Vor 90 Jahren: Hitler, Hindenburg und der «Tag von Potsdam»

Von Klaus Peters, dpa

Nach dem Reichstagsbrand vor 90 Jahren wurde kurze Zeit später der neue Reichstag in Potsdam mit einem Staatsakt in der Garnisonkirche eröffnet. Dabei kam es zum historischen Handschlag zwischen Reichspräsident von Hindenburg und dem neuen Reichskanzler Hitler.

Der «Tag von Potsdam» am 21. März 1933 war ein entscheidender Schritt von der Weimarer Republik in die NS-Diktatur. Die entscheidende Szene des Tages hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingegraben: Der Handschlag zwischen dem neu ernannten Reichskanzler Adolf Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg vor der Potsdamer Garnisonkirche. Dort war zuvor der Staatsakt zur Eröffnung des neuen Reichstags begangen worden.

«Das Ganze diente dem Willen der NS-Elite, den Anschluss an die alten wilhelminischen Eliten zu gewinnen», sagt der Potsdamer Historiker Werner Treß, stellvertretender Leiter des Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ) der Universität Potsdam, zu der Inszenierung des «Tags von Potsdam». Dabei spielte den Nationalsozialisten in die Hände, dass auch die Hohenzollern kamen: Prinz August Wilhelm («Auwi») erschien in SA-Uniform und Kronprinz Wilhelm in Husaren-Uniform. Bilder zu dem historischen Tag sind im Potsdam Museum am Alten Markt zu sehen – und auch ein Film des Ruderclubs «Vineta» vom Aufmarsch der Staatsspitzen in der preußischen Garnisonsstadt.

Die Garnisonkirche sei immer ein Sehnsuchtsort der extremen Rechten gewesen, sagt der Leiter Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus am MMZ, Gideon Botsch. «Und wie sich dies nun nach dem Wiederaufbau des Kirchturms entwickelt, bleibt abzuwarten.» Der 90 Meter hohe Turm der Garnisonkirche wird seit 2017 in der Potsdamer Innenstadt wiedererrichtet.

Kritiker wie die Initiative «Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche» und der «Lernort Garnisonkirche» der christlichen Martin-Niemöller-Stiftung kämpfen schon sei Beginn der Planungen gegen den Wiederaufbau – weil sie die Restauration eines Sammlungsorts der Rechten befürchten. Dabei wird auch immer wieder auf den «Tag von Potsdam» verwiesen. «Historisch gilt er als Geburtsstunde des Dritten Reiches», sagt Philipp Oswalt vom «Lernort Garnisonkirche. «Die alten Eliten übergaben den Staffelstab an die neuen Machthaber.»

Die Garnisonkirche sei damit symbolisch neu aufgeladen worden, nachdem sie mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs den Status als Symbolort des Preußentums verloren hätte, sagt Oswalt. Doch beim Kampf gegen den Wiederaufbau der Kirche gehe es bei weitem nicht nur um den «Tag von Potsdam», betont Oswalt. Schon in den 1920er Jahren sei die Kirche ein Versammlungsort der restaurativen Kräfte gewesen, die gegen die Weimarer Republik gekämpft hätten.

Dagegen betont Jürgen Reiche als wissenschaftlicher Leiter und Kurator der geplanten Ausstellung zur Geschichte der Garnisonkirche die Notwendigkeit des Wiederaufbaus. Damit biete sich «hier und heute doch endlich einmal eine Möglichkeit, sich der Geschichte dieser Kirche und damit auch Preußens in einer Ausstellung öffentlich zu stellen – kritisch, frei von Mythen, fragend und mit sachlicher Distanz», sagt Reiche. «Wo sonst gibt es in Potsdam einen Ort, jenseits des schönen Scheins von Schlössern und Parks, an dem diese politische Geschichte in größeren Zusammenhängen erzählt wird?» Die Dauerausstellung soll im Turm nach der geplanten Eröffnung im kommenden Jahr zu sehen sein.

Selbstverständlich müsse der «”Tag von Potsdam” dabei eine besondere Beachtung erfahren, sagt Reiche. «Aber die Geschichte kann nicht auf diesen Tag reduziert werden.» Dies betreffe etwa das Bündnis zwischen Militär und Kirche, die Verbindung zwischen Altar und Thron, die in der Ausstellung ausführlich thematisiert werde, betont Reiche. «Auch die Geschichte über den Tag hinaus ist vielschichtig, ambivalent und aufschlussreich, sie spielt in diesen 21. März hinein und wirkt bis heute nach.»

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