Ulrich Mäurer aus Daun – Innensenator in Bremen

Innenministern und -senatoren (und pardon – natürlich auch – Innenministerinnen) eilt oft der Ruf voraus, im Zweifel eher zu den konservativen Flügeln ihrer jeweiligen Parteien zu gehören. Stehen sie doch schon von Amts wegen für Recht und Ordnung ein.
Kreative Gedankenspiele, überraschende Volten oder gar gewagte Pionierarbeit erwartet man auf diesem Posten wohl weniger. Doch genau diese Eigenschaften zeichnen Bremens langjährigen Innensenator Ulrich Mäurer aus. Der 1951 geborene Politiker und Jurist passt in keine schnell aufgezogene „Schublade.“
So staunen auch Kritiker oder politische Gegner aus der linken Szene oft nicht schlecht, wenn sie sich mit dem Menschen hinter dem Amt beschäftigen: In den 70er Jahren wären Ulrich Mäurer und seine Mitstreiter:innen des Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB) einst um ein Haar aus der SPD geworfen worden. Die linken Positionen der Gruppe waren auch dem damaligen Verfassungsschutz in Bremen so suspekt, dass es der SHB damals sogar bis in den Verfassungsschutzbericht schaffte. Heute stellt Senator Mäurer als Chef der Innenbehörde die Berichte des Bremer Verfassungsschutzamtes Jahr für Jahr selber vor.
Derlei Geschichten aus seiner Vergangenheit empfindet Mäurer alles andere als Makel. Der in der Sache streitbare wie humorvolle Politiker hält mit seiner bewegten Vergangenheit nie hinterm Berg. Er ist bekennender Opern-Fan – aber er liebt Musik auch querbeet – Hardrock und Punk inklusive. Wer es genauer wissen möchte, erfährt, dass Mäurer viele Jahre während seines Jura-Studiums in Wohngemeinschaften lebte. Demonstriert wurde unter anderem gegen den Vietnamkrieg, das Atomkraftwerk in Brokdorf, gegen Berufsverbote und gegen den Nato-Doppelbeschluss. Friedlich versteht sich und mit den damals obligatorischen langen Haaren.
Diese Entwicklung war ihm nicht in die Wiege gelegt: Ulrich Mäurer wächst in Daun als einziger Sohn eines Zimmermannes und einer Keramikmalerin auf. Familie, Nachbarn, Freunde sind katholisch und die Pausen in seiner Grundschule sind so gelegt, dass sich protestantische und katholische Kinder nicht treffen müssen. Es ist eine in alle Richtungen geregelte, überschaubare Welt, die Mäurer jedoch bald zu eng wird.
Noch vor dem Abitur, das er 1971 am Gymnasium in Daun ablegt, tritt Mäurer in die SPD ein, um, so erinnert er sich bis heute, „Strauß zu verhindern“.
Wer studieren will, muss die Kleinstadt verlassen. Ulrich Mäurer kommt dieser Schritt sehr gelegen. Er brennt darauf, Neues zu sehen und der ruhigen, unaufgeregten Beschaulichkeit der Vulkaneifel zu entfliehen. Heute fährt er wieder regelmäßig dorthin mit seiner Frau Brigitte zurück – zum Wandern und um alte Freunde zu treffen. Doch mit Anfang 20 steht der Aufbruch auf der Agenda des jungen Mannes.
Erste Station nach Daun ist die Philipps-Universität in Marburg, wo Mäurer 1971 das Studium der Politik – und der Rechtswissenschaften aufnimmt. 1972 setzt er das Studium an der neu gegründeten, bundesweit höchst umstrittenen Reformuni in Bremen fort. Nach erfolgreichem Abschluss der einstufigen Juristenausbildung führt sein Weg in die Justizverwaltung. Personal, Ausbildungs- und Prüfungswesen, Finanzen, Informationstechnologie, aber auch Strafvollzug sind fortan seine Aufgaben. 1997 wird Mäurer Justizstaatsrat unter Senator und Bürgermeister Dr. Henning Scherf.
Im Mai 2008 kommt nach einem Anruf aus dem Rathaus der nächste Karriereschritt – der Bürgermeister bittet Mäurer, für den als Sonderberater für Sport zur UNO wechselnden bisherigen Innensenator, Willi Lemke, ins Innenressort zu gehen.
Seitdem taucht das kleinste Bundesland mit seinem umtriebigen Innensenator regelmäßig in den bundesweiten Schlagzeilen auf. Sei es, weil den ansässigen Hells Angels mit Hilfe des Baurechts das Vereinsheim überm Kopf abgerissen und per Verbotsverfahren das Kuttentragen untersagt wird, salafistische Moscheevereine geschlossen und ein hochrangiges kriminelles Clanmitglied mit Hilfe der GSG9 über Nacht in den Libanon abgeschoben wird, oder sei es, weil ausgerechnet das kleinste Bundesland gegen die scheinbar allmächtige Deutsche Fußball Liga (DFL) den Aufstand wagt und erfolgreich die Mehrkosten für die notwendigen Polizeieinsätze vor dem Bundesverwaltungsgericht durchsetzt. Und die Themen gehen Ulrich Mäurer nicht aus: Seit neuestem tritt Bremens Innensenator gegen die dubiose Sportwettbranche mit ihren Milliardenumsätzen auf Kosten spielsüchtiger, meist noch sehr junger Menschen an. Seit 14 Jahre ist Mäurer im Amt – mit stetig steigenden Beliebtheitswerten bei den Bremerinnen und Bremern. Aber: Der Spitzenplatz in einem Innenministerium ist und bleibt ein Schleudersitz. Wer sich hier niederlässt, braucht gute Nerven und, wie Ulrich Mäurer, immer eine Urlaubsadresse in der Eifel zum Auftanken.

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