Das Eifelzeitungs-Winterinterview: Heute mit Karl-Wilhelm (Charly) Simonis, Notar aus Hillesheim und Gründer des Solidaritätskreis Westafrika e.V.

EZ: Herr Simonis, wann sind Sie geboren und wie wuchsen Sie auf?
Charly Simonis: Ich bin am 20. Juli 1944 geboren, genau an dem Tag, an dem der Anschlag auf Hitler war. Mein Vater war Notar in Zell an der Mosel. Ich habe zwei Schwestern und einen Bruder.

Da es in Zell kein Gymnasium gab, besuchte ich ab dem 10. Lebensjahr das Aloisiuskolleg in Bad Godesberg. Dies ist ein privates Gymnasium der Jesuiten und ich habe 9 Jahre dort im Internat gelebt. Die Schule selbst hatte ein hohes Niveau und war ausgezeichnet. Das Internat hat mir weniger gut gefallen, da ich mich in meiner Freiheit sehr eingeschränkt fühlte. Ich bin der Auffassung, dass eine Erziehung in der Familie besser ist als durch zölibatäre Patres.

EZ: Wie sind Sie an den Beruf des Notars geraten?
Charly Simonis: Nach meinem Abitur Ostern 1964 begann ich ein Jurastudium in Bonn. Ich studierte gleichzeitig Volkswirtschaft und bestand darin die Zwischenprüfung, da ich ursprünglich einmal vorhatte, in der Wirtschaft zu arbeiten. Ich habe mich aber dann doch entschlossen, den Beruf eines Notars anzustreben, zumal mein Vater dieses Amt mit ganzem Herzen ausübte. Die Kombination von Selbstständigkeit und großer Gestaltungsmöglichkeit mit einem relativ gesicherten Einkommen hatte eine große Anziehungskraft. Zwei Jahre arbeitete ich zunächst als Notarassessor und kam am 1. Mai 1974 nach Hillesheim, um das Notariat zu übernehmen.

EZ: Wie wird es mit Ihnen beruflich und privat weitergehen?
Charly Simonis: Am 30. Juni dieses Jahres werde ich nach 37 Jahren mein Amt niederlegen und in Rente gehen. Ich liebe diesen Beruf und freue mich, dass ich mit meinen kompetenten und engagierten Mitarbeitern vielen Leuten bei der Lösung ihrer Probleme helfen konnte. Mein Beruf ist jedoch auch sehr anstrengend, da es sich um ein großes Notariat handelt und Überstunden nicht vermeidbar sind.

Ich bin verheiratet und habe mit meiner Frau Mechthild vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter, die mittlerweile alle erwachsen und berufstätig sind. Ich freue mich auf mein viertes und fünftes Enkelkind, die im Sommer geboren werden und für die ich dann mehr Zeit haben werde.

EZ: Wie kam es zu der engen Beziehung zu Burkina Faso?
Charly Simonis: Als Student bin ich mit dem Rucksack mehrere Monate von Kanada bis Guatemala unterwegs gewesen. Ich interessiere mich für andere Kulturen, aber auch für die sozialen Verhältnisse, in denen Menschen leben. Ein wenig Abenteuerlust habe ich auch.

Ein Studienfreund von mir war in den 80iger Jahren deutscher Botschafter in Burkina Faso und von diesem Land und seiner Bevölkerung total begeistert. Er fragte mich, ob wir nicht etwas für dieses Land tun könnten, denn es gehört zu den 5 ärmsten Staaten dieser Erde. Unsere Familie hat Projektpatenschaften bei Misereor übernommen und den Bau von Kleinstaudämmen in Burkina Faso finanziert.

EZ: Schildern Sie unseren Lesern ein wenig das Land.
Charly Simonis: Burkina Faso liegt in der Sahelzone und hat keinen Zugang zum Meer. 80 % der Bevölkerung sind Analphabeten und nur für 40 % der schulpflichtigen Kinder stehen Schulplätze zur Verfügung. Burkina Faso ist seit 50 Jahren selbstständig, es gab keinen Bürgerkrieg und die verschiedenen Religionen leben friedlich miteinander. Es ist eine formelle Demokratie – der frühere Machthaber hat sich vom Volk wählen lassen.

Als ich im Jahre 1989 das erste Mal dieses Land besuchte und alle Betten in der Mission belegt waren, sprach mich ein Afrikaner spontan an und lud mich ein, doch in seiner Familie zu übernachten. Später fragte er mich, ob wir nicht auch etwas für sein Dorf tun könnten. So kam es, dass wir in einem vollkommen abgelegenen Dorf in Eigenregie einen Brunnen bohren und eine Schule bauen ließen.

EZ: Wann gründeten Sie den Solidaritätskreis? Wie müssen wir uns dessen Art zu arbeiten vorstellen?
Charly Simonis: Am 11.01.1991 gründete ich mit Freunden in Hillesheim den Solidaritätskreis Westafrika e.V. In den ersten Jahren besuchten wir jeweils mit nur zwei Personen die Projektorte. Wir fuhren in völlig überfüllten Buschtaxis aufs Land und auf den Dächern wurden unsere Mopeds transportiert. Da man zu den abgelegenen Dörfern nicht mit einem Auto fahren konnte, wurden an einer Wegkreuzung die Mopeds abgeladen und auf dem Rücksitz der Mopeds ging es mit Rucksack in die abgelegenen Orte.

Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert. Wir bauen durchschnittlich im Jahr 43 Schulen und stellen damit pro Jahr für ca. 10.000 Kinder neue Schulplätze zur Verfügung. Wir investieren jährlich 1,3 Millionen Euro. Dies verdanken wir unseren großzügigen Spendern und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das 75 % der Projektkosten übernimmt.

Um möglichst viele Schulen besichtigen und einweihen zu können, fahren wir nunmehr in 2 Gruppen mit 3 Allrads durch das Land. Aber auch dies ist abenteuerlich, denn öfter kann man die Schulen wegen der Regenfälle nicht erreichen. Wir schlafen in durchsichtigen Moskitodomen unter freiem Himmel direkt in den Dörfern.

EZ: Erzählen Sie uns von den afrikanischen Nächten.
Charly Simonis: Faszinierend ist der afrikanische Sternenhimmel, denn es ist vollkommen dunkel, da es kein elektrisches Licht gibt. Nachts hüpfen die Frösche um unsere Zelte und manchmal fressen Geier bzw. Schweine die Reste unseres Essens. Auf den Plumpsklos trifft man nicht nur Kakalaken, sondern gelegentlich kommen auch Fledermäuse herausgeschossen und von einem ruhigen Örtchen kann dann nicht mehr die Rede sein.

Um 6 Uhr wird man von den Hähnen und den anhaltenden Schreien der Esel geweckt. Noch früher kann man im Halbschlaf von weitem den Muezzin hören, der die Gläubigen zum Gebet ruft.

EZ: Wie sind die Menschen in Burkina Faso?
Charly Simonis: Burkina Faso ist landschaftlich kein besonders schönes Land, aber die Leute sind gastfreundlich und dankbar für die Schulen, die wir dort errichtet haben. Es wird immer eifrig getrommelt, getanzt und gesungen und oft treten Masken auf. Trommeln kann ich nicht, aber wir tanzen manchmal mit und die Bevölkerung ist dann immer begeistert.

EZ: Wo nehmen die Mitglieder des Solidaritätskreises die Motivation her, die für ein solches kontinuierliches Engagement nötig ist?

Charly Simonis: Uns ist bewusst, dass wir allein Afrika und Burkina Faso nicht verändern können, aber alle Dörfer, in denen wir Schulen bauen, verändern und entwickeln sich. Dies stellen wir bei unseren Rundfahrten fest und dies ist Ansporn zu weiterem Handeln.

Das größte Problem Afrikas ist die Geburtenexplosion. Jede Frau in Burkina bekommt durchschnittlich 6,5 Kinder. Obwohl 19 % der Kinder sterben, bevor sie das 5. Lebensjahr vollendet haben, ist zu befürchten, dass sich das Land bald nicht mehr selbst ernähren kann. Ohne eine Schulbildung ist eine Weiterentwicklung dieses Landes nicht möglich. Wenn man in Entwicklungsländer reist, die Umweltverschmutzung und die Klimaveränderung sieht, denkt man darüber nach, ob diese Erde überleben wird.

Ich kann dies nicht beurteilen, aber ich weiß, dass man nicht einfach tatenlos zuschauen darf. Wir werfen den Menschen im Dritten Reich vor, dass sie nicht rechtzeitig aktiv geworden sind. Unsere Generation erfährt jeden Tag in den Medien, dass Tausende Menschen verhungern, die Umwelt zerstört wird und wir auf Kosten der nächsten Generation weit über unsere finanzielle Verhältnisse leben. Dennoch streiten sich die Politiker über Einzelheiten und viele von uns leben so weiter als gingen uns diese Probleme nichts an.

Jedes Mal, wenn ich von Afrika zurückkomme, werde ich mir bewusst, in welchem Wohlstand wir hier leben und ich weiß die Schönheit der Eifel zu schätzen. Ich persönlich schöpfe jedes Jahr einmal Kraft während einer Woche in Taizé, einem kleinen Dorf in Burgund.

EZ: Sehr geehrter Herr Simonis, wir bedanken uns sehr für das Gespräch und wünschen Ihnen für die persönliche Zukunft weiterhin viel Glück – und viele starke Mitstreiter für die Zukunft von Burkina Faso.

Der Grundsatz des Solidaritätskreises

Wenn du willst, dass jemand nicht verhungert, gib ihm zu essen.
Wenn du willst, dass jemand sich selbst ernährt, schenk ihm eine Hacke oder eine Angel.
Wenn du willst, dass jemand sich weiterentwickelt, schicke ihn in die Schule. Ω

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