Robi, Wischi, Chichi – Wenn Saugroboter Namen bekommen

Technik
Von Julia Kilian, dpa

Berlin (dpa) – Wenn man sich überzeugen will, zu welch’ liebevoll kuriosen Dingen Menschen neigen, braucht man sie nur nach ihrem Staubsauger fragen. Oder – um genauer zu sein – nach ihrem Staubsaugerroboter. Die runden Geräte schießen mit einem Surren durch die Wohnung, sammeln Flusen unterm Bett oder Tierhaare im Wohnzimmer. Und nicht selten verpassen Menschen ihnen Spitznamen.

Manche Leute schalten abends «Roberta» ein, andere nennen die Geräte «Wischi» oder «Robi». Vor einigen Monaten sorgte auch «Fluffy» für Schlagzeilen: Der Saugroboter sollte in einem österreichischen Laden seine Arbeit tun und entwischte durch die Tür.

Online gibt es viele Vorschläge. Manche verweisen auf Fähigkeiten («Staubi», «Dusty», «Borsti»), manche auf Prominenz («Bill Cleanton», «Helene Wischer», «Wischerman’s Friend»). Auch schon gehört in Berlin: «ChiChi», eine kleine Erinnerung an den früheren französischen Präsidenten Jacques Chirac.

Sprachwissenschaftlerin Miriam Lind forscht an der Universität Mainz und beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Sprache und Gesellschaft gegenseitig prägen. Dass Saugroboter Spitznamen kriegen, beobachtet auch sie in ihrem Umfeld. Als sich eine Bekannte einen Saugroboter zugelegt habe, habe sie gleich Kulleraugen zum Aufkleben gekauft und dem Ding einen Namen gegeben.

Wunsch nach Sozialisierung

Nach Einschätzung von Lind ist das ein Versuch, solche Geräte zu sozialisieren. Es habe grundsätzlich etwas potenziell Bedrohliches, wenn Technik mehr oder weniger unabhängig von einem etwas tue. Das Gerät zu benennen, gliedere es ein bisschen in die Sozialwelt ein und nehme die Bedrohung. Das zeige auch Forschung zu humanoiden Robotern, also Robotern mit menschenähnlicher Gestalt: Eine Benennung trage dazu bei, dass sie als freundlicher wahrgenommen würden, als weniger bedrohlich und Menschen sie eher in ihr Zuhause ließen.

Menschen wollten mit einem Namen Nähe herstellen, ähnlich wie man es bei Haustieren mache, sagt Lind. Es sei ein grundmenschliches Bedürfnis, Dinge zu benennen, mit denen man interagiere, eben weil man es gewohnt sei. Man interagiere in erster Linie mit Menschen und Menschen hätten Namen. Manche haben auch Kosenamen für ihr Auto oder ihre Waschmaschine. «Selbst von Druckern habe ich schon gehört», sagt Lind. Manche würden Dinge dabei lieber benennen als andere.

Haben Kosenamen für Technik aber nicht auch etwas Naives und Unterschätzendes? «Das hat eine gewisse Naivität. Und ich denke, das ist auch was, was von Herstellern ganz stark gewünscht wird», sagt die Sprachforscherin. Je moderner Saug- und Wischroboter seien, desto häufiger hätten sie komplexe Sensoren für räumliche Orientierung, die potenziell einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen könnten, je nachdem wo diese Daten landeten.

Als Teil der Familie beworben

Nach ihrer Einschätzung ist es aus Marketing-Sicht für Hersteller attraktiv, Geräte so zu gestalten, dass sie auch mal ein niedliches Geräusch machen, etwas hilflos wirken. «Um genau dieser potenziellen Furcht um Privatsphäre entgegenzuwirken und irgendwie zu signalisieren: “Ach, so bedrohlich ist es ja nicht.”» Das werde bei vielen Technologien gemacht. Das Sprachassistenzsystem «Alexa» etwa werde in der Werbung teilweise als Teil der Familie beworben.

Noch seien das Leben mit Saugrobotern und die Namensgebung wenig erforscht, sagt Lind. «Helene Wischer» jedenfalls hält sie im Alltag für eher ungewöhnlich. Es gebe durchaus Menschen, die auch bei Haustieren relativ komplizierte, wortspielartige Namen benutzten. Im Alltag würden daraus aber oft Kurzformen. «Also “Helene Wischer” würde dann im Alltag wahrscheinlich doch entweder irgendwie “Helene” oder “Leni” oder “Wischi”.»

Auch Lind hat neulich überlegt, wie sie einen Saugroboter nennen würde. Sie tendierte zu «Herbert». Das sei eine Anlehnung an einen Tweet über einen Saugroboter, der an einer Türschwelle hängen bleibe. Auf dem Handy des Besitzers sei dann die Meldung erschienen: «Herbert requires your attention. Herbert is stuck near a cliff.» (Also etwa: «Herbert braucht deine Aufmerksamkeit. Herbert steckt nahe einer Klippe fest.»). Das sei wunderbar dramatisch gewesen.

 

 

 

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