USA beunruhigt Veröffentlichung von Geheiminfos zu Krieg

Washington/Kiew (dpa) – Die US-Regierung bemüht sich nach der Veröffentlichung von Geheimdienstdokumenten zum Krieg in der Ukraine um Aufklärung. «Wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag (Ortszeit) in Washington. Das Verteidigungsministerium leite eine behördenübergreifende Prüfung, «welche Auswirkungen dies auf die nationale Sicherheit haben könnte». Beim Justizministerium laufe eine strafrechtliche Untersuchung. Präsident Joe Biden werde fortlaufend informiert.

Seit Wochen kursieren im Internet offenbar geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. US-Medien berichten seit Tagen über sensibles Material zu beiden Kriegsparteien, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. Unklar ist, wer die schon vor Wochen bei prorussischen Kanälen verbreiteten Dokumente publiziert hat. Das Investigativ-Netzwerk Bellingcat wies nach, dass einige nachträglich manipuliert wurden.

Kiew: Angaben zur Gegenoffensive sind weiter geheim

Während Medien darüber berichteten, dass die Umgebung von Präsident Wolodymyr Selenskyj verärgert auf das Datenleck reagiert habe, demonstrierte Kiew zumindest nach außen hin Gelassenheit: Der Sekretär des nationalen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, dementierte, dass Daten über militärische Operationen, die Größe der Einheiten und die Stoßrichtung an die Öffentlichkeit gelangt seien. «Diese Informationen sind absolut geheim», sagte er in einem ARD-Interview. Der Beginn der ukrainischen Gegenoffensive werde erst im letzten Moment festgelegt.

Ukraine zieht Abhörung Selenskyjs durch USA in Zweifel

Die ukrainische Führung zog zudem eine angebliche Abhöraktion der USA gegen Selenskyj in Zweifel. Beratungen des Staatschefs mit dem Militär liefen anders ab als in veröffentlichten Geheimdienstdokumenten dargestellt, sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Montag im ukrainischen Fernsehen. Die Beziehungen der Ukraine zu ihren westlichen Partnern seien durch die Veröffentlichungen nicht gefährdet. «Das sind normale Analysen», sagte er. Auch Pläne zu einer ukrainischen Gegenoffensive würden nicht torpediert, weil daran noch gearbeitet werde.

Zeitung: US-Papiere zweifeln an Erfolg der Ukraine-Offensive

Die USA bezweifeln laut einem Bericht der «Washington Post», dass die erwartete Frühjahrsoffensive der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland große Erfolge bringen wird. Das ukrainische Militär könnte die ursprünglichen Pläne zur Rückeroberung von Russland besetzter Gebiete diesen Papieren zufolge «weit verfehlen», schreibt die Zeitung. Grund seien demnach die Schwierigkeiten Kiews bei der Aufstockung von Truppen, Munition und Ausrüstung.

Die Unterlagen offenbarten die Bedenken der US-Regierung zum Stand des Krieges, schreibt das Blatt. Zudem könnten sie jene Kritiker ermutigen, die von den USA und der Nato größere Anstrengungen für eine Verhandlungslösung forderten.

Die Einschätzung in den als streng geheim gekennzeichneten Papieren stamme von Anfang Februar und verweise auf «erhebliche Defizite bei der Truppenaufstockung und -Erhaltung». Zudem sei darin die Rede von der Wahrscheinlichkeit, dass die ukrainische Gegenoffensive nur «bescheidene Gebietsgewinne» erzielen könnte. Die Strategie Kiews konzentriere sich laut diesen Dokumenten darauf, umkämpfte Gebiete im Osten zurückzugewinnen und gleichzeitig nach Süden vorzustoßen, um die russische Landbrücke zur besetzten Halbinsel Krim zu kappen.

Einschätzung von US-Geheimdienstberatern

Die Widerstandskraft der russischen Verteidigungsanlagen und die Mängel bei Ausbildung und Munition auf ukrainischer Seite würden den Fortschritt der Offensive wahrscheinlich erschweren und die Verluste vergrößern, heißt es weiter.

Unabhängig von den durchgesickerten Papieren seien US-Geheimdienstberater zu der Einschätzung gelangt, dass der Ausgang der erwarteten ukrainischen Frühjahrsoffensive eher bescheiden sein werde, schreibt die «Washington Post» unter Berufung auf eigene Quellen weiter. Demnach werde nicht erwartet, dass das ukrainische Militär so viele Gebiete zurückgewinnen werden könne wie im vergangenen Herbst im Osten und Süden des Landes.

Zuvor hatte es Berichte über Geheimdokumente des US-Verteidigungsministeriums gegeben, wonach Selenskyj Ende Februar in einer Beratung mit der Armeeführung Drohnenangriffe auf Standorte der russischen Armee im russischen Staatsgebiet Rostow vorgeschlagen habe. Das könnte Washington darin bestärkt haben, Kiew keine weitreichenden Waffen zu liefern, hieß es. Podoljak widersprach dieser Darstellung: «Es macht keinen Sinn, einfach abstrakt zu sagen: «Lasst und das Gebiet Rostow bombardieren.» Bei solchen Beratungen würden vielmehr Prioritäten gesetzt und Strategien festgelegt.

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