Gerhard von Malberg

Um das Jahr 1241, als mongolische Krieger bis nach Mitteleuropa vordrangen, wurde Gerhard von Malberg zum sechsten Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt. Sein genaues Geburtsjahr ist ebenso ungewiss wie sein Sterbejahr, aber Malbergs Leben umfasste ungefähr den gleichen Zeitraum wie das von Kaiser Friedrich II. (1194–1250), den Gerhard vermutlich persönlich gut kannte. Die einzelnen Stationen auf dem Weg Malbergs bis in die Nähe des Hohenstaufers sind unbekannt, aber sicherlich spielten verwandtschaftliche Beziehungen eine wichtige Rolle. Gerhard von Malberg war als Sohn des Grafen Theoderich von Are Spross eines einflussreichen Eifler Uradelsgeschlechts. Seine Mutter Agnes von Malberg hatte die unter Trierer Oberhoheit stehende Herrschaft an der Kyll in die Ehe eingebracht. Von Malbergs ersten Lebensjahrzehnten ist nur bekannt, dass er heiratete und Vater zweier Söhne wurde.

Eine Wende in seinem Leben scheint der Tod seiner Frau bewirkt zu haben. Der adlige Familienvater trat in den Deutschen Orden ein, was unter anderem mit dem Gelübde von Ehelosigkeit, Keuschheit und Armut verbunden war. Der Deutsche Orden war gegen Ende des 12. Jahrhunderts von Kreuzfahrern im Orient zunächst aus humanitären Gründen – Krankenpflege – gegründet worden und hatte sich in den folgenden Jahrzehnten als einer der wichtigsten Ritterorden neben den konkurrierenden Tempelrittern etabliert.

Die Mitglieder des Deutschen Ordens blieben dem Kreuzzugsgedanken verpflichtet, das heißt, sie waren entschlossen, das Christentum sowohl mit kriegerischen Mitteln zu verteidigen als auch auszubreiten. Im Nahen Osten existierten damals mehrere christliche Kreuzfahrerstaaten („Outremer“), die sich nur mühsam gegen andrängende islamische Herrscher behaupten konnten, was sie aber nicht daran hinderte, auch intern gewaltsame Machtkämpfe auszutragen.

Zusätzlich zu diesem ursprünglichen Kreuzzugsgebiet traten zur Zeit Gerhards Feldzüge gegen baltische Völker im Ostseeraum, die ihre angestammte heidnische Religion behalten wollten und sich gegen die gewaltsame katholische Missionierung wehrten. Die Deutschordensritter verstanden auch diese Kriegszüge etwa gegen Pruzzen/Preußen oder Litauer als Kreuzzüge, mit denen sie Befreiung von ihren Sünden erlangen konnten. Wie nah damals oft Brutalität und christliche Bußgesinnung beieinander lagen, kann man an Conrad von Thüringen sehen, dem Vorgänger Malbergs als Hochmeister. Über ihn berichtete Otto von Rutenberg: „So eroberte Conrad auch nach heftigem Widerstand im Jahre 1232 das stark befestigte Fritzlar, und verwüstete die unglückliche Stadt mit kannibalischer Wuth.

Sie wurde ganz ein Raub der Flammen, nichts Göttliches und nichts Menschliches wurde verschont, Frauen, Kinder und Priester wurden mishandelt und ermordet, Reliquien und Heiligthümer verspottet, entweiht und verbrannt. Hier findet sich also, wie wir sehen, das Vorbild zu der Verbrennung jenes Dorfs, durch welches Hermann von Oldenburg die Preußen zur Empörung brachte.“ Dieser Grausamkeit folgte die Reue aus Angst vor der Hölle: „Bald nach dieser entsetzlichen That kam Reue über dieselbe in das Herz des fürstlichen Frevlers … Jetzt wanderte er barfuß und im Büßerhemde in die Kirchen, jetzt kam er sogar in demselben Aufzuge nach Fritzlar, entblößte dort seinen Rücken und bat alle Einwohner um Ruthenstreiche.“ Anschließend trat Conrad in den Deutschen Orden ein, „um durch Heidenvertilgung volle Sündenvergebung zu erlangen“.

Von Gerhard von Malberg sind solche Extreme nicht bekannt und manches spricht dafür, dass er eine diplomatischere, vielleicht auch schöngeistigere Natur war. Bei seinem ersten dokumentierten Auftreten im Jahr 1239 war er bereits Marschall und Stellvertreter des Hochmeisters im Heiligen Land. Im Auftrag Kaiser Friedrichs bemühte er sich um Ausgleich der Spannungen zwischen Kaiser und Papst. Möglicherweise sahen ihn die Deutschordensritter als geeigneten Vermittler zwischen denjenigen, die das Ordensschwergewicht weiter auf das Heilige Land legen wollten und denen, die ihren Blick vornehmlich auf den Ostseeraum richteten. Gerhard hielt sich nur bis 1244 an der Spitze des Ordens. Dann musste er in der Kreuzfahrerburg Montfort das Großmeistersiegel widerwillig abgeben. Ob politische Konflikte oder persönliche Verfehlungen zu seiner Absetzung führten, ist ungeklärt. Wenige Jahre nach seiner Hochmeisterzeit verstummen die historischen Quellen über den Grafensohn von der Kyll.

Verfasser: Gregor Brand

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