «Als ich Rauschen im Haus hörte und dann gesehen habe, die Ahr fließt von der falschen Seite ins Haus.» Da sei auch klar gewesen, dass das Schulzentrum überschwemmt worden sein musste. «Das war der Moment, wo ich wusste, da ist eine unfassbare Katastrophe im Laufen.»

Die Feuerwehr habe in der Kernstadt und einem Stadtteil Menschen über Megafone aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Dem seien aber nicht alle nachgekommen und später Menschen aus dem ersten Stock gerettet worden, die zuvor gewarnt worden waren, sagte Geron.

In Sinzig sind in der Flutnacht unter anderem zwölf Bewohner eines Wohnheims für Menschen mit geistiger Behinderung ums Leben gekommen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Insgesamt starben mindestens 134 Menschen an der Ahr.

 

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