Marc Weis aus Daun, Medienkünstler

Das Künstlerduo M+M ist international bekannt für seine oft surreal anmutenden Filminstallationen und radikalen Interventionen im öffentlichen Raum. Weniger bekannt ist hingegen, dass ein M des Pseudonyms für Marc Weis steht, geboren 1965 in Daun, wo er auch aufwuchs. Bereits seit Mitte der 1990er Jahren arbeitet er gemeinsam mit seinem künstlerischen Partner Martin De Mattia als M+M in München.

Das Künstlerduo M+M

Zunächst aber wurde Marc Weis über 19 Jahre hinweg von der „verregneten unverschämt ruhigen Landschaft der Eifel“ (M. Weis) geprägt, die sich hinter den Panoramascheiben seines Elternhauses als Projektionsfläche für seine Geschichten entfaltete. In den längst abgelegten französischen Filmzeitschriften seines Vaters suchte er nach Spuren der Nouvelle Vague, nach Bildern von Anna Karina und Jean Seberg. Nachts lieh er sich von seinem großen Bruder Roger dessen Miniatur-SW-Fernseher, um heimlich schwer verrauschte Filme zu schauen, vorzugsweise italienische Neorealisten auf dem dritten Programm von SWR. Mit zwölf Jahren bekam er seine erste Super-8-Kamera. Mit dieser experimentierte er und drehte – gemeinsam mit Freund_innen, die als Schauspieler_innen herhalten mussten, – rückwärts laufende Kurzfilme. Denn „der Film muss einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben, aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge“ (J-L Godard). Er schwänzte den Mathematik-Unterricht und dokumentierte stattdessen die Kirmes. Im Geschwister-Scholl-Gymnasium gründete er die deutschlandweit erste Video-Schülerzeitung. Schnell fasste er den Entschluss, nach dem Abitur weit weg zu gehen, in eine Großstadt, nach München oder Berlin, um Filme zu drehen. Wegen der Nähe zu Italien entschied er sich für München.

Er studierte zunächst Philosophie und Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Film an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Universität La Sapienza in Rom und schloss das Studium mit einer Arbeit über die frühen Filme von Pier Paolo Pasolini ab. Während des Studiums lernte er Martin De Mattia kennen. Von diesem Zeitpunkt an versuchten sie, unter dem Kürzel M+M die Grenze zwischen Film und bildender Kunst herauszufordern und begannen mit raumbezogenen Erzählformen zu experimentieren. In ihrem späteren Manifest formulieren sie die Stoßrichtung ihrer filmischen Werke wie folgt: “Fokussierung und Stil vergessen. Unschärfen und Ablenkungen verfolgen. Zerstreutheit zum Leitfaden erheben. Unordnung choreografieren. …” Schnell hatten sie Erfolg. Ihre Installationen wurden bereits in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland präsentiert. Sie erhielten Preise und Stipendien wie das der Villa Massimo in Rom oder der Villa Aurora in Los Angeles. Darüber hinaus realisierten sie eine Reihe von Arbeiten für den öffentlichen oder halböffentlichen Raum. 2012 gewannen sie mit ihrem Entwurf den Wettbewerb zum Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig. Es entstanden dauerhafte Projekte für das Deutsche Historische Museum und die Staatsoper in Berlin, für das Gesundheitsministerium in Bonn oder für den Hauptsitz der Münchener Rückversicherung in München. Parallel dazu unterrichteten M+M, zunächst an der neu gegründeten Hochschule für Gestaltung (HfG) in Karlsruhe und später als Gastprofessoren an den Kunstakademien München, Bologna und Zürich sowie an der Peter-Behrens School in Düsseldorf. Seit 2020 sind sie Mitglieder der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Für M+M erschöpft sich das Aufgabenfeld der Kunst aber nicht in der eigenen künstlerischen Arbeit. Auch als Produzenten und Kuratoren versuchen sie neue Fragen aufzuwerfen und Erzählformate zu schaffen. 2014 initiierten sie als Kuratoren die filmbasierte Ausstellung „Der Stachel des Skorpions“, in dem sechs unterschiedliche internationale Künstlergruppen und Künstler_innen Luis Buñuels Film „L’Âge d‘Or“ in sechs Filmepisoden neu interpretierten. Das Projekt wurde von der Bundeskulturstiftung finanziert. Zur Zeit bereiten sie die Wanderausstellung „Mein letzter Wille“ vor. Für sie laden M+M Künstlerkolleg_innen aus der ganzen Welt ein, sich mit ihrem potentiellen Nachlass zu beschäftigen, also mit den Fragen: Was wird bleiben? Was will ich hinterlassen und welche Relevanz könnte dies später noch haben? Es sind Fragen, die in einer aktuellen krisengebeutelten, pandemie- und kriegsversehrten Welt von besonderer Aktualität erscheinen.

Aber auch wenn das Künstlerduo weltweit unterwegs ist und sich teilweise Monate in New York, Venedig, Rom oder Los Angeles aufhält, kehrt das Dauner M in regelmäßigen Abständen in die Vulkaneifel zurück, auf der Suche nach den stillen Wurzeln, welche die Sucht nach Geschichten, Konzepten und Bildern auslösten. Dann trifft er sich mit seinen alten Freund_innen in der Eisdiele Fontanella oder beim Heines in Daun so, als wäre nichts geschehen.

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