Kathrin Valerius aus Minderlittgen – Professorin für Astroteilchenphysik

Neutrinos: Das ist das entscheidende Stichwort, wenn es um die Forschung der Astroteilchenphysikerin Kathrin Valerius geht. Neutrinos, die in schier unendlicher Zahl nahezu mit Lichtgeschwindigkeit permanent durch unsere Körper ebenso wie durch den Kosmos rasen, sind nicht nur wegen ihrer extremen Winzigkeit ganz besondere Elementarteilchen. Trotz ihrer herausragenden Bedeutung für das Verständnis des Aufbaus der Materie und der Entwicklung des Universums sind sie aufgrund ihrer extremen Eigenschaften nur sehr aufwändig zu erforschen. Kein Wunder, dass sie den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch im 21. Jahrhundert noch viele Rätsel aufgeben. 1930 wurden sie vom österreichischen Physiker Wolfgang Pauli hypothetisch postuliert, ein Vierteljahrhundert später gelang erstmals ihr Nachweis. Nachdem man jahrzehntelang glaubte, Neutrinos hätten keine Masse, konnte vor einiger Zeit durch – mit dem Nobelpreis gewürdigte – Forschung nachgewiesen werden, dass sie doch nicht masselos sind. Ihre Masse ist allerdings, wie man seit kurzem weiß, mehr als eine Milliarde Mal kleiner als die eines Protons – geradezu unglaublich! Um diese minimale Masse exakt zu bestimmen und damit einen Durchbruch im Verständnis von Mikro- und Makrokosmos zu ermöglichen, bedarf es anspruchsvollster Hochtechnologie. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Forschungsort von Valerius, hat eine ca. 150 Personen umfassende multinationale Kollaboration zu diesem Zweck die präziseste Waage der Welt errichtet. Sie liefert seit einigen Jahren die Daten, mit denen man das Massegeheimnis der Neutrinos endlich entschlüsseln will. Das Großforschungsprojekt KATRIN (KArlsruher TRItium Neutrino-Experiment) ist zwar nicht nach Kathrin Valerius benannt, aber seit vielen Jahren eng mit ihrem wissenschaftlichen Werdegang verbunden.

Kathrin Valerius Foto: Credit: A. Bramsiepe / KIT

Kathrin Valerius (Jahrgang 1980), Tochter von Martha (geb. Baden) und Matthias Valerius, wuchs zusammen mit ihrem Bruder Matthias in ihrem Heimatdorf Minderlittgen auf. Bei den Erinnerungen an ihre Eifler Kindheit und Jugend spielt die idyllisch gelegene Meesenmühle bei Musweiler, von der ihr Großvater Michael Baden (1917-2005) stammte, eine bedeutende Rolle. An die mit der Mühle verbundenen Zeiten des Spiels und der frohen Familientreffen erinnert sie sich sehr gerne. Überwiegend gute Erinnerungen verbindet sie auch mit der Schulzeit am Peter-Wust-Gymnasium in ihrer Geburtsstadt Wittlich, wo sie 1999 das Abitur mit Auszeichnung bestand. Die Interessenschwerpunkte der vielseitig interessierten Schülerin waren Fremdsprachen und Geschichte. Ermutigt durch ihre Physiklehrerin nahm sie in der Mittelstufe am Wettbewerb „Jugend forscht – Schüler experimentieren“ teil und geriet damit erstmals auf naturwissenschaftliche Bahnen. Prägender für ihr weiteres Leben war der Entschluss, Physik zu studieren; auch dabei spielte erneut die Motivierung durch einen Physiklehrer, der ihr fürs Studium sogar eigene Studienunterlagen überließ, eine besondere Rolle. Das Studium an der Universität Bonn schloss Kathrin Valerius mit einer Diplomarbeit über „Elektromagnetisches Design für das Hauptspektrometer des KATRIN Experiments“ ab. So ist sie seit ihrer Studienzeit mit dem eingangs genannten Neutrino-Projekt am KIT vertraut. Auf die Diplomarbeit folgte von 2005 bis 2009 die Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Münster. Nach der unter Betreuung des Physikers Prof. Christian Weinheimer erstellten Doktorarbeit und Promotion „summa cum laude“ wechselte Kathrin Valerius für fünf Jahre (2009-2014) an das Erlangen Centre for Astroparticle Physics (ECAP) der Universität Erlangen-Nürnberg; in diese Jahre fiel auch ein einjähriger Aufenthalt als Gastwissenschaftlerin in Paris. Während dieser Zeit widmete sie sich der Erforschung höchstenergetischer Teilchen aus dem Kosmos mit den H.E.S.S.-Teleskopen in der Wüste Namibias. Im Sommer 2014 wurde Dr. Valerius Leiterin der Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe zur Analyse der KATRIN-Daten am KIT. Damit war sie an ihrer heutigen Wirkungsstätte in Forschung und Lehre angelangt.

Physikalische Spitzenforschung gehört trotz eindrucksvoller deutscher Tradition leider nicht zu den in der Öffentlichkeit sonderlich beachteten Themen. Dennoch blieben die besonderen Leistungen und Fähigkeiten der Wissenschaftlerin, die Atomphysik mit Astrophysik verbindet, über den Kreis der international vernetzten Fachwelt hinaus keineswegs unbeachtet. 2019 wurde sie vom Wirtschaftsmagazin Capital unter die „Junge Elite – die Top 40 unter 40“ im Bereich Wissenschaft und Gesellschaft gewählt. Eine überaus bemerkenswerte Ehrung, wenn man bedenkt, wie viele Spitzentalente es bundesweit gibt. Die Auszeichnung galt nicht nur ihren wissenschaftlichen Beiträgen zur Astroteilchenphysik, sondern auch ihren besonderen Leistungen in der Wissenschaftskommunikation. Sei es bei ihren zahlreichen Vorträgen oder Online-Auftritten, sei es bei Laborführungen vor Ort oder virtuellen Touren: Auf ansprechende und kreative Weise präsentiert sie ihren spannenden und hoch aktuellen Forschungsbereich. Besonders am Herzen liegt ihr, jungen Menschen und besonders auch Frauen, die in den naturwissenschaftlich-technischen Fächern unterrepräsentiert sind, die Faszination der Astroteilchenphysik zu vermitteln. So, wie sie selbst vom Lebenswerk großartiger Physikerinnen wie Lise Meitner (1878-1968) inspiriert und motiviert wurde, so kann inzwischen auch ihre eigene Biografie inspirierend wirken.

Seit einigen Jahren ist Kathrin Valerius mit einem Physiker verheiratet, den sie einst zu Beginn ihres Studiums kennenlernte. Er gehörte zu den ersten der vielen Gratulanten, als sie 2020 Professorin für Astroteilchenphysik am KIT wurde.

Verfasser: Gregor Brand

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