Gedenken an Pogromnacht: Schweigemarsch in Mainz

Mainz (dpa/lrs) – Die Jüdische Gemeinde Mainz-Rheinhessen hat zum Jahrestag der Pogromnacht von 1938 vor der Ausgrenzung von Menschen durch rechtsextreme Parteien gewarnt. «Unsere Toten mahnen uns zur Wachsamkeit», sagte die Gemeindevorsitzende Anna Kischner am Mittwoch in der Neuen Synagoge in Mainz. An einem Schweigemarsch im Anschluss an eine Gedenkstunde zum Ort der Deportationen von Juden im Jahr 1942 nahmen rund 250 Menschen teil.

«Wir wollen uns in diesen veränderlichen Zeiten mit der Vergangenheit in Beziehung setzen», sagte Kischner. Vor einem Jahr hätte niemand gedacht, dass es wieder Krieg in Europa gebe, beim Heizen gespart werden müsse und Inflation herrsche. «Wenn Diktatoren keinen Ausweg finden, suchen sie einen Schuldigen», sagte Kischner. In der Vergangenheit seien dies immer wieder Menschen jüdischen Glaubens gewesen. Es sei bedrückend, dass in etlichen europäischen Ländern rechtsextreme Parteien großen Zulauf finden könnten: «Das Gedächtnis der Völker ist kurz.»

Die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse bezeichnete «jene Nacht vor 84 Jahren, als in unserem Land die Synagogen brannten» als eine «grausame Zäsur». Die 1912 feierlich eröffnete Synagoge sei am Morgen des 10. November nur noch eine ausgebrannte Ruine gewesen. Die 2010 eingeweihte Neue Synagoge zeuge von neu erwachtem jüdischen Leben in der Stadt, sei aber auch untrennbar verbunden mit der Vergangenheit – und mit der nie beantworteten Frage, warum sich bei der Verfolgung von jüdischen Mainzerinnen und Mainzern kaum Protest erhoben habe, obwohl Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen betroffen gewesen seien.

Nach dem Lied «El Malei Rachamim» für die Opfer der Schoah, vorgetragen von der Sopranistin Natasha Goldberg, zogen die Teilnehmer des Schweigemarsch zunächst zum Hof einer Schule, wo Schülerinnen und Schüler zwei Zeitzeugenberichte vortrugen. Ziel des Schweigemarschs war der ehemalige Güterbahnhof, von dem aus bis Kriegsende 1131 jüdische Mainzerinnen und Mainzer in Vernichtungslager deportiert wurden; die meisten kehrten nie zurück.

Die Stadt Mainz will dort einen «Gedenkort Deportationsrampe» errichten.

 

 

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