Ärzte-Warnstreiks in Kliniken in mehreren Bundesländern

In der Tarifrunde für die Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Kliniken ruft die Gewerkschaft Marburger Bund am Dienstag zu Warnstreiks in mehreren Bundesländern auf. Aktionen geplant sind den Angaben zufolge in Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Hamburg – dort ist eine zentrale Kundgebung vorgesehen. Arbeitsniederlegungen soll es auch in einzelnen privaten Kliniken geben, hier ist auch Mecklenburg-Vorpommern betroffen. Notfallbehandlungen sollen gewährleistet werden. Weiterlesen

Klinikärzte in Rheinland-Pfalz zu Warnstreiks aufgerufen

Berlin (dpa) – Im Tarifstreit um mehr Geld für Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Kliniken will die Gewerkschaft Marburger Bund den Druck mit zwei Warnstreikwellen erhöhen. An diesem Dienstag sind Mitglieder in Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zu ganztägigen Arbeitsniederlegungen aufgerufen, wie der Marburger Bund am Montag in Berlin mitteilte. Eine zentrale Kundgebung ist in Hamburg geplant. Am 30. März sollen ganztägige Warnstreiks unter anderem erneut in Rheinland-Pfalz sowie im Saarland folgen. Notfallbehandlungen sollen in den Kliniken gewährleistet werden. Weiterlesen

Warnstreiks legen Nahverkehr in mehreren Städten lahm

Düsseldorf (dpa) – Warnstreiks im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes haben vielerorts den öffentlichen Nahverkehr lahmgelegt. Betroffen sind mehrere Städte im Rheinland und im Ruhrgebiet sowie Augsburg.

«Alle Busse und Bahnen der KVB stehen still», sagte ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi mit Blick auf die Kölner Verkehrs-Betriebe. «Streik läuft reibungslos», hieß es bei Verdi in Düsseldorf. Dort ist nach Angaben der Rheinbahn das gesamte Netz betroffen, also die Städte Düsseldorf und Meerbusch, der Kreis Mettmann und die Verbindungen nach Duisburg, Krefeld, Neuss und Ratingen. Auch in Essen und Oberhausen seien die Streiks planmäßig angelaufen, sagte eine Essener Verdi-Sprecherin. Der Warnstreik soll in Nordrhein-Westfalen am Dienstag fortgesetzt werden. Weiterlesen

Mit Luxusauto auf Probefahrt und nie zurückgekehrt

Simmern (dpa/lrs) – Ein Mann hat mit einem Autohaus in Simmern im Hunsrück eine Probefahrt mit einem Luxuswagen vereinbart – und ist für immer davongefahren. Er hatte am Freitag Kaufinteresse an dem SUV mit einem Wert von rund 100.000 Euro vorgespiegelt und offensichtlich eine gefälschte deutsche Aufenthaltsbestätigung vorgelegt, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. «Bei der Überprüfung der zuvor angegebenen Personalien konnte dann ermittelt werden, dass diese so nicht existent waren», hieß es weiter. Zudem fanden die Beamten heraus, dass vermutlich derselbe Mann noch am selben Tag in Nordrhein-Westfalen auf die gleiche Art einen Cabrio-Sportwagen im Wert von rund 30.000 Euro unterschlagen hatte.

Ermittler kritisieren Gerüchte im Fall Luise

Freudenberg/Siegen (dpa). Knapp eine Woche nach dem gewaltsamen Tod der zwölfjährigen Luise aus Freudenberg sehen Polizei und Staatsanwaltschaft sich veranlasst, gegen Falschmeldungen in die Offensive zu gehen. Weiterlesen

Ermittler: Zwei Mädchen erstachen zwölfjährige Luise

Koblenz/Freudenberg (dpa). Die zwölfjährige Luise aus Freudenberg bei Siegen in Nordrhein-Westfalen ist am vergangenen Wochenende laut den Ermittlungen von zwei Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren erstochen worden. Das teilte der Leitende Oberstaatsanwalt in Koblenz, Mario Mannweiler, bei einer Pressekonferenz mit.

Die mutmaßlichen Täterinnen hätten die Tat gestanden. Sie seien jetzt in einem «geschützten Bereich». Wegen ihres Alters seien sie strafunmündig aus Sicht der Justiz. Das heiße aber nicht, dass «jetzt nichts gemacht werde», betonte Mannweiler. «Wir legen diesen Fall jetzt in die Hände der Jugendbehörden.»

Hintergründe zu dem Fall und zu den Motiven der Tat nannte der Leitende Oberstaatsanwalt unter Hinweis auf die Persönlichkeitsrechte der minderjährigen Verdächtigen nicht.

Suche nach der Tatwaffe

Bei der Obduktion der Leiche in der Rechtsmedizin der Uniklinik Mainz seien zahlreiche Messerstiche festgestellt worden, teilten die Ermittler mit. Das Mädchen sei in der Folge verblutet. Die Tatwaffe oder die Tatwaffen würden weiter gesucht.

Das zwölfjährige Mädchen war am Sonntag tot in der Nähe eines Radweges auf rheinland-pfälzischem Gebiet unmittelbar an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen gefunden worden. Das Kind war am Samstag als vermisst gemeldet worden.

Oben-Ohne-Baden künftig auch für Frauen in Berlins Bädern

Von Marion van der Kraats, dpa

Berlin (dpa) – Verboten war es ohnehin nicht – aber nun sollte Oben-Ohne-Baden in Berlins Schwimmbädern für Frauen auch nicht mehr zum Problem werden. In einer internen Anweisung sei klargestellt worden, dass das Schwimmen «oben ohne» für alle Personen gleichermaßen erlaubt sei, teilte eine Sprecherin der Berliner Bäderbetriebe (BBB) am Donnerstag mit. Das Unternehmen werde die Haus- und Badeordnung künftig «geschlechtergerecht» anwenden, hatte zuvor die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung am Donnerstag mitgeteilt. Hintergrund ist laut Senatsverwaltung eine erfolgreiche Beschwerde bei der für das Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin (LADG) zuständige Ombudsstelle.

Eine Frau hatte sich demnach beschwert, weil sie nicht – wie Männer – «oben ohne» in einem Berliner Bad schwimmen durfte. Ein weiterer Fall in Berlin hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Wegen ihres nackten Oberkörpers wurde eine Frau im Sommer 2021 eines Wasserspielplatzes im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick verwiesen. Aus Sicht der Ombudsstelle stellte dies eine Diskriminierung dar. Eine Klage gegen das Land Berlin auf finanzielle Entschädigung dafür blieb jedoch erfolglos. Das Landgericht Berlin sah dafür im September 2022 keine Grundlage nach dem Antidiskriminierungsgesetz (Az. 26 O 80/22).

Badebekleidung für die primären Geschlechtsorgane

Nach Angaben von Klägeranwältin Leonie Thum wurde Berufung gegen das Urteil eingelegt. Ihre Mandantin hatte wenigstens 10.000 Euro vom Land Berlin verlangt. Auf Empfehlung der Ombudsstelle hatte der Wasserspielplatz allerdings seine Nutzungsordnung ergänzt. Danach gilt für alle Geschlechter, dass die Badebekleidung die primäre Geschlechtsorgane vollständig bedecken muss. Die weibliche Brust gilt als sekundäres Geschlechtsorgan.

Nun folgte die Klarstellung bei den Bäderbetrieben. Zwar mache die Haus- und Badeordnung seit Jahren keine geschlechtsspezifischen Vorschriften in Bezug auf die Badebekleidung, hieß es. «Allerdings wurde das von unseren Gästen und je nach Bad bislang zum Teil unterschiedlich ausgelegt und gehandhabt», so die Sprecherin.

Die Ombudsstelle begrüße die Klarstellung, teilte deren Leiterin Doris Liebscher mit. Die Entscheidung schaffe «gleiches Recht für alle Berliner*innen, ob männlich, weiblich oder nicht-binär». Zudem schaffe sie Rechtssicherheit für das Personal in den Bäderbetrieben. «Jetzt geht es darum, dass die Regelung konsequent angewendet wird und keine Platzverweise oder Hausverbote mehr ausgesprochen werden», betonte Liebscher.

Keine Selbstverständlichkeit

Oben-ohne-Baden ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit für Frauen. Einige Bäder hatten dies jedoch im Sommer 2022 erlaubt – etwa im niedersächsischen Göttingen oder in Siegen in Nordrhein-Westfalen.

Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur damals ergeben hatte, befürworten viele Erwachsene, Frauen das Oberteiltragen nicht unbedingt vorzuschreiben. 37 Prozent finden es demnach positiv, wenn etwa im Freibad der klare Dresscode – Frauen müssen Bikini oder Badeanzug tragen, Höschen reicht nicht – aufgehoben wird. Allerdings fanden bundesweit 28 Prozent das Oben-ohne-Baden von Frauen «nicht gut».

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Warnstreiks in Nahverkehr und bei Müllentsorgung NRW und Berlin

Dortmund/Berlin (dpa) – In Nordrhein-Westfalen und Berlin sind Beschäftigte von Bund und Kommunen erneut in Warnstreiks getreten. In NRW steht der öffentliche Nahverkehr in Dortmund seit dem Morgen still. Die rund 2100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom DSW21 hätten die Arbeit zum Dienstbeginn um 4.00 Uhr niedergelegt, sagte Frank Fligge, Pressesprecher des DSW21. Alle Busse und Bahnen seien im Depot geblieben. Der Streik dauere bis Dienstende um kurz nach Mitternacht.

Auch im Bereich der Müllentsorgung sind laut Verdi NRW verschiedene Warnstreiks in einer ganzen Reihe von Städten mit den Schwerpunkten Ruhrgebiet sowie Rheinland geplant. Am Morgen seien ab 5.00 Uhr unter anderem Beschäftigte der USB Bochum, der Best Bottrop und der Gelsendienste in Gelsenkirchen in Streik getreten, sagte Verdi-Sprecher Oliver Kolberg. Betroffen seien die Müllabfuhr und die Straßenreinigung. In Gelsenkirchen hätten darüber hinaus Beschäftigte der Sparkasse, der Stadtämter und des Musiktheaters ihre Arbeit niedergelegt. Weiterlesen

Kurze Winterrückkehr sorgt für viele Unfälle

Schnee sorgt in NRW für glatte Straßen, Verzögerungen im Berufsverkehr und zahlreiche Unfälle. In den kommenden Tagen wird es wieder wärmer und regnerisch.

Schneefälle haben weiten Teilen Nordrhein-Westfalens am Mittwoch zumindest vorübergehend eine weiße Decke über der Landschaft beschert, aber auch für Unfälle gesorgt. Einzelne Kreispolizeibehörden meldeten unzählige Unfälle. Oft blieb es bei Blechschäden, es gab aber auch Verletzte. So wurde ein Zwölfjähriger in Gummersbach von einem Lastwagen erfasst und schwer verletzt.

Am Mittwoch gab es laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) kräftigen Schneefall, nur im Norden von NRW fiel wenig Schnee. Bereits am Nachmittag sollte der Niederschlag in allen Region außer dem Sauerland in Regen übergehen. In höheren Lagen erwartete der DWD bis zu 20 Zentimeter Neuschnee. Weiterlesen

Muss ich das haben? – Wenn Deinfluencer vom Kaufen abraten

Von Anna Eube

Berlin (dpa) – Sie hat jedes Mal Angst, bevor sie ihren Kontostand sieht: Die Influencerin Michelle Skidelsky sagt von sich selbst, sie kaufe vieles, was sie gar nicht brauche. Warum sie das tut? Weil die Produkte bei Tiktok empfohlen wurden. So ergeht es vielen vor allem jungen Menschen, die diese und andere Social-Media-Angebote wie Instagram regelmäßig nutzen. Im Warenkorb landet, was gehypt wird – so oft in den Himmel gelobt, bis man überzeugt ist, genau dieses Produkt könnte das Leben ein kleines bisschen besser machen.

Mit dieser Annahme wollen sogenannte Deinfluencer aufräumen. Ihre Mission begreifen sie als Antithese zum klassischen Influencertum: Sie machen keine Werbung, sondern raten klar davon ab, Geld für bestimmte Kosmetik, Kleidungsstücke oder Technik auszugeben, die es in ihren Augen nicht wert sind.

Die Videos mit dem Hashtag #deinfluencing werden stetig populärer, insbesondere auf Tiktok. 264 Millionen Mal wurden sie bis Ende Februar aufgerufen – allein innerhalb der letzten Februarwoche knapp 65 Millionen Mal. Oft kommen die Clips aus dem englischsprachigen Raum, einige deutsche sind mittlerweile auch zu finden.

Vita Wirt, die im Internet genauso heißt, hat den Hashtag hierzulande als eine der ersten verwendet. Zwei Contouring-Produkte einer Luxus-Beautymarke, mit denen man sich schmeichelhafte Schatten ins Gesicht zaubern können soll, sind Wirts Meinung nach zum Beispiel überteuert. «Eins kostet 40 Euro, das muss man sich nicht unbedingt kaufen – vor allem dann nicht, wenn man noch jung ist und nur ein Taschengeld bekommt», sagte die 27-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Werbung muss als Anzeige gekennzeichnet werden

Ihr Beitrag über die Kosmetik wurde bis Ende Februar knapp 55.000 Mal angesehen. Für die Frau aus Erfstadt (Nordrhein-Westfalen) ist das ein Hobby. Sie erhalte dafür bislang weder Zuwendungen von Marken noch werde sie bezahlt, betont sie. So unabhängig agieren Influencer, die Social Media zu ihrem Job gemacht haben, nicht. Regelmäßig gehen sie Kooperationen mit Marken ein und bewerben deren Produkte gegen Bezahlung. Solche Videos müssen als Anzeige gekennzeichnet sein.

Viele Fans oder auch Follower akzeptieren den Deal: Sie lassen sich von den Einblicken in den Alltag ihrer Lieblingsinfluencer unterhalten und schalten im Gegenzug bei bezahlten Empfehlungen nicht ab. Doch obgleich die Werbung vielfach zieht, können die wohlwollenden Hinweise auf Produkte als unehrlich wahrgenommen werden – die große Krux in dem Geschäft, das sich darum dreht, möglichst authentisch zu wirken.

Zudem würden Tiktok- und Instagram-Konsumenten «täglich von Produktempfehlungen überschwemmt» und «stumpfen regelrecht ab», erklärt die Social-Media-Marketing-Expertin Ann-Katrin Schmitz, die mit ihrem Team etwa Unternehmen und Medienhäuser berät. Sie sieht im Deinfluencing einen wichtigen Trend, der bleiben werde: «Gute Influencer haben schon immer ehrliche Empfehlungen abseits ihrer Werbekooperationen ausgesprochen. Da liegt es nur nahe, genauso auszusprechen, wenn Marken oder Produkte nicht halten, was sie versprechen. Viele haben verstanden, dass Authentizität und eine loyale Community langfristig mehr für ihr Business tun als möglichst viel Werbung.»

Anti-Empfehlungen zugleich ein Risiko

Doch gerade für gewerbsmäßige Influencer seien Anti-Empfehlungen zugleich ein Risiko. «Kritik an Marken kann Werbepartner abschrecken», sagt Schmitz. Auch Vita Wirt meint, dass Deinfluencing für kleinere, nur zum Spaß betriebene Profile wie ihres leichter sei: «Ich kann freier meine ehrliche Meinung über Produkte sagen.» Mit Betonung auf Meinung. Denn wie beim klassischen Influencen gilt beim Deinfluencen, dass ein Einzelner etwas als gut oder unbrauchbar beurteilt – und andere Menschen es naturgemäß ganz anders sehen können.

Ein Beispiel dafür ist ein knapp 550 Euro teurer Föhn, der das Haar mit verschiedenen Aufsätzen in Form bringen soll. In vielen Deinfluencing-Videos wird das Gerät als überteuertes Heißluftgebläse verrissen. Andere Nutzer verteidigen es aber als Produkt, das Wunder auf dem Kopf vollbringe.

Ob der Föhn nun funktioniert oder nicht, als vergleichsweise teuer würden ihn die meisten wohl durchaus einordnen. So ist es mit den meisten Produkten, um die bei Social Media ein Hype entsteht. Ein Lippenöl für rund 40 Euro kann sich nicht jeder Tiktok- oder Instagram-Zuschauer leisten.

Worum geht es beim Deinfluencing genau?

Für Hobby-Influencerin Wirt ist Deinfluencing unter anderem deshalb so aktuell und populär, «weil die Leute durch die Inflation weniger Geld zur Verfügung haben und mehr darauf achten, wofür sie es ausgeben». Hinzu komme ein zunehmendes Konsumbewusstsein durch den Klimawandel, das immer mehr Menschen hinterfragen lasse, was und wie viel sie tatsächlich brauchen.

Geht es beim Deinfluencing also vordergründig darum, Verbraucher besser zu informieren und Kritik an überflüssigem Konsum zu üben? Oder ist es lediglich eine kluge Strategie, um auf Umwegen doch wieder zu werben – indem Influencer direkt eine angeblich bessere Alternative zu jenem Produkt empfehlen, von dem sie abraten? Das sei zwar möglich, sagte Marketing-Expertin Schmitz dazu. «Mir sind in der Branche allerdings keine Fälle bekannt, bei denen sich Influencer und Marken absprechen, um diesen Effekt zu nutzen. Nicht hinter jedem Influencing oder Deinfluencing steckt eine Strategie, nicht alles ist gekauft oder geskriptet.»

Sie lasse sich übrigens regelmäßig selbst deinfluencen, sagt Schmitz: «Leon von @xskincare spricht brutal ehrlich über Gesichtspflege, egal in welchem Preissegment. Damit hat er nicht nur mein Vertrauen bekommen, sondern mittlerweile auch das von 852.000 Fans auf Instagram.»

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Blinder Jurist erster Vorsitzender Richter am Landgericht

Von Carsten Linnhoff und Dieter Menne, dpa

Ulrich Badde ist blind. In Nordrhein-Westfalen ist er einer der ersten Juristen, der als Vorsitzender Richter an einem Landgericht eine Kammer leitet. Beim Aktenstudium bekommt er Hilfe, auch bei der Fahrt in die Psychiatrie.

Wie soll sich ein blinder Richter die Akte eines psychisch Kranken anschauen? Für das Prüfen einer Akte gibt es viele Hilfsmittel. Für den betroffenen Patienten aber war die Vorstellung geradezu absurd. Ulrich Badde ist einer der ersten Vorsitzenden Richter an einem Landgericht in Nordrhein-Westfalen, der als Blinder diesen Karriereschritt an die Spitze einer Kammer geschafft hat. Über das Erlebnis in der Psychiatrie kann er heute schmunzeln. Und einen sehenden Kollegen schicken.

Badde kann sich den Wortlaut vom Computer vorlesen lassen. Auch hat der Jurist eine Assistentin, die ihm beim Studium der Akte durch den Wust von Anwaltsschreiben und Urteilen aus der ersten Instanz hilft. Dafür braucht der Richter im Landgericht Münster seine Augen nicht.

Für den Patienten in einer Psychiatrie war dieser Gedanke allerdings unvorstellbar. Ein normaler Unterbringungsfall, psychotisch, selbstgefährdend, erzählt Badde im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Der Besuch vom Landgericht war dem Mann zuvor angekündigt worden. «Ich musste hin und fahre raus. Am Arm meine Assistentin. Bin noch nicht ganz im Zimmer, da schreit der Patient: Ihr müsst doch was im Kopp haben, der kann doch nicht mal alleine laufen! Wie liest Du denn eine Akte? Du?», erzählt Badde.

Der Patient litt an Konkretismus. «Vergleichbar mit dem Asperger-Syndrom. Diese Menschen können nicht im übertragenen Sinne denken. Vor der Anhörung wurde ihm gesagt, der Richter will Sie noch einmal sehen, will sich ein Bild von Ihnen machen. Interessant, wie unsere Sprache auf das Sehen abgestimmt ist. Für den Patienten aber war klar, dass ich ihn nicht sehen konnte. Und ich sollte über ihn entscheiden?»

Fälle wie in der Psychiatrie sind aber nicht der Alltag. «Bei den psychisch Kranken habe ich oft das Gefühl, dass mein Blindsein nicht schädlich ist. Ich bilde mir ein, dass das Vertrauen aufbaut. Es ist mir vertraut, etwas anders zu sein.» «Meine Kammer ist zuständig für Beschwerden gegen Beschlüsse der Amtsgerichte, also in der zweiten Instanz. Was die Rechtsgebiete angeht, ist das ein totaler Gemischtwarenladen, der Alptraum für neue Kollegen», sagt Badde. Dabei geht es um Unterbringungen von psychisch Kranken, um Insolvenzverfahren oder die Entscheidung über Betreuervergütungen.

Beim Aktenstudium oder dem Schreiben von Entscheidungen bekommt der Vorsitzende Richter Hilfe. Zum Beispiel von Stephanie Connor. Die Justizbeschäftigte bildet mit ihrem Chef ein eingespieltes Team. Sie teilt sich die Assistenz mit zwei weiteren Kolleginnen. Und nicht nur dann, wenn Badde in eine Klinik fahren muss. «Ich habe damit jeden Tag jemanden zur Verfügung, der mich unterstützt.»

Die Umstellung an den Gerichten in NRW auf digitale Aktenführung spielt dem Juristen bei der täglichen Arbeit in die Karten, ist aber noch im Umbruch. Das Landgericht in Münster hat im Oktober 2021 auf die E-Akte umgestellt. Die Amtsgerichte fangen zum Teil jetzt erst an.

Aus der Papierakte muss die Assistenz Badde klassisch vorlesen. «Ich mache mir dabei meine Notizen für das, was ich glaube zu brauchen. Ab und zu schaue ich später nochmals mit der Assistenz rein, wenn es neue Aspekte, neue Blickwinkel gibt.»

Für Badde ist klar, dass er auch weiterhin Hilfe benötigt, auch wenn die E-Akte komplett eingeführt ist. Neu sei, dass die Assistenz dabei hilft, die Dokumente fertig zu machen, sie in die richtige Form zu bringen. Klassischer Fall Durchsuchungen: «Da bekommen sie locker zehn Akten. Das ist kein Jura am Hochreck. Da müssen sie schauen, das schnell zu erfassen. Da ist es mit Vorlesen nicht getan. Da hilft es extrem, wenn die Assistentin weiß, was brauche ich, wo finde ich was?»

Badde schreibt seine Texte selbst, arbeitet nicht mit einem Diktiergerät. Die Spracherkennung überzeugt ihn noch nicht. Wenn aus der Begutachtung eine Schlachtung wird, wie einem Kollegen passiert, «dann tippe ich lieber selber».

Der Richter ist seit seinem zweiten Lebensjahr blind. Die Entscheidung für den Job des Juristen fiel kurz vor dem Abitur. Eigentlich wollte er Journalist werden. Auf der Suche nach einem für eine Journalistenschule vorgeschriebenen Praktikumsplatz gibt ihm ein Redaktionsleiter im Bewerbungsgespräch den wertvollen Rat: Eignen sie sich ein fundiertes Fachwissen über ein Studium an. «Suchen Sie sich was aus, woran Sie Spaß haben.» Da war ich frustriert. Da musste ich alles neu überlegen. Da bin ich auf Jura gekommen. Das Thema Blindheit war in dem Gespräch zum Praktikum nur am Rande ein Thema. «Wir könnten das möglich machen, aber ich halte das nicht für sinnvoll.»

Baddes Vater hat ebenfalls Jura studiert. «Für mich war klar, dass Jura vom Aufbau her ein Studium ist, was sie als Blinder ohne große Probleme machen können.» Chemie mit Laborarbeit – da wäre der Hindernisparcours wohl größer geworden, vermutet der Jurist, der seine zwei Examen mit Prädikat abgelegt hat.

Die Uni Münster sei gut vorbereitet gewesen. «Ich war bei Weitem nicht der erste blinde Jura-Student. Es gab vom Fachbereich eine Stelle mit einer Hilfskraft zur Unterstützung von Blinden. Später wurde das ausgebaut für Schwerbehinderte. Ich habe im Wohnheim mit einer Rollstuhlfahrerin gewohnt.»

Der 45-Jährige will die Gesellschaft ermuntern, die Unsicherheit ihm gegenüber abzulegen und zum Beispiel Fragen zu stellen wie Kinder es tun. «Kinder sind im positiven Sinne schmerzbefreit», sagt der Jurist. Er freut sich, wenn die Menschen die Scheu gegenüber Blinden verlieren und Unsicherheiten zugeben.

Anwalt zu werden konnte er sich nicht vorstellen. Als Blinder Mandanten für sich zu gewinnen, das Risiko wollte er nicht eingehen. Badde zog es in den Staatsdienst oder in ein Unternehmen. In Mainz machte er einen Zusatzstudiengang Medienrecht. Über eine Bewerbung beim Oberlandesgericht in Hamm landet Badde dann in Münster. Gab es Anlaufprobleme? «Die Zusammenarbeit war immer gut. Jeder Richter hat das Gefühl, jetzt habe ich lange studiert und ein Referendariat gemacht, warum kann ich eigentlich gar nix? Das hat bei mir vielleicht etwas länger angehalten als bei den sehenden Kollegen.»

Von Anfang an hatte er eine Assistentin. «Ein blinder Kollege hatte aufgehört als ich kam. Er war auch Richter im Strafvollstreckungsbereich.» Vollständig blinde Kollegen gibt es nach seinen Informationen drei in NRW. «Und einen sehbehinderten Kollegen. Der blinde Richter ist nicht die absolute Ausnahme», sagt der Jurist.

Claudia Middendorf (CDU) ist die Behindertenbeauftragte der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. «Beim Thema inklusiver Arbeitsmarkt sind wir bedauerlicherweise noch nicht so weit, wie ich es mir als Landesbehinderten- und -patientenbeauftragte wünschen würde, wenngleich die Zahl der Beschäftigten mit Behinderungen zunimmt», sagt Middendorf der dpa. Die Anzahl der Arbeitsplätze für blinde und sehbehinderte Menschen sei ausbaufähig.

Beim Landgericht in Münster fühlte sich Badde stets gut unterstützt. «Das kann ich dieser Behörde attestieren. Geglaubt an mich haben sie hier immer. Wenn Du das möchtest, probieren wir das, war immer die Aussage.»

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Massive Warnstreiks in Kitas: Verdi droht mit Eskalation

Berlin (dpa) – Die aktuellen Warnstreiks im öffentlichen Dienst betreffen heute schwerpunktmäßig Kindertagesstätten und soziale Einrichtungen. In vielen Städten Deutschlands waren Ausstände angekündigt, die Einschränkungen bei der Kinderbetreuung zur Folge haben.

Die Warnstreiks begannen am Morgen etwa an kommunalen Kitas in Nordrhein-Westfalen, wie Verdi-Sekretär Tjark Sauer bestätigte. In Bayern öffneten viele Kindertagesstätten nach Angaben eines Gewerkschaftssprechers nicht. Verdi will mit den Warnstreiks den Druck auf die Arbeitgeber der Kommunen und des Bundes erhöhen.

Weibliche Beschäftigte im Fokus

Zum Internationalen Frauentag sind vor allem die überwiegend weiblichen Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten zu Warnstreiks aufgerufen. Es waren mancherorts aber auch Aktionen in anderen Bereichen geplant – in Bayern teilweise etwa in Kliniken. Der Schwerpunkt liegt aber auch im Freistaat auf Kitas, unter anderem in München und Umgebung, Augsburg, Kempten, Ingolstadt, Schweinfurt und Oberfranken. Weiterlesen

Durchsuchungen bei Immobilienriese Vonovia

Bochum (dpa) – Razzia bei Deutschlands größtem Immobilienkonzern: Wegen Korruptionsverdachts haben die Staatsanwaltschaft Bochum und das Landeskriminalamt NRW Büros des Bochumer Unternehmens Vonovia durchsucht. Das bestätigt heute eine Unternehmenssprecherin.

Gegen mehrere Mitarbeitende des Konzerns und andere Beteiligte werde wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung, der Untreue und des Betruges ermittelt, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. Geschädigt worden sei neben dem Bochumer Wohnungsriesen auch noch ein in Süddeutschland ansässiger Wettbewerber. Zuvor hatten der «Westdeutsche Rundfunk» und die «Süddeutsche Zeitung» darüber berichtet. Weiterlesen

Streik: Kaum Zugverkehr zwischen Frankreich und Deutschland

Paris (dpa) – Wegen der Streiks gegen die geplante Rentenreform in Frankreich fallen auch morgen praktisch alle Fernzüge nach Deutschland aus. Auf der Verbindung über Kaiserslautern und Saarbrücken entfallen alle Verbindungen von und nach Paris, teilt die Deutsche Bahn mit.

Es pendelt lediglich ein TGV-Paar von Mannheim über Karlsruhe und Straßburg nach Paris sowie ein TGV-Paar von Stuttgart über Karlsruhe und Straßburg in die französische Hauptstadt. Außerdem pendelt das TGV-Paar zwischen Freiburg, Offenburg, Straßburg und Paris. Weiterlesen

Herkunft von über 2000 Ausreisepflichtigen in Berlin unklar

Berlin (dpa) – In Berlin ist bei fast jedem zehnten Ausreisepflichtigen mit abgelehntem Asylantrag das Herkunftsland unbekannt. Ein vergleichbar hoher Anteil von ausreisepflichtigen Menschen mit ungeklärter Herkunft findet sich in keinem anderen Bundesland, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Den Angaben zufolge stammen knapp 18 Prozent der insgesamt rund 21 654 Ausreisepflichtigen in der Hauptstadt aus Moldau. Die mit Wohnsitz Berlin im Ausländerzentralregister erfassten 2020 Menschen mit ungeklärter Identität bilden mit rund 9,3 Prozent die zweitgrößte Gruppe, gefolgt von Menschen aus dem Irak, sowie Ausreisepflichtigen aus der Russischen Föderation und aus Georgien.

Das Bundesinnenministerium hatte 2021 gegenüber dem Berliner Innensenat die Vermutung geäußert, die hohe Zahl der Asylantragsteller aus Moldau könne mit der damals gängigen Praxis der Auszahlung von Sozialleistungen für mehrere Monate im Voraus in Berlin zusammenhängen. Weiterlesen

Ermittler enttarnen internationales Hacker-Netzwerk

Von Frank Christiansen, dpa

Düsseldorf (dpa) – Als «Double-Spider» sorgte die Hacker-Gruppe für Angst und Schrecken, nun soll sie Ermittlern aus Nordrhein-Westfalen ins Netz gegangen sein. Diese haben nach eigenen Angaben die mutmaßlichen Drahtzieher des internationalen Netzwerks von Cyber-Kriminellen identifiziert, die für spektakuläre Hackerangriffe weltweit verantwortlich sein sollen.

Gegen drei Verdächtige seien Haftbefehle erlassen worden, gegen acht weitere werde ermittelt, berichteten Ermittler von Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft am Montag in Düsseldorf. Europol und FBI seien in die Ermittlungen einbezogen gewesen.

Mehr als 600 Angriffe auf Institutionen weltweit

Den Verdächtigen werden unter anderem der Angriff auf das Uni-Klinikum Düsseldorf, die Funke-Mediengruppe und den Landkreis Anhalt-Bitterfeld angelastet, der deswegen den Katastrophenfall ausgerufen hatte.

Einer der Verdächtigen, ein 41-jähriger Russe, werde auch vom FBI gesucht, das fünf Millionen US-Dollar Belohnung auf ihn ausgesetzt habe. Der Gruppe werden mehr als 600 Angriffe auf Institutionen weltweit angelastet, bei denen erheblicher Schaden entstanden sei.

Die kriminelle Gruppierung namens «Double-Spider» oder «Grief» (Kummer) habe Bezüge nach Russland, es gebe aber keine Hinweise auf staatliche Akteure hinter den Machenschaften. Den Verdächtigen sei es um Lösegeld in Millionenhöhe gegangen.

Die drei Verdächtigen Igor T., Irina Z. und Igor G. werden nun weltweit gesucht. Sie stünden jetzt auf der Europol-Fahndungliste «Europe’s most wanted». Wo sich das Trio aktuell aufhalte, sei unklar. «Die Angriffe auf die kritische Infrastruktur sind ein Spiel auf Leben und Tod», sagte ein Europol-Sprecher in Düsseldorf.

«Solche Cyber-Verbrecher machen auch vor Unikliniken nicht halt», sagte LKA-Chef Ingo Wünsch. «Die Firmen müssen ihre digitalen Tore sichern.» So bestand im Fall des Düsseldorfer Uni-Klinikums der Verdacht, die Hacker könnten für den Tod eines Patienten verantwortlich sein. Dies hatte sich letztlich aber nicht bestätigt.

Trotz des Krieges habe die Polizei in der Ukraine die Ermittlungen tatkräftig unterstützt, berichteten die Ermittler. In Deutschland habe die Gruppe mindestens 37 Institutionen angegriffen und geschädigt. Von einer Dunkelziffer sei auszugehen, weil es immer noch Unternehmen gebe, die Lösegeld zahlten, ohne die Polizei einzuschalten.

Es gab Headhunter für Hacker

2021 seien in Nordrhein-Westfalen die internationalen Ermittlungen gegen die Gruppe übernommen worden. Dabei sei eine Schattenökonomie ans Licht gekommen.

So gebe es Stellen-Ausschreibungen und Headhunter für Hacker. Sogenannte Access-Broker handelten mit unsicheren Stellen in Firmen-Netzwerken. Hacker-Angriffe würden auch als kriminelle Dienste an Dritte vermittelt. Das Ganze werde über Geldwäsche-Netzwerke mit Kryptowährungen abgewickelt.

Neben den drei genannten Verdächtigen werde noch gegen acht weitere im Alter von 38 bis 40 Jahren aus Deutschland, Russland, Moldawien und der Ukraine ermittelt. 13 EU-Länder seien betroffen. Gesucht werden sie wegen besonders schwerer Erpressung und Computer-Sabotage.

Es sei nun gelungen, konkreten Personen konkrete Taten nachzuweisen, sagte Oberstaatsanwalt Markus Hartmann. Dafür seien die digitalen Spuren so verdichtet worden, dass es für Haftbefehle gereicht habe. «Der Begriff Hacker-Angriff ist eigentlich eine Verharmlosung des Geschehens.» Man habe es mit strukturierter Organisierter Kriminalität zu tun.

Die internationale Fahndung werde es den Verdächtigen nun erschweren, ihr Geld etwa in Paris, London oder Mailand auszugeben. Die Verdächtigen hätten Software bekannter Hackergruppen wie der Evil Group oder Dridex weiterentwickelt und damit selbst Unternehmen angegriffen, berichtete LKA-Ermittler Dirk Kunze. «Double-Spider», wörtlich übersetzt Doppel-Spinne, ist der englische Begriff für die Kurbelgarnitur als Teil des Tretwerks am Fahrrad.

Eine der Vorläufergruppen soll für den Angriff auf das nationale britische Gesundheitssystem verantwortlich sein. Für den Fall habe die NRW-Ermittlungsgruppe «Parker» fast 100 Rechtshilfeersuchen gestellt, darunter auch an Russland. Sie hofft nun auf Hinweise zum Aufenthalt der Verdächtigen.

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Fahrermangel führt zu Ausfällen bei Bussen und Bahnen

Von Fabian Nitschmann, dpa

Berlin (dpa) – Heute kein Bus wegen Personalmangels – das droht in Zukunft immer häufiger. Denn die Nahverkehrsunternehmen in Deutschland haben große Probleme, genügend Bus- und Bahnfahrer zu finden.

Mindestens die Hälfte der Unternehmen hat im vergangenen Jahr ihren Betrieb aufgrund von Personalmangel zeitweise eingeschränkt – zu diesem Ergebnis kommt eine Branchenumfrage des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

«Vielleicht waren es sogar noch mehr», sagt Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses und zugleich Arbeitsdirektor bei den Dortmunder Stadtwerken. «Ich kenne jedenfalls fast niemanden in der Branche, der nicht zum Beispiel mal zeitweise eine Linie einstellen musste.»

«Branche latent von Personalabbau betroffen»

77 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie im Fahrdienst bis 2030 mit einem höheren Personalbedarf rechnen. Gleichzeitig werden sie der Umfrage zufolge in genau diesem Bereich bis 2030 die meisten Abgänge verzeichnen. Rund 50 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Unternehmen arbeiten im Fahrdienst.

«Unsere Branche war in der Vergangenheit immer latent von Personalabbau betroffen, weil die Finanzierung oft eng war», erklärt Kraus. «Jetzt steht die Finanzierung, weil der Nahverkehr immer wichtiger wird – aber die Mitarbeitenden fehlen.»

Die befragten Verkehrsunternehmen gehen davon aus, dass sie die Zahl ihrer Beschäftigten bis 2030 für den Ausbau des Bus- und Bahnangebotes um rund 20 Prozent erhöhen müssen – der VDV rechnet letztlich sogar mit einem höheren Wert. Für 48 Prozent der Unternehmen ist die Besetzung offener Stellen im Fahrdienst derzeit die größte Herausforderung, dahinter folgt das gewerblich-technische Personal.

Dabei sei die Konkurrenz groß, meint Kraus: «Wir konkurrieren inzwischen mit Unternehmen wie Flaschenpost und Amazon, mit denen wir uns bei den Arbeitsbedingungen eigentlich nicht vergleichen lassen wollen.» Im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen erhielten Berufseinsteiger im Fahrdienst 15,60 Euro die Stunde, also 3,60 Euro mehr als den Mindestlohn.

«Bei Flaschenpost haben Sie sonntags frei – aber dass Sie mit den Getränkekisten auch in den sechsten Stock müssen, wird dann vergessen», sagt Kraus.

Tarifverhandlungen stocken

Inwieweit sich die Gehälter in der Branche in Kürze verändern werden, hängt vom weiteren Ablauf zahlreicher Tarifverhandlungen ab. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert in den Gesprächen mit der Deutschen Bahn und 50 weiteren Unternehmen mindestens 650 Euro monatlich mehr Geld für die Beschäftigten und zudem einige strukturelle Anpassungen im Tarifsystem. Der Verhandlungsauftakt mit der DB endete vergangene Woche nach nur zwei Stunden – die Vorstellungen beider Seiten liegen sehr weit auseinander.

In anderen Verkehrsunternehmen wird derweil der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes angewandt, über den derzeit auch verhandelt wird. Aber auch in diesem Tarifstreit geht es kaum voran – entsprechend wurde vergangenen Freitag bundesweit in zahlreichen Städten der Nahverkehr bestreikt.

Neben dem VDV, der vor allem öffentliche Verkehrsunternehmen vertritt, informierte sich kürzlich auch der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) genauer bei seinen Mitgliedern, wie es um den Fachkräftemangel steht. 87.000 Busfahrer fehlen dieser Unternehmensumfrage zufolge bis 2030. Aktuell liege der Bedarf bei 7800 Leuten, teilte der BDO mit, in dem viele auch kleinere, private Busunternehmen verbunden sind, Mitte Februar mit.

Ausbildungszeit mit einberechnen

Selbst wenn sich jetzt Tausende Menschen sofort zum Fahrdienst melden würden – das Problem wäre erst in einigen Monaten gelöst. Bei den Stadtwerken Dortmund zum Beispiel dauert es Kraus zufolge etwa acht Monate ab dem ersten Arbeitstag, ehe ein neuer Mitarbeiter ohne Bus-Führerschein mit Fahrgästen durch die Stadt fahren kann. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist der Zeitraum ähnlich lang.

Das Unternehmen bildet Busfahrer in einer eigenen Akademie in Berlin-Wedding aus, und Fahrschulleiter Tobias Kutta gibt ein klares Motto aus: «Sicherheit geht vor Fahrzeit». 28 Tage Theorie, 28 Tage Fahrpraxis, anschließend noch Strecken- und Tarifschulung, auch der Umgang mit schwierigen Alltagssituationen muss gelernt werden.

«Der Omnibusfahrer ist bei uns eigentlich ein Filialleiter», sagt Kutta, der selbst viele Jahre als Busfahrer für die BVG unterwegs war. «Der fährt, macht Beratung, verkauft Tickets, ein bisschen Buchhaltung. Er ist für die Sicherheit zuständig und auch fürs Notfall-Management.»

Ihm hat der Job auf der Straße offensichtlich stets gefallen, er schwärmt regelrecht. Aber er sagt auch: «Für diese Tätigkeit muss man sich berufen fühlen, da muss man ein Herz für haben.»

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