Karl-Josef Krötz aus Neef – Ratskellermeister in Bremen

Wenn es um Wein geht, ist der Ratskeller der Hansestadt Bremen ein Ort der Superlative. Die uralten Kellergewölbe liegen unter dem vor rund 600 Jahren erbauten berühmten Bremer Rathaus, das im Jahr 2004 zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Seit dem Spätmittelalter birgt der Keller einen Schatz von Weinen, der in der Welt einzigartig ist. Dort lagern in Fässern und Flaschen Qualitätsweine aus allen deutschen Anbaugebieten – die weltweit wohl größte Auswahl an Spitzenweinen dieser Herkunft. Zu diesen erlesenen Weinen gehört der älteste deutsche Fasswein: Jahrgang 1653 aus Rüdesheim, produziert kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg; auch der hier lagernde älteste Flaschenwein (Jahrgang 1727) kommt aus dieser Rheinstadt. Viele andere Glanzlichter der deutschen Weingeschichte finden sich in den weinduftenden Gewölben; manche Flaschen werden für Tausende von Euros in alle Welt verkauft. Das mit dem Ratskeller verbundene Restaurant kann sich rühmen, eines der weltweit größten Sortimente deutscher Weine anzubieten. Zigtausende Flaschen werden alljährlich ausgeschenkt, zusätzlich Hunderttausende werden online oder auf anderem Weg verkauft.

Heimatort des 1957 geborenen Krötz ist das gegenüber dem Calmont, dem steilsten Weinberg Europas, liegende Wein- und Feriendorf Neef zwischen Cochem und Zell. In seiner Herkunft verbindet der Ratskellermeister linke und rechte Moselseite gleichermaßen. Sein Vater, der Winzer Reinhard Krötz, stammte aus Ediger, seine Mutter Irene aus Erden. Sein Neefer Elternhaus liegt auf dem Areal der ehemaligen Matthias-Kirche, direkt neben dem noch erhaltenen, wohnlich ausgebauten Kirchturm, von dem aus der Winzersohn Krötz in jungen Jahren gerne das Dorfgeschehen überblickte. Nach dem Fachabitur in Bad Kreuznach stand für ihn fest, dass seine berufliche Zukunft unzertrennlich mit dem Kulturgut Wein verbunden sein sollte. Bereits mit 20 Jahren war er nach einem Studium an der Hochschule Geisenheim Diplom-Ingenieur für Weinbau und Kellerwirtschaft – der jüngste in Deutschland. Wichtige praktische Berufserfahrung gewann er in seinen 20er Jahren als Kellermeister beim Weingut Lenz-Dahm in Pünderich, das zur damaligen Zeit zu den Trockenwein-Pionieren im deutschen Weinbau gehörte: also weg vom Image des deutschen Weines als eines meist süßen und vor allem von Älteren konsumierten Getränks, hin zu einer Favorisierung trocken ausgebauten Weines, der auch zum guten Essen harmoniert. Ohne Fixierung auf nur eine Art des Weinausbaus richtet sich der von Krötz selbst am liebsten getrunkene Wein nach Qualität und Anlass – aber ein guter Riesling, auch perfekt gereift, darf es schon sein.

Im Sommer 1988 ließ eine Stellenausschreibung in der Fachzeitschrift „Weinwirtschaft“ den jungen Kellermeister ebenso wie viele andere Weinexperten aufhorchen: Für den legendären Bremer Ratskeller wurde ein neuer Ratskellermeister gesucht. Krötz setzte sich gegen Dutzende hochqualifizierter Bewerber durch und wurde mit 32 Jahren der jüngste Bremer Ratskellermeister in dessen mehrhundertjähriger Geschichte. Der neue Job war mit höchst unterschiedlichen Herausforderungen verbunden: Krötz war nunmehr verantwortlich sowohl für die bereits vorhandenen Weine als auch für die alljährliche hochbegehrte Neuaufnahme von Weinen aus allen deutschen Anbaugebieten. Zu diesem Zweck hat er seither in Bremen und andernorts Zigtausende von Weinen verkostet. Und auch wenn er nach alter Prüftradition die edlen Tropfen wieder ausspucken muss, so hat sich bei ihm längst ein sensorisches Weinwissen angesammelt, das zusammen mit seinem theoretischen Weinfundus seinesgleichen sucht. Weniger sinnenbezogen geht es zu, wenn er sich um die kaufmännischen Belange des international agierenden Weindepots kümmern muss. Vielfältige weitere Aufgaben kommen hinzu, von denen manche mit repräsentativer Außenwirkung einhergehen. Dazu gehört die fachkundige Führung prominenter Besucher des Ratskellers, der ein Markenzeichen der Stadt Bremen von weltweiter Ausstrahlung ist. Krötz lernte Monarchen und Regierungschefs ebenso kennen wie namhafte Künstler oder Unternehmer.

Auch nach über drei Jahrzehnten im Norden ist die Verbundenheit mit seiner Moselheimat stark und ungebrochen. Ein besonderes Denkmal dafür bildet der von Krötz initiierte „Bremer Senatswein“. In dem vom Bremer Ratskeller gepachteten „Bremer Weinberg“ an der ältesten Römerkelteranlage nördlich der Alpen am Fuß der weltberühmten Steillage „Erdener Treppchen“ werden die Rieslingtrauben für einen Wein gewonnen, der als vinologisches Aushängeschild Bremens gilt. Alljährlich reist Ratskellermeister Krötz im Herbst mit einer hochrangig besetzten bremischen Delegation nach Erden und zeigt den begeisterten Teilnehmern der Weintour nicht nur den Weinberg, wo ihr „bremischer“ Wein herstammt, sondern präsentiert ihnen auch sonstige Glanzlichter und Freuden der moselländischen Weinkultur. Wenn sich der Top-Weinexperte mit dem ebenso seltenen wie traditionsreichen Beruf Ende 2022 in den Ruhestand verabschiedet, kann der mit einer ehemaligen Weinkönigin aus Zell Verheiratete sich nicht nur auf mehr Zeit mit seinen vier Enkelkindern freuen. Er wird dann auch auf einen unglaublichen Erinnerungsschatz von Begegnungen mit Menschen aller Gesellschaftsschichten zurückblicken.

Verfasser: Gregor Brand

 

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