Scholz verteidigt Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine

Berlin (dpa) – Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine gegen Kritik in der Bevölkerung und aus der Politik verteidigt.

«Einem brutal angegriffenen Land bei der Verteidigung zu helfen, darin liegt keine Eskalation. Sondern ein Beitrag dazu, den Angriff abzuwehren und damit schnellstmöglich die Gewalt zu beenden», sagte der SPD-Politiker in einer Regierungserklärung im Bundestag in Berlin. Auch er mache sich Sorgen, sagte der Kanzler, betonte aber zugleich: «Uns alle eint ein Ziel: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Die Ukraine muss bestehen.»

Die Bundesregierung stärke der Ukraine auch militärisch den Rücken, «überlegt, abgewogen und international eng abgestimmt», sagte Scholz. Es werde keine deutschen Alleingänge geben, die Bundesregierung werde zudem nichts unternehmen, was die Nato zur Kriegspartei werden lasse.

Bei Bundeswehr-Sondervermögen «in guten Gesprächen»

Scholz zeigte sich optimistisch zu einer Einigung mit der Union über die Einrichtung des von ihm angekündigten Sondervermögens in Höhe von 100-Milliarden-Euro für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr. «Wir sind dazu in guten Gesprächen, auch mit Ihrer Partei, lieber Herr Merz, um das Sondervermögen fest im Grundgesetz zu verankern. Dafür bin ich sehr dankbar», sagte Scholz und wandte sich damit direkt an Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU).

So stellten sich Regierung und Opposition ihrer staatspolitischen Verantwortung, sagte Scholz. «Das Sondervermögen garantiert die Freiheit und Sicherheit unseres Landes in dieser Zeit», ergänzte der Kanzler. Zudem sei es eine klare Botschaft an Freunde und Verbündete: «Ja, wir meinen es ernst, wenn wir von Beistandspflicht und kollektiver Verteidigung reden.»

«Schweden und Finnland, Ihr seid uns herzlich willkommen!»

Der Kanzler begrüßte den von Finnland und Schweden geplanten Beitritt zur Nato. «Ich sage ohne jedes Zögern: Liebe Freundinnen und Freunde in Schweden und Finnland, Ihr seid uns herzlich willkommen! Mit Euch an unserer Seite wird die Nato, wird Europa stärker und sicherer», sagte der SPD-Politiker. Russlands Angriff auf die Ukraine habe auch viele andere Länder Europas dazu gebracht, neu über ihre Sicherheit nachzudenken. Viele investierten seither deutlich mehr in ihre Verteidigung.

Scholz: Frieden nicht selbstverständlich

Scholz rief zu einer entschlossenen Verteidigung des Friedens auf. Krieg sei auch in Europa nicht unvorstellbar geworden, sagte der Kanzler. «Frieden ist nur dann selbstverständlich, wenn wir bereit sind, ihn zu verteidigen. Das ist die Lehre, die wir aus Russlands brutalem Angriff auf die Ukraine ziehen.»

Scholz sagte, die Europäische Union habe in den vergangenen Jahren unterschiedliche Herausforderungen und Krisen bewältigt. Der Krieg in der unmittelbaren Nachbarschaft sei ohne jeden Zweifel die größte. «In einem aber ähnelt auch diese Krise den vorangegangenen. Einmal mehr erleben wir: Je größer der Druck von außen ist, desto entschlossener und geeinter handelt die Europäische Union.»

Kanzler: Keine Abkürzung für die Ukraine in die EU

Scholz bekräftigte, dass er keine Sonderregeln für einen beschleunigten EU-Beitritt der Ukraine akzeptieren wird. «Dass es auf dem Weg in die EU keine Abkürzungen gibt, ist auch ein Gebot der Fairness gegenüber den sechs Ländern des westlichen Balkans», so Scholz.

Montenegro, Serbien, Nordmazedonien und Albanien sind seit vielen Jahren EU-Beitrittskandidaten, Nordmazedonien schon seit 2005. Scholz betonte, dass die EU jetzt liefern müsse, was den Beitrittsprozess dieser Länder angeht. Für Juni kündigte er eine Reise in die Region mit der Botschaft an: «Der westliche Balkan gehört in die Europäische Union.»

Für die Ukraine will die EU-Kommission im Juni eine Empfehlung über den Kandidatenstatus abgeben. Alle Mitgliedstaaten müssen zustimmen. Scholz betonte, dass auch die Ukraine «Teil unserer europäischen Familie» sei. Er sprach sich für einen milliardenschweren Solidaritätsfonds der EU und ihrer Partner für den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg aus. Er wies aber auch darauf hin, dass der EU-Beitrittsprozess «keine Sache von ein paar Monaten oder einigen Jahren» sei. «Deshalb wollen wir uns jetzt darauf konzentrieren, die Ukraine schnell und pragmatisch zu unterstützen.»

Scholz: Änderung der EU-Verträge kein Tabu

Vor dem außerordentlichen Europäischen Rat Ende Mai sprach sich Scholz für eine Weiterentwicklung der EU aus. Im Fokus Deutschlands werde eine bürgernähere und effizientere Union sein, sagte Scholz im Bundestag. Die Bürgerinnen und Bürger wünschten sich etwa mehr Konsequenz beim Klimaschutz, Fortschritte bei der europäischen Verteidigung und ein gerechteres Europa. Vieles davon könne schnell und ohne langwierige Änderungen der EU-Verträge umgesetzt werden. Aber auch bei den etwa von Deutschland geforderten Mehrheitsentscheidungen sehe er, dass sich in den vergangenen Monaten immer mehr dieser Idee angeschlossen hätten.

«Wenn die Sache es erfordert, dann können wir über eine Änderung der Verträge reden, auch über einen Konvent», sagte Scholz weiter. Das sei kein Tabu. Wichtig sei aber größtmöglicher Konsens. Gleichzeitig warnte Scholz vor einer kontroversen Nabelschau zu institutionellen Fragen.

 

 

 

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