Erich Sauer aus Lüxem – Ingenieur und Energieforscher

Die Geburt eines Kindes verkörpert die Hoffnung auf eine gute Zukunft. In besonderem Maß galt dies 1945, als der zweite Weltkrieg endlich endete. Im September jenes Jahres kam Erich Sauer im damals noch selbstständigen Dorf Lüxem zur Welt. Zusammen mit zwei Geschwistern wuchs er in Verhältnissen auf, wie sie für Eifler Handwerker-Familien typisch waren. Der Vater arbeitete als Schlosser, die Mutter war Näherin, ein paar Tiere (Hühner, Kaninchen, ein Schwein und die brave Ziege Lorchen) wurden zur Selbstversorgung gehalten. Der Volksschulunterricht fand für alle Kinder gemeinsam in einem mit Holzofen geheizten Raum statt. Die Eltern erkannten früh, dass ihr begabter Sohn für eine höhere Schulbildung geeignet war, und die bestandene Aufnahmeprüfung für das Cusanus-Gymnasium in Wittlich bestärkte sie in dieser Einschätzung. Vielen Menschen vom Land kam schon eine Kleinstadt wie Wittlich – sie hatte ungefähr fünfzehnmal so viele Einwohner wie das 700-Seelen-Dorf Lüxem – wie eine andere Welt vor. Das galt auch für das Dorfkind Erich Sauer, der den 6 km langen Hin- und Rückweg zum Gymnasium mit dem Fahrrad, später mit dem Moped, zurücklegte und dem die Umstellung anfangs nicht so leichtfiel. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schulkindern war Mathematik sein Lieblingsfach. Zu seinen schönsten Erinnerungen an die Schulzeit gehören die von Religionslehrer Heinrich Deborré (1927–2014) organisierten Ferienreisen in die Mittelmeerländer Italien, Spanien, Portugal und Marokko. Das dafür erforderliche Taschengeld verdiente er sich als Akkordeonspieler in einer Tanzkapelle. Die vielen, oft bis in die Nacht dauernden Auftritte und der damit verbundene Schlafmangel waren zwar für die Konzentrationsfähigkeit im Unterricht nicht förderlich, aber gefährdeten letztlich doch nicht den Schulerfolg. Am 24. Februar 1966 erhielt Sauer das Abiturzeugnis – ein stolzer Moment für ihn und seine Familie.
Nach dem Wehrdienst als Fernmelder in Lissingen studierte er ab 1967 an der RWTH Aachen Maschinenbau und wurde 1972 Diplomingenieur im Bereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik. Während seinerzeit in der BRD die Angst vor der Atomkraft immer mehr Menschen erfasste, war Sauer im Gegenteil von den energetischen Möglichkeiten der friedlichen Kernkraftnutzung fasziniert. Seine außergewöhnliche technisch-mathematische Begabung erlaubte es ihm, sich im Kraftwerksbereich weiter zu qualifizieren und zu forschen. Von 1972 bis 1976 arbeitete er in der Kernforschungsanlage Jülich an einer Studie zur Fernwärmeversorgung um das Kernkraftwerk Gundremmingen sowie an seiner Doktorarbeit über Abwärmeprobleme bei Kraftwerken. Sauers wissenschaftlicher Mentor war der herausragende Physiker und Energiewirtschaftler Rudolf Schulten (1923–1996), der Pionier der Kugelhaufenreaktor-Forschung. Nach erfolgreicher Promotion arbeitete Sauer als Wissenschaftlicher Assistent (1976–1985) am Lehrstuhl für Energie- und Kraftwerkstechnik der Universität Essen bei Professor Thomas J. Bohn (1932–2006). Sein bevorzugtes Forschungsgebiet war nun der Einsatz von Wärmepumpen, ein Thema, das auch und gerade heute noch als Alternative zu Erdgasheizungen hochaktuell ist. Aus seinen Forschungen und Vorlesungen ging die Publikation „Energietransport,-speicherung und – verteilung“ (1982) sowie das weitere Buch „Abwärmetechnik. Kühlsysteme, Umweltprobleme, Abwärmenutzung“ (1984) hervor. Bei seiner Habilitation wagte sich Sauer an eine zukunftsweisende Thematik, die damals noch vielfach belächelt wurde: „Elektroauto: Neue energietechnische Aspekte, Betriebsverhalten, Umweltschutz“. Bemerkenswert, dass Sauer auch in diesem Zusammenhang dem Thema Umweltschutz wieder besondere Aufmerksamkeit widmete, was damals keineswegs selbstverständlich war. Nach seiner Habilitation hätte der Top-Energieexperte auf eine akademische Karriere als Professor setzen können, aber er entschied sich, sein Fachwissen anderweitig einzubringen. Von 1985 bis 1997 war er Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Energietechnik (VDI-GET) und Herausgeber der Jahrbücher dieses technisch-wissenschaftlichen Vereins. In Zusammenarbeit mit Ingenieuren, Wissenschaftlern und Behörden ging es bei seiner Arbeit insbesondere darum, sachlich fundierte und politisch neutrale Stellungnahmen und Veröffentlichungen zu erarbeiten. Im Rahme der internationalen Zusammenarbeit vertrat Sauer die VDI-GET bei den Weltenergiekonferenzen in Spanien, Japan und den USA und intensivierte die Kontakte nach China.
Nach dieser VDI-Tätigkeit kehrte Sauer ins Hochschulleben zurück. Von 1997 bis 2008 lehrte er an der Uni Essen im Fachbereich Maschinenwesen und ab 2003 an der fusionierten Universität Duisburg-Essen als C4-Professor für Technologie und Didaktik der Technik, wo er für die Lehrerausbildung im Fach Technik an allgemeinbildenden Schulen verantwortlich war. Mit Vorlesungen, Übungen und auf andere Weise setzte er sich intensiv für eine Verbesserung der für Fortschritt und Wohlstand so eminent wichtigen technischen Bildung ein. Nach der auf eigenen Wunsch erfolgten Versetzung in den Ruhestand im Oktober 2008 blieb Professor Sauer mit der Übernahme der Sonderaufgabe „Durchführung Erste Staatsprüfung“ noch rund ein Jahrzehnt diesem Anliegen treu. Während am Anfang des Ruhestandes die Freude an der Betreuung der zwei kleinen Enkelkinder überwog und zahlreiche Fernreisen im Vordergrund standen, treten diese nun zugunsten von Erkundungen der näheren Heimat zurück.

Verfasser: Gregor Brand

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