Barbara Kemp

Opernsängerin und Regisseurin aus Cochem

199_kemp_33_14In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählte die Sopranistin Barbara Kemp zu den Weltstars der Opernwelt. Bei ihren Auftritten verfielen Kritiker in Superlative. So schrieb der Operntheoretiker und berühmte Musikkritiker Prof. Oscar Bie 1921: „Aus diesem starken gesunden Körper, aus diesem Gesicht, das frei von jeder konventionellen Schönheit, ganz im lebendigsten Ausdruck des Augenblicks sich bewegt, quillt ein Sopran, der die stärksten dramatischen Akzente in sich trägt und von Seele durchzittert ist.“ Kemps Hauptwirkungsort war seit 1913 die Berliner Hofoper, aber sie sang auch an der Metropolitan Opera in New York, an der Wiener Staatsoper oder am Neuen Deutschen Theater in Prag. 1922 trat sie dort in Richard Strauss’ „Salome“ und in Verdis „Aida“ auf; Ereignisse, die von Prags Hauptmusikkritiker, dem Schriftsteller und Kafka-Freund Max Brod, bewundernd verfolgt wurden. Mit „Aida“ verbanden Barbara Kemp besondere Erinnerungen: Schon 1903 hatte sie in Straßburg, wo sie von 1902 bis 1905 am Konservatorium studierte, aber nebenbei auch am Stadttheater auftrat, die Partie der Priesterin gesungen.

Die attraktive „Priesterin“ war damals gerade volljährig geworden. Im Dezember 1881 in Cochem geboren, kam Barbara Kemp als Tochter des Moselschiffers Josef Kemp und dessen Ehefrau Maria Barbara Schwickerath aus einem eifelmoselanischen Elternhaus. Barbara hatte noch mindestens zwei Geschwister: Sibylle und Josephine. Sibylle heiratete Dr. Eduard Vogel, später Ministerialdirektor im Reichsverkehrsministerium; Josephine Kemp, ebenfalls Sängerin, war in erster Ehe mit Nikolaus Nettstraeter, Generalmusikdirektor der Frankfurter Oper, und in zweiter Ehe mit dem Lutherforscher Karl August Meißinger verheiratet.  Barbara Kemps eigene Lebensverhältnisse, fanden – wie bei Musikstars auch damals schon nicht unüblich –  die Beachtung der Öffentlichkeit.

Dies galt zwar weniger für ihre erste Ehe mit dem späteren Generaloberarzt Dr. Miekley, dafür aber umso stärker für ihre zweite Ehe mit Max von Schillings, der zu den berühmtesten deutschen Komponisten seiner Zeit gehörte. Den gebürtigen Dürener Schillings hatte Kemp-Miekley während des Weltkriegs kennengelernt, als sie die Titelrolle der Mona Lisa in Schillings gleichnamiger Oper sang. Für den verheirateten Schillings fing mit der Beziehung zu der begehrten Sängerin eine lange krisenhafte Phase an. Geplagt von Schuldgefühlen gegenüber seiner Ehefrau, wollte er doch nicht von der Geliebten lassen, „die seiner Künstlerschaft mit Einfühlung und Verständnis begegnete“ (C. Detig). Was Schillings Ehekrise betraf, so verlangte Barbara Kemp eine klare Entscheidung: „Eine Halbheit, eine Freundschaft gibt es nach diesem Erleben und nach Lage der Dinge in der Öffentlichkeit nicht!“

Nach Jahren deprimierender Auseinandersetzungen wurde Schillings 1923 geschieden; er heiratete Barbara Kemp noch im gleichen Jahr. Die gefeierte Opernsängerin hatte sich in den ersten Nachkriegsjahren stark für ihren Geliebten Max von Schillings eingesetzt – mehr, als manchem Künstlerkollegen lieb war. Als der deutschnationale Schillings 1919 zum neuen Intendanten der Preußischen Staatsoper gewählt wurde, führten Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal dies empört auf den Einfluss der prominenten Sopranistin zurück. Strauss, der die Gesangskunst Kemps aufs Höchste schätzte, wollte aber keineswegs auf deren Mitwirkung bei der Aufführung seiner Werke verzichten. So sang Barbara Kemp bei der Premiere von „Frau ohne Schatten“ die Rolle der Färberin, wurde aber ebenso auch als „Salome“ und in anderen Rollen gefeiert. Fachkundige Zeitgenossen stimmten vielfach darin überein, dass die Kammersängerin Kemp in der Lage war, jede ihrer Gesangsrollen genial auszuführen. Nicht zuletzt galt dies für Wagner-Partien, die sie mit triumphalem Erfolg in Bayreuth und andernorts interpretierte.

In den zwanziger Jahren wurde das Lebensglück des Künstlerpaars Schillings-Kemp durch heftige kunstpolitische Auseinandersetzungen um die Arbeit Max von Schillings beeinträchtigt. Schillings wurde 1925 vom preußischen Kultusminister Carl Heinrich Becker als Intendant entlassen. Diese Widrigkeiten bestärkten Schillings ebenso wie seine Frau in ihrer – teilweise antisemitisch gefärbten – Ablehnung der Weimarer Republik und ihres Kulturbetriebs. Ihre Sympathien für den Wagner-Fan Hitler wurden deutlicher – und beruhten auf Gegenseitigkeit. Hitler plante offenbar, aus Schillings den „Musikpapst“ des NS-Staats zu machen, wozu es jedoch durch Schillings’ Tod 1933 nicht kam. 1935 erhielt Hitler von der Witwe Barbara Kemp die Originalpartitur der Schillings-Oper „Moloch“ zum Geschenk. Einige Jahre später trat die Sängerin, die 1932 ihre grandiose Opernkarriere beendet hatte und nun als Gesangslehrerin tätig war, auch als Regisseurin hervor. Kemps Berliner Inszenierungen der Schillings-Opern „Ingwelde“  und „Mona Lisa“ fanden hohe Anerkennung. Dank erhaltener Tondokumente kann man sich bis heute einen Eindruck von der brillanten Gesangskunst der 1959 in Berlin verstorbenen Künstlerin verschaffen. Verfasser: Gregor Brand

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