Neue Proteste in mehreren iranischen Städten

Teheran (dpa) – Im Iran haben erneut zahlreiche Menschen gegen die politische und geistliche Führung demonstriert. Proteste gab es nach Berichten von Augenzeugen am Donnerstagabend unter anderem in der Hauptstadt Teheran, der Millionenstadt Maschhad im Nordosten sowie den Kurdengebieten.

Aktivisten hatten nach der traditionellen Trauer von 40 Tagen um zwei hingerichtete Demonstranten zu neuen Protesten aufgerufen. Auslöser der jüngsten Protestwelle in der Islamischen Republik war der Tod einer iranischen Kurdin vor fünf Monaten.

Augenzeugen berichteten über heftige Proteste in den kurdischen Städten Sanandadsch und Ghorweh, wo Demonstranten Barrikaden errichteten und Mülltonnen in Brand steckten. Sicherheitskräfte reagierten demnach mit Warnschüssen. Mehrere Jugendliche sollen in Polizeiautos gezerrt worden sein. Weiterlesen

Afghanische Frauen fordern mehr Einsatz für ihre Rechte

Genf (dpa) – Die Unterdrückung von Frauen und Mädchen in Afghanistan droht nach Befürchtung von Aktivistinnen in Vergessenheit zu geraten. Die internationale Gemeinschaft müsse mehr tun, verlangten sie auf einer Geberkonferenz zur Finanzierung von Schulprogrammen für Kinder in Notsituationen. «Sonst geraten die Mädchen bald in Vergessenheit», sagte Friedensnobelpreisträgerin und Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai aus Pakistan in einer Videobotschaft. «Nur reden und nichts tun, reicht nicht aus», sagte die 20-jährige Somaya Faruqi, Kapitänin des afghanischen Robotik-Frauenteams, am Donnerstag in Genf.

Faruqi konnte Afghanistan nach der Machtübernahme der islamistischen Taliban im Sommer 2021 verlassen. Die Taliban grenzen Mädchen und Frauen immer weiter vom gesellschaftlichen Leben aus. Sie dürfen keine weiterführenden Schulen mehr besuchen und dürfen sich nicht mehr zu Aufnahmeprüfungen an Universitäten anmelden. Weiterlesen

Schlecht verhandelt? Frau pocht auf gleiche Bezahlung

Von Simone Rothe, dpa

Erfurt (dpa) – Ihr wurden 3500 Euro monatlich in der Einarbeitungszeit angeboten – die Frau sagte Ja. Doch bald kamen ihr Zweifel und der Verdacht, dass ihr Kollege, der zwei Monate früher eingestellt wurde und den gleichen Vertriebsjob macht, deutlich mehr verdient. Am Donnerstag beschäftigen sich die höchsten deutschen Arbeitsrichter in Erfurt mit dem Fall. Manche erhoffen sich ein Grundsatzurteil zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern.

Der Fall

Pech gehabt, wurde der Frau beschieden, als sie von der sächsischen Metallfirma in der Nähe von Dresden die gleiche Bezahlung wie ihr kurz zuvor eingestellter männlicher Kollege verlangte. Immerhin betrug der Unterschied beim Grundgehalt in der Probezeit stattliche 1000 Euro monatlich, später nach Einführung eines Tarifvertrags immer noch etwa 500 Euro – bei gleichen Verantwortlichkeiten und Befugnissen, sagt die Klägerin.

Schlecht verhandelt

Ihr Arbeitgeber begründete den großen Gehaltsunterschied damit, dass sie bei ihrer Einstellung schlechter verhandelt habe als ihr männlicher Kollege. Beiden sei zunächst das gleiche Gehaltsangebot gemacht worden. Der Arbeitgeber berief sich bei der unterschiedlichen Bezahlung auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit – und hatte damit Erfolg beim Arbeits- und Landesarbeitsgericht in Sachsen.

Die Klage

Verhandelt wird vom Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wegen Entgeltdiskriminierung. Die Frau, die von 2017 bis 2019 bei der Metallfirma gearbeitet hat, sieht sich wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Das Gericht solle prüfen, ob es sich um einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz handele.

Sie verlangt eine Nachzahlung von 14.500 Euro und eine angemessene Entschädigung für die erlittene Diskriminierung. Unterstützt wurde sie auf ihrem Weg durch die Gerichtsinstanzen von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Nur wenige Frauen würden diesen langwierigen Weg gehen, heißt es bei der Gesellschaft, aber auch bei Gewerkschafterinnen.

Worum es geht

Geprüft wird nach Angaben einer BAG-Sprecherin, ob es möglicherweise objektive, geschlechtsneutrale Gründe für eine geringere Bezahlung gab und ob sich der Arbeitgeber darauf zurückziehen kann, dass der Klägerin ja das gleiche Grundgehalt angeboten wurde wie ihrem Kollegen. «Kann Verhandlungsgeschick den Ausschlag für Verdienstunterschiede geben», fragt Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte.

Die Situation in Deutschland

Noch ist die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern keine Seltenheit in Deutschland – der geschlechterspezifische Verdienstabstand lag laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr bei 18 Prozent. Frauen erhielten demnach 2022 mit durchschnittlich 20,05 Euro einen um 4,31 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer mit 24,36 Euro. Knapp zwei Drittel der Lohnlücke erklärt das Statistikamt mit höheren Teilzeitquoten und geringeren Gehältern in frauentypischen Berufen. Es bleibt eine bereinigte Lücke von rund 7 Prozent des Brutto-Stundenlohns ohne eindeutige Erklärung.

2006 hatte der Abstand noch 23 Prozent betragen. In Ostdeutschland, wo der Fall spielt, ist die Lohnlücke kleiner als in Westdeutschland: 7 Prozent, im Westen 19 Prozent.

Gesetz hilft wenig

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack bezeichnet das Entgelttransparenzgesetz, das seit 2017 für mehr Gleichheit sorgen soll, als zahnloser Tiger. «Die Hürden für Gehaltsauskünfte sind zu hoch und es sind keine Sanktionen vorgesehen», sagte Hannack der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. «Der Benachteiligung von Frauen in Deutschland sind noch immer Tür und Tor geöffnet.» Ähnlich sieht es Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. «Das Gesetz ist zu schwach, um Frauen zu schützen.»

Nach dem Transparenzgesetz bestünden Auskunftsrechte zum Gehalt nur in Unternehmen ab 200 Beschäftigten. Sie, aber auch Lincoln setzen auf eine neue Richtlinie der EU voraussichtlich im Sommer, die mehr Transparenz bei der Bezahlung von Frauen auch in Deutschland schaffen könnte. Das würde zwar die gesellschaftlichen Probleme bei der Benachteiligung von Frauen nicht lösen, aber betriebliche Ursachen für eine Ungleichbehandlung bei der Bezahlung verringern, so Hannack.

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Mainzer Bischof könnte sich gut eine Bischöfin vorstellen

Mainz (dpa/lrs) – Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat sich aufgeschlossen für die Berufung einer Bischöfin gezeigt – dies aber mit einem großen Wenn verbunden. In einem Doppelinterview von «Christ & Welt», einer Beilage der Wochenzeitschrift «Zeit», mit der katholischen Theologin Dorothea Sattler sagte Kohlgraf: «Ich könnte mir eine Bischöfin Sattler ganz hervorragend vorstellen, wenn das weltkirchlich gut geregelt wäre» – also vom Vatikan für die gesamte katholische Kirche. Bisher ist die Priester- und Bischofsweihe ausschließlich Männern vorbehalten. Weiterlesen

«Das Böse getroffen» – Londoner Polizist als Vergewaltiger angeklagt

Von Benedikt von Imhoff, dpa

London (dpa) – Einige Frauen sperrte er nackt in ein winziges Kabuff, auf manche urinierte er – und immer wieder vergewaltigte er seine Opfer. Für diese Taten, die er vor Gericht eingeräumt hat, wird ein Londoner Polizist heute wahrscheinlich zu mehreren Jahrzehnten hinter Gittern verurteilt. Die Misshandelten sind schwer traumatisiert, doch im Prozess wollten sie sich Gehör verschaffen. «In dieser Nacht spürte ich, dass ich das Böse getroffen habe», beschrieb eine der Frauen ihre Furcht in einem Statement. Eine andere fühlte sich als «Stück Dreck auf seinem Schuh».

Wegen Vergewaltigungen, sexuellen Übergriffen und Freiheitsberaubung in 49 Fällen ist der Polizist angeklagt. Mehr als 80 Einzeltaten gegen 12 Frauen hat er gestanden. Die Ermittler gehen aber davon aus, dass es noch mehr Opfer gibt. Zwar streckt sich der Tatzeitraum über 17 Jahre, von 2003 bis 2020. Es gibt aber eine Lücke von mehreren Jahren, in denen keine Anzeigen vorliegen.

«Er war Polizist, wie konnte man ihm misstrauen?»

Die Opfer werden meist als verletzliche Frauen geschildert, einige jünger, andere deutlich älter. Der heute 48 Jahre alte Mann soll sie manipuliert, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt haben. Dabei half ihm auch sein Status als Polizeibeamter mit Dienstausweis und – später – Waffe, so schildern es mehrere Frauen, und so sieht es auch die Anklage. Er brüstete sich damit, dass er unter anderem mit dem Schutz des britischen Parlaments beauftragt war.

«Er war Polizist, wie konnte man ihm misstrauen?», ließ eine der Frauen ausrichten. Eine andere berichtete, sie sei nach der Vergewaltigung ins Krankenhaus gegangen. Als sie dort erzählte, wer ihr Peiniger ist, habe eine Pflegerin nur abgewinkt. «Die Justiz schützt ihre eigenen Leute», habe sie gesagt.

Doch damit soll nun endlich Schluss sein. Der Fall ist bereits der zweite innerhalb kurzer Zeit, bei der ein Londoner Polizist seinen Status für schwerste kriminelle Verbrechen genutzt haben soll. Die Dimension erinnert an den Mord an Sarah Everard – ein Beamter mit ähnlichen Zuständigkeiten hatte die 33-Jährige im März 2021 mithilfe seines Dienstausweises auf offener Straße in London verschleppt. Er vergewaltigte und ermordete die junge Frau. Dafür wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.

Vermutlich Hunderte kriminelle Beamte im Einsatz

Nun hat das Innenministerium den Polizeien im Land aufgetragen, in den eigenen Reihen nach «schwarzen Schafen» zu suchen. Es gebe «zu viele Beispiele von Frauenfeindlichkeit und Sexismus», kritisierte der Abgeordnete Nick Smith von der Oppositionspartei Labour. Allein in der Londoner Metropolitan Police sind nach Ansicht des neuen Polizeichefs Mark Rowley Hunderte Beamte und Beschäftigte im Einsatz, die «not fit for office» sind. Sprich: kriminell und korrupt. London ist beileibe kein Einzelfall.

Derzeit steht in Edinburgh ein Polizist vor Gericht, der eine Frau vergewaltigt und eine Treppe hinabgestoßen sowie eine 13-Jährige vergewaltigt haben soll. Er weist die Vorwürfe zurück.

Das Verhältnis zur Bevölkerung ist erschüttert, wie auch Innenministerin Suella Braverman eingestand. Elf der zwölf Opfer des 48-jährigen Angeklagten haben ausgesagt, kein Vertrauen mehr in die Polizei zu haben. Kommentatoren rufen dazu auf, die Einstellungsprozesse genau zu überprüfen – zumal derzeit die konservative Regierung Tausende Beamte sucht.

Doch auch andere Dienste sind betroffen. So ergab ein offizieller Untersuchungsbericht, dass Frauenfeindlichkeit, Sexismus und Rassismus bei der Londoner Feuerwehr an der Tagesordnung seien. Dem Sender ITV sagte eine anonyme Feuerwehrfrau, dass männliche Kollegen privat Fotos von Unfalltoten gemacht und sich über die Unterwäsche weiblicher Todesopfer ausgetauscht hätten. Auch hierbei mahnen Politiker, Gewerkschaften und die Chefetage, dass eine Kehrtwende dringend nötig sei.

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Frauen verdienen 15 Prozent weniger als Männer

Bad Ems (dpa/lrs) – Der Lohn von Frauen in Rheinland-Pfalz liegt pro Stunde im Schnitt 15 Prozent unter dem Bruttoverdienst von Männern. Wie das Statistische Landesamt in Bad Ems am Montag mitteilte, lag der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen im vergangenen Jahr bei 19,68 Euro und der von Männern bei 23,19 Euro. Frauen verdienten im Schnitt demnach 3,51 Euro pro Stunde weniger als Männer. Weiterlesen

Frauen verdienen weiter weniger pro Stunde als Männer

Wiesbaden (dpa) – Frauen erhalten in Deutschland weiter durchschnittlich geringere Stundenlöhne als Männer. Im Jahr 2022 betrug die Differenz 4,31 Euro, wie das Statistische Bundesamt am Montag berichtete. Das waren 18 Prozent weniger als der durchschnittliche Bruttostundenverdienst der Männer von 24,36 Euro. Über die Jahre hat sich der geschlechterspezifische Verdienstunterschied verringert, denn im Jahr 2006 betrug er noch 23 Prozent. Im Osten sind die Unterschiede dabei weiterhin wesentlich geringer als im Westen. Weiterlesen

Journalistin Golineh Atai erhält Frauenpreis

Mainz (dpa/lrs) – Die Journalistin Golineh Atai ist die fünfte Trägerin des rheinland-pfälzischen Frauenpreises. Die im Iran geborene Atai stehe in sehr schwierigen Nachrichtenzeiten für glaubwürdigen und ausgewogenen Auslandsjournalismus und rücke in ihrer Berichterstattung über den Iran die engagierten Frauen selbst in den Mittelpunkt, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Donnerstag in Mainz. «Sie lässt uns die Stimmen der iranischen Frauen hören, macht ihren Mut, ihre Träume, Hoffnungen und Ängste für uns alle greifbar.» Weiterlesen

Niedriger Frauenanteil bei Tech-Jobs schadet Wirtschaft

Düsseldorf (dpa) – Die wirtschaftliche Entwicklung in Europa könnte einer Studie zufolge mit einem höheren Frauenanteil in Tech-Jobs spürbar angekurbelt werden. Bislang seien 22 Prozent der Arbeitsplätze in diesem Bereich in den EU-Mitgliedstaaten von Frauen besetzt, geht aus einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens McKinsey hervor.

Gelänge es, den Frauenanteil in Tech-Rollen auf bis zu 45 Prozent im Jahr 2027 zu verdoppeln, könnte Europas Bruttoinlandsprodukt um bis zu 260 Milliarden auf dann 600 Milliarden Euro steigen. Weiterlesen

Erstmals Frau an der Spitze der Universität Trier

Trier (dpa/lrs) – Eva Martha Eckkrammer wird neue Präsidentin der Universität Trier. Die Professorin der Universität Mannheim tritt im September die Nachfolge des langjährigen Amtsinhabers Michael Jäckel an, wie die Hochschule am Donnerstag berichtete. Der Senat wählte Eckkrammer demnach mit überwältigender Mehrheit. Eckkrammer wurde im österreichischen Hallein geboren. Seit 2009 lehrt sie Romanische Sprach- und Medienwissenschaft an der Universität Mannheim. Ihre Amtszeit in Trier läuft sechs Jahre. Die Romanistin ist nach fünf männlichen Amtsinhabern die erste Frau an der Spitze der Universität Trier.

Frauen am Pult und andere Umbrüche in der Dirigentenwelt

Von Anika von Greve-Dierfeld, dpa

Selbst Musikmuffel kennen meist die Namen von berühmten Dirigenten der letzten Jahrzehnte. Herbert von Karajan, Sergiu Celibidache, Daniel Barenboim, Kent Nagano oder Simon Rattle. Die Welt der Dirigenten ist eine Männerdomäne – noch. Aber es tut sich was.

Kurz noch was mit der Pianistin besprechen, ein, zwei Notizen noch in die Partitur kritzeln. Dann aufs Podest dem Orchester zugewandt und ganz bei der Sache steht dort kerzengrade Ella Rosenberg, angehende Dirigentin. Sie hebt den Taktstock, runzelt ein wenig aufgeregt die Stirn, Konzentration bitte. Die Studentin der Dirigierklasse der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HMDK) probt mit der Badischen Philharmonie Pforzheim Beethovens Klavierkonzert Nr. 3.

Rosenberg ist 23, ihre drei Kollegen in der von Professor Rasmus Baumann geleiteten Dirigierklasse sind auch nicht viel älter. Sie sind junge angehende Dirigenten, die sich nach Abschluss ihres Studiums in der Musikwelt als Kapellmeister beziehungsweise Dirigent behaupten müssen. «Man wird sich durchbeißen müssen», sagt Rosenberg. Rund 80 Bewerbungen hat Robin Davis, Generalmusikdirektor der Badischen Philharmonie Pforzheim, auf die letzte ausgeschriebene Stelle bekommen.

Mehrere Hundert ausgebildete Dirigenten tummeln sich nach Einschätzung des Geschäftsführers vom Orchesterverband Unisono, Gerald Mertens, auf dem deutschen Markt. Sie können sich bewerben – national auf Stellen bei den 129 Berufsorchestern in Deutschland. Während die über 80 Opern- oder Theaterorchester immer mehrere Dirigentenstellen zu vergeben haben – vom Korrepetitor über den ersten oder zweiten Kapellmeister bis hin zum Generalmusikdirektor – steht Konzertorchestern wie den Berliner Philharmonikern ein einzelner Chefdirigent vor.

Das Personalkarussell der Dirigenten habe sich in den zurückliegenden Coronajahren eher langsam gedreht, meint Mertens. Vielfach gehe es den Orchestern nach langen Aufführungs-Zwangspausen jetzt erstmal zuvörderst um Konsolidierung und nicht so sehr darum, das Pferd zu wechseln. Dennoch vollzieht sich mancherorts ein Generationswechsel.

Einige Chefposten sind gerade frei oder werden gerade neu besetzt: Daniel Barenboim verlässt krankheitsbedingt seinen Posten als Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper. Bei den Münchner Philharmonikern musste der russische Dirigent Valery Gergiev den Chefposten räumen wegen seiner russlandfreundlichen Position im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg. Der Italiener Daniele Gatti wird 2024 Nachfolger von Chefdirigent Christian Thielemann bei der Staatskapelle in Dresden.

Für Furore sorgte 2021 die Nachricht, dass die erst 36 Jahre alte deutsche Dirigentin Joana Mallwitz ab dem Sommer das Konzerthausorchester Berlin leiten wird – einen größeren Wandel kann man sich eigentlich nicht vorstellen vom wirklich sehr renommierten, über 80-jährigen Chefdirigenten Christoph Eschenbach zu einer sehr jungen, agilen, vermittlungsfreudigen Dirigentin, sagt Mertens.

Mallwitz war als Dirigentin der Staatsphilharmonie Nürnberg und ist auch auf ihrem künftigen Posten eine von nur vier Frauen, die ein Berufsorchester leiten. Das sind zu wenig, sagt Mertens und fragt sich, was da mit der Förderung junger Dirigentinnen falsch läuft. Auf 20 bis 25 Prozent schätzt er den Anteil bereits ausgebildeter Dirigentinnen. Bei den Studierenden des Faches an den Hochschulen seien nach jüngsten Erhebungen des Musikinformationszentrums (MIZ) sogar 36,7 Prozent weiblich.

In der Stellenvergabe schlägt sich das bisher nicht ausreichend nieder, findet Mertens. Dabei ist «die Zukunft der Musik weiblich», sagt dazu Baumann, der neben seiner Professur an der Stuttgarter Musikhochschule auch Generalmusikdirektor der Neuen Philharmonie Westfalen ist. Vorbehalte bei den Orchestern gegen Frauen am Dirigentenpult gebe es da keine mehr. Unter den Bewerbern auf einen Dirigierplatz sind nach Einschätzung Baumanns inzwischen ein Drittel Frauen.

Ob Frauen einen anderen Ton in die Dirigentenwelt mitbringen? Der herrscht ohnehin schon längst, sagen Mertens und Baumann. «Das diktatorische Dirigentenprinzip hat sich in meinen Augen erledigt», betont Baumann. Es sei nicht mehr zeitgemäß, das Orchester anzuschreien. «Es geht nicht um den Dirigenten als harten Führungsknochen sondern eher als Ermöglicher», ergänzt Mertens.

Die Musikwelt schaut gerade für die Nachfolge Barenboims Richtung Berliner Staatsoper. In München sprach sich jüngst Rathauschef Dieter Reiter (SPD) für eine weibliche Führung der Münchner Philharmoniker aus. Und vielleicht wird ja auch mal eine Frau Chefdirigentin der seit 2019 von Kirill Petrenko geleiteten Berliner Philharmoniker. Im Film jedenfalls hat das schon mal geklappt: Gerade gewann Cate Blanchett in «Tár» einen Golden Globe für ihre Rolle als Stardirigentin des weltweit renommierten Ensembles.

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