«Reichsbürger»-Gruppe baute «Heimatschutzkompanien» auf

Berlin (dpa) – Die vergangene Woche ausgehobene «Reichsbürger»-Gruppierung hatte offensichtlich noch deutlich mehr Mitwisser als bislang bekannt. Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestags berichteten nach einer Sondersitzung in Berlin, die Ermittler hätten eine dreistellige Zahl sogenannter «Verschwiegenheitserklärungen» mit Unterschrift von Menschen gefunden, die von der Gruppe angesprochen worden seien.

Nach Angaben der Abgeordneten hatten die mutmaßlichen Verschwörer geplant, bundesweit 286 «Heimatschutzkompanien» zu bilden. Diese hätten nach Auskunft eines Vertreters der Bundesanwaltschaft im Falle eines Umsturzes Menschen «festnehmen und exekutieren» sollen, sagte Ausschussmitglied Clara Bünger (Linke). In Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg habe es dafür bereits konkrete Vorbereitungen gegeben. Mehrere Verdächtige hätten in Bayern an einem Schießtraining teilgenommen.

Dem Vernehmen nach interessierte sich die Gruppe bei ihren Planungen für den von ihnen erwarteten Umsturz auch für Kasernen der Bundeswehr. Auch wenn es keinen Hinweis gebe, dass ein versuchter Staatsstreich unmittelbar bevorgestanden habe, sei die Bedrohung hier wegen der hohen Gewaltbereitschaft der Beteiligten ernst zu nehmen, betonte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU). Katrin Helling-Plahr (FDP) sagte, der Fall sei «erschreckend», sowohl was die Anzahl der Beteiligten angehe, als auch die Finanzmittel der Gruppe.

Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro

Bei den Durchsuchungen seien mehr als 400.000 Euro in bar, Gold- und Silbermünzen gefunden worden, sagte Bünger. Außerdem solle es ein Schließfach geben, in dem sich Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro befinden sollten. Für den engeren Kreis der Verschwörer habe es Satelliten-Telefone gegeben, um intern sicher zu kommunizieren. In einer von den Sicherheitsbehörden abgefangenen Kommunikation sei es um den Zugang zum Bundestag gegangen, berichtete Bünger aus der Sitzung.

Über die Auslieferung eines 64-jährigen deutschen Ex-Offiziers, der nahe der italienischen Stadt Perugia festgenommen worden war, soll nächste Woche entschieden werden. Im Hotelzimmer des früheren Oberst einer Spezialeinheit der Bundeswehr fanden die Polizisten «diverses Material, das rückführbar auf die staatsfeindlichen Umtriebe der terroristischen Organisation ist», wie mitgeteilt wurde.

Dem Vernehmen nach sollen allerdings auch Magazine für Waffen entdeckt worden sein, die bei der Razzia nicht entdeckt wurden. In den aufgefundenen «Verschwiegenheitserklärungen», seien den Unterzeichnern erhebliche Sanktionen bis hin zum Tod angedroht worden, erfuhren die Mitglieder des Innenausschusses nach Angaben von Teilnehmern bei einer Sondersitzung am Abend.

Die erste Zusammenkunft der Gruppierung, von der die Sicherheitsbehörden wissen, soll im vergangenen November stattgefunden haben. Man traf sich unter anderem auch auf dem Jagdschloss von Heinrich XIII. Prinz Reuß, der verdächtigt wird, einer von zwei Rädelsführern zu sein.

«Die Gefahr von rechts gilt auch der Union»

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sagte, man müsse nicht nur darauf hinweisen, dass im Zuge der Ermittlungen mit Birgit Malsack-Winkemann eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete nun in Untersuchungshaft genommen wurde, «sondern dass, wenn man sich anschaut, welche Ideologien da zusammenkommen, dann die AfD tatsächlich der parlamentarische Arm derjenigen ist, die diese Republik nicht wollen». Alarmierend sei, dass unter den Verdächtigen in diesem Fall auch Angehörige der Bundeswehr und Polizisten seien.

Bei einem der Beschuldigten war bei einer Durchsuchung im Frühjahr eine Liste mit Namen von Prominenten gefunden worden, darunter Politikerinnen und Politiker. Was er mit der Liste bezweckte, ist noch unklar. Die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan sagte, dass auch Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) und der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet auf dieser Liste stehen, zeige, «die Gefahr von rechts gilt auch der Union». Es sei wichtig, «als Demokraten gemeinsam gegen die Bedrohungen und Angriffe von rechts vorzugehen».

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