Anklage fordert über zehn Jahre Haft für IS-Rückkehrerin

Koblenz (dpa/lrs). Die Bundesanwaltschaft hat zehneinhalb Jahre Gefängnis für eine mutmaßliche Anhängerin der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gefordert, weil sie eine Jesidin fast drei Jahre lang versklavt haben soll. Die 37-Jährige soll davon gewusst haben, dass ihr Ehemann die Frau regelmäßig vergewaltigt habe und habe dies gebilligt, betonte die Anklage in ihrem Plädoyer am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht in Koblenz.

Was dem Opfer widerfahren sein soll, bezeichnete eine Bundesanwältin als fast drei Jahre währendes Martyrium. «Man muss sich nur ihren üblichen Tagesablauf vor Augen führen. Sie musste aufstehen, in dem Wissen den ganzen Tag lang durch den Haushalt gescheucht zu werden; jeden Tag aufstehen, in der Ungewissheit, ob sie erneut vergewaltigt werden würde», sagte die Vertreterin der Anklage.

Der Anklage zufolge war die Deutsche 2014 mit ihrem syrischen Ehemann von Deutschland nach Syrien ausgereist, um sich dem IS anzuschließen. 2015 zog das Paar nach Mossul im Irak um. 2016 soll der Ehemann, der ein IS-Arzt gewesen sein soll, die Jesidin als Sklavin in das Haus gebracht haben. Den Angaben zufolge sei die Frau ihm als «Geschenk» von IS-Kämpfern übergeben worden.

Die 37-Jährige soll überwacht haben, dass die junge Versklavte nicht fliehen konnte und sie zu Arbeiten im Haus aufgefordert haben. Der Mann soll die Jesidin in ihrem Wissen regelmäßig vergewaltigt und geschlagen haben. Sie soll zudem gezwungen worden sein, zum Islam zu konvertieren und sei von dem Ehepaar mit einem anderen Namen angesprochen worden.

Unter anderem wegen mehrerer Aussagen von Zeuginnen sieht die Bundesanwaltschaft eine deutliche Beweislage gegen die Angeklagte. Das mutmaßliche Opfer hatte als Schlüsselzeugin in dem Prozess vor einem Staatsschutzsenat des OLG Koblenz ausgesagt. Zudem hatten mehrere Zeuginnen angegeben, dass die Jesidin von dem Ehepaar versklavt worden war.

Laut Anklage soll das Ehepaar in dem Haus in Mossul auch verschiedene Frauen untergebracht haben, deren Ehemänner als IS-Kämpfer gestorben oder an Kämpfen beteiligt waren. Es soll zu Hause zudem Sprengstoff, Handgranaten und Kalaschnikows gelagert haben.

Die Bundesanwaltschaft betonte, die IS-Mitgliedschaft der Angeklagten und ihres Mannes sei erwiesen. Vor und nach dem Tatzeitraum soll die 37-Jährige dschihadistische Ansichten gehegt haben.

2019 wurde die Familie laut Bundesanwaltschaft bei der Flucht aus dem syrischen Baghuz von kurdischen Kräften festgenommen. Im März 2022 wurde die Angeklagte mit ihren zwei Töchtern und anderen mutmaßlichen IS-Anhängerinnen bei einer Rückholaktion der Bundesregierung nach Deutschland gebracht und festgenommen.

Anfang Mai hatte die Angeklagte bestritten, der Frau gegenüber Gewalt angewandt zu haben. In ihrer Einlassung hatte sie auch Reue ausgedrückt. Mitte Juni wird als nächstes das Plädoyer der Nebenklage erwartet, danach folgt die Verteidigung.

Der Bundestag erkennt die Verbrechen des IS gegen die Jesiden als Völkermord an. Mehr als 5000 Angehörige der jesidischen Religionsgemeinschaft waren 2014 von der Terrormiliz ermordet worden. Der IS zielte auf die Vernichtung der vor allem in der nordirakischen Sindschar-Region lebenden Minderheit ab. Zehntausende Jesidinnen und Jesiden wurden getötet, verschleppt, versklavt und misshandelt. In Deutschland lebt die größte jesidische Diaspora weltweit.

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