Georg Hansen aus Sehlem – Forscher jenseits des Polarkreises

Georg Hansens Schullaufbahn führte ihn zum Cusanusgymnasium in Wittlich, mit Abitur im Sommer 1979. Die nächste Station war ein Studium an der Universität Bonn, zunächst in Geodäsie (Vermessungswesen), aber schon nach kurzer Zeit wurde das Interesse für Physik sehr viel größer. Dem Diplomabschluss in Atmosphärenphysik 1987 folgte ein dreijähriges Promotionsstudium im gleichen Fachbereich.

Die Spezialisierung auf den Bereich Atmosphäre war einem Zufall zu verdanken. 1981 machte er einen Urlaub in Norwegen mit weit reichenden Folgen: er wurde unheilbar vom Bazillus des Nordens infiziert. Als er wenige Jahre später auf der Suche nach einer Diplomarbeit war, ergab sich ein Thema mit Feldarbeit in Andenes an der nordnorwegischen Küste – unwiderstehlich! Während seiner Diplom- und Promotionszeit verbrachte er ein ganzes Jahr in Norwegen und wurde mit Land und Leuten vertraut. Zwischen den verschiedenen Aufenthalten in Norwegen lernte er Gudrun aus Moers kennen, 1988 heirateten die beiden in Bonn.

Nach der Promotion folgte ein einjähriges Stipendium an einem norwegischen Institut; dort wurde das erste Kind geboren. Nach Deutschland zurückgekehrt war es für Georg Hansen zunächst schwierig, in der Wissenschaft Fuß zu fassen, da es nach der Wiedervereinigung an vielen Universitäten und Forschungsinstituten einen Einstellungsstopp gab. Die wissenschaftliche Karriere schien beendet, als er vom Bund für Umwelt und Naturschutz als Referent für Luftqualität, Ozon, Klima und Reaktorschutz angestellt wurde. Aber nur 18 Monate später bot ihm die Universität Tromsø, auf die ihn ein norwegischer Kollege aufmerksam gemacht hatte, eine Stelle an. Im Februar 1993 zog die junge Familie ans „Ende der Welt“, wie einige Verwandte mit Schrecken feststellten. Ein Jahr später erhielt Dr. Hansen dann eine feste Position am Norwegischen Institut für Luft- und Atmosphärenforschung (NILU). Dort arbeitet er bis heute als Umwelt- und Klimawissenschaftler.

Aus den geplanten wenigen Jahren wurden inzwischen fast 30. Tromsø ist die Heimat der Hansens geworden. Die Stadt, die im Norden von Norwegen, auf etwa 70 Grad nördlicher Breite, und damit 3 Grad nördlich des Polarkreises liegt, hat inzwischen gut 75.000 Einwohner. Die meisten leben in einem begrenzten Stadtbereich, der sich über Festland und zwei Inseln verteilt. Die gesamte Gemeinde umfasst ein Gebiet, das fast so groß ist wie der Regierungsbezirk Trier. Dazu gehören Fjorde, Strände, Wald, und Gebirge bis zu 1.800 m Höhe sowie Gletscher: ein Paradies für Naturfreunde jeder Art. Tromsø ist in Norwegen auch bekannt als die Stadt mit der höchsten Kneipen- und Restaurantdichte, so dass urban veranlagte Zeitgenossen dort gut leben und überleben können.

In den letzten Jahrzehnten hat sich Tromsø zu einem wichtigen Ausbildungs- und Forschungszentrum entwickelt. Anfang der siebziger Jahre wurde die Universität gegründet, 20 Jahre später wurde das Polarinstitut nach dort verlagert. Heute ist der marine Sektor ein neues Wachstumsfeld. Umweltforschung, auch Erdöl und Erdgas in der Arktis, sind wichtige treibende Momente für die Entwicklung. Die Universität hat eine weitere wichtige Facette, die dem ehemaligen Rektor und Vorsitzenden des Friedensnobelpreiskommitees, Prof. Ole Mjøs, zu verdanken ist: sie ist die einzige Universität im Lande, die den Studiengang Friedensforschung anbietet.

Die Hansens sind heute zu fünft: Gudrun und Georg sowie die Kinder Andreas, Dagmar und Kristin. Sie sind als Deutsche bestens „getarnt“: Hansen ist der zweithäufigste Nachname in Norwegen und füllt vier Seiten im Telefonbuch von Tromsø. Sämtliche Vornamen sind mehrfach in Tromsø vertreten (u.a. viermal Georg). Allerdings sind die Kinder inzwischen „ausgeflogen“ und mit Washington (USA), Kristiansand und Kristiansund recht weit weg vom Nest im hohen Norden.

Mit zunehmendem Alter schlägt die Herkunft immer stärker durch. Georg Hansen ist ein leidenschaftlicher Gärtner, und zwar von der ökologischen Sorte. Gärtnern ist in der Arktis eine Herausforderung, aber man kann sich wundern, was in dem kurzen Sommer alles wächst. Das liegt natürlich daran, dass die Tage dann viel länger sind – 24 Stunden vom 17. Mai bis zum 24. Juli, also drei Monate. Erst Mitte August wird es nachts wieder dunkel. Allerdings kann der Schnee bis Ende Mai liegen bleiben, und die ersten Herbstfröste können schon Ende August wieder auftreten. In den letzten Jahren hat Dr. Hansen sein Hobby und die Arbeit stärker zusammengeführt: ökologische und regenerative Landwirtschaft als ein wichtiges Element, um die Klimakrise zu bewältigen, und das nicht nur in Norwegen, sondern auch in Afrika, wo er seit 2012 Initiativen in Sierra Leone, Senegal und Malawi unterstützt. Wer daran interessiert ist, kann auf Facebook die Gruppe „Walking the Land Africa“ aufsuchen, die von Georg Hansen vor einigen Jahren gestartet wurde. Im Dezember 2022 ging Georg Hansen in den Vorruhestand, damit bleibt jetzt mehr Zeit für das Umweltengagement und regenerative Landwirtschaft, sowohl lokal als auch global über Walking the Land Africa.

Tromsø liegt von der Eifel ziemlich weit entfernt (nach Google sind es 3.111 km) und dennoch sagt Georg Hansen: „Et mächt immer noch Spaas, moal Sehlemer Platt ze schwäätzen, ewwer viel Gelejenhät git et dofir hei joa nit.“

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