Moskau weist deutsche Diplomaten aus – USA mit mehr Hilfe für Kiew

Angesichts der grausamen Kriegsbilder aus der Ukraine wirkt die Ausweisung von deutschen Diplomaten fast harmlos. Doch sie zeugt von dem immer dünneren Gesprächsfaden des Westens mit dem Kreml.

Kiew/Moskau/Berlin (dpa) – Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hat Russland 40 deutsche Diplomaten ausgewiesen. Das Außenministerium in Moskau begründete dies am Montag unter anderem mit einer aus seiner Sicht unfreundlichen Politik Berlins. In Deutschland wird weiter gestritten, wie weit die Waffenhilfe für die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg gehen soll. Die USA sagten Kiew bereits weitere Militärhilfe zu. Der russische Angriff hat nach ukrainischen Angaben inzwischen mindestens 3818 Zivilisten das Leben gekostet.

Deutschland und andere westliche Länder hatten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar harte Sanktionen gegen Russland verhängt. Zudem hatte Berlin im April nach Entdeckung von Kriegsgräuel nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew 40 russische Diplomaten aus Deutschland ausgewiesen, die hier als mutmaßliche Spione tätig gewesen sein sollen. Die Reaktion aus Moskau wurde lange erwartet – und sie folgte nun mit der Ausweisung von ebenfalls 40 Diplomaten. Das ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur etwa ein Drittel des deutschen diplomatischen Korps in Russland.

US-Diplomaten kehren in die Ukraine zurück

Die diplomatischen Verbindungen des Westens mit Moskau werden also immer knapper. In der Ukraine werden die zu Kriegsbeginn ausgedünnten diplomatischen Vertretungen vieler Länder hingegen wieder aufgestockt. So kündigten die US-Minister Antony Blinken (Außen) und Lloyd Austin (Verteidigung) nach einem Besuch in Kiew an, US-Diplomaten kämen schon kommende Woche wieder in die Ukraine.

Austin sagte zudem mit Blick auf Waffenlieferungen, die USA würden alles tun, um der Ukraine nun «so viel wie möglich so schnell wie möglich» zu geben. Er habe bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wichtige Informationen bekommen, was das Land brauche. Diese werde er am Dienstag beim Treffen mit den Verteidigungsministern von Nato-Partnern und Verbündeten auf dem US-Militärstützpunkt in Ramstein besprechen.

Die beiden Minister kündigten während ihres Besuchs in Kiew weitere Militärhilfen für die Ukraine im Umfang von 322 Millionen Dollar an. Zudem werde die Ukraine weitere Munition im Wert von 165 Millionen Dollar bekommen, hieß es. Seit Kriegsbeginn habe die US-Regierung damit insgesamt 3,7 Milliarden Dollar Militärhilfen zugesagt. Blinken meinte, Russland verfehle seine Kriegsziele und die Ukraine habe Erfolg. Verteidigungsminister Austin sagte: «Wir wollen Russland in dem Ausmaß geschwächt sehen, dass es die Art von Dingen, die es mit dem Einmarsch in die Ukraine getan hat, nicht mehr machen kann.»

Angriffe auf Treibstofflager

Im Kriegsgebiet wird nach wie vor heftig gekämpft. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, russische Streitkräfte hätten eine Raffinerie und ein Treibstofflager bei der zentralukrainischen Stadt Krementschuk mit Raketen beschossen. Der Moskauer Militärbericht sprach von 19 weiteren Raketenangriffen in der Nacht zum Montag gegen militärische Ziele in der Ukraine. Russland meldete auch Feuer in zwei eigenen Öldepots unweit der Grenze zur Ukraine. Die Ursache und ein möglicher Zusammenhang zum Krieg blieben offen.

Von ukrainischer Seite hieß es, im Westen und im Zentrum des Landes seien mehrere Raketen eingeschlagen. Dabei seien auch fünf Eisenbahnstationen getroffen worden, teilte der Chef der ukrainischen Eisenbahn, Olexander Kamyschin, auf dem Telegram-Kanal des Unternehmens mit. «Die russischen Streitkräfte zerstören weiter systematisch die Infrastruktur der Eisenbahn.»

Für die Rettung eingeschlossener Zivilisten aus dem Stahlwerk Azovstal in Mariupol setzt die Ukraine auf Vermittlung von UN-Generalsekretär Antonio Guterres, wie die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk sagte. Guterres soll am Dienstag mit der russischen Führung in Moskau sprechen und wird am Donnerstag in Kiew erwartet. Nach Angaben aus Kiew sollen sich rund 1000 Zivilisten in dem Stahlwerk aufhalten, auch Frauen und Kinder. Außerdem verstecken sich dort nach russischen Angaben noch etwa 2500 ukrainische Bewaffnete und ausländische Söldner.

Union macht Druck für Waffenlieferungen

In Deutschland macht die Union im Streit über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine Druck auf die Ampel-Koalition. Die größte Oppositionsfraktion legte wie angekündigt einen Vorschlag für einen Bundestagsbeschluss vor. Darin wird gefordert, die deutschen Waffenlieferungen «in Quantität und Qualität unverzüglich und spürbar» zu intensivieren.

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte, es gebe keine allzugroßen Unterschiede zwischen dem Antrag, den die Ampel-Regierung vorbereite, und dem der Union: «Ich glaube, wir sind uns sehr einig, dass die Ukraine unsere Unterstützung braucht, dass das auch durch Waffenlieferungen erfolgt.»

Klar ist, dass der Krieg neue Löcher in die Haushaltsplanung reißt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) plant deswegen für dieses Jahr mit 39,2 Milliarden Euro zusätzlichen Schulden. Das Kabinett soll den sogenannten Ergänzungshaushalt am Mittwoch verabschieden. Damit steigt die Neuverschuldung 2022 nach Angaben aus Kreisen des Finanzministeriums auf insgesamt 138,9 Milliarden Euro. Dabei nicht berücksichtigt ist die geplante 100 Milliarden schwere Finanzspritze für die Bundeswehr.

Trübe Wirtschaftsaussichten 

Die Aussichten für die Wirtschaft trüben sich aus Sicht der Bundesregierung zugleich ein. Sie erwartet für 2022 nur noch ein Wachstum von 2,2 Prozent, wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Regierungskreisen erfuhr. Im Januar hatte die Bundesregierung noch mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 3,6 Prozent gerechnet.

Allerdings stellte das Ifo-Institut fest, dass sich die Stimmung in der Wirtschaft im April überraschend leicht verbessert habe. Das von den Wirtschaftsforschern erhobene Geschäftsklima stieg gegenüber März um einen Punkt auf 91,8 Zähler. «Nach dem ersten Schock über den russischen Angriff zeigt die deutsche Wirtschaft sich widerstandsfähig», sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

 

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